Irgendjemand aus dem Raum Freiburg hat seine ganze Clique motiviert, mir Mails zu schreiben. Zumindest steht dort einer der Server, über den mir Mails gesendet werden. Aus Hannover kam ein zweite Schwung. Der Inhalt: Man sage „Spasti“ nicht. Rund 30 Mal dieselbe Grütze. Böse Stinkesocke!
Naja, grundsätzlich fährt man mit dem Verbot, laut „Spasti“ zu sagen auch ganz gut. Und alle, die nicht begreifen, warum man das nicht sagt auch und schon gar nicht als Schimpfwort, sollten sich wohl auch einfach an dieses Verbot halten. So bestehen gute Chancen, dass deine Mudda dir nicht den Lutscher wegnimmt.
Meinen Lieblingsspasti rede ich in Mails übrigens tatsächlich mit „H Spasti“ an. Sie unterschreibt sogar mit diesem Spitznamen. Genau, ein Spitzname. Nicht Schnucki, Schwänli, Bärli oder Schokopupsi, sondern Spasti. Ich nenne Menschen beim Spitznamen, wenn ich sie lieb habe.
Wenn also schon kein abgrundtiefer Hass aus mir bricht, während mir dieses Wort über die Lippen gleitet, möchte ich die Frage stellen, ob man jemandem so einen Spitznamen geben darf. Und meinen Kritikern recht geben, die ausführen, dass man niemanden auf seine Behinderung reduzieren sollte. Da bin ich völlig derselben Meinung. Und ich finde, gerade wenn ein Mensch mit einer Behinderung von einem anderen Menschen mit Behinderung „Spasti“ genannt wird, schreit diese gewollte sanfte Provokation förmlich danach, diesen Menschen eben gerade nicht über seine Behinderung zu definieren. Oder sie betont unauffällig zu verleugnen. „Du Spast“ würde ich allerdings niemals zu jemandem sagen – klingt schließlich weder liebevoll noch niedlich.
Ist es immer okay, wenn der oder die Betroffene einwilligt?
Natürlich nicht. Krassestes Beispiel: Wenn sich zwei duellieren wollen und schriftlich vereinbaren, dass der überleben möge, der seine Waffe zuerst abfeuert, kann der Sieger sich einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Sicherheit nicht entziehen. Zumindest in Deutschland nicht. Hoffe ich doch.
Ähnlich ist es beim Zwergenweitwurf. Was? Ja, sowas gibt es. Ist verboten, das vorweg. Aber es gab mal ein paar kleinwüchsige Menschen, die sich im Rahmen eines Stunts durch die Luft werfen ließen. Wer am weitesten warf, bekam einen Gewinn. Es wurde argumentiert: Dazu gehören zwei. Einer, der wirft, und einer, der sich werfen lässt.
Falsch. Dazu gehören noch mehr. Nämlich mindestens alle kleinwüchsigen Menschen. Denn hier wird nicht irgendwer geworfen, sondern jemand, der wegen einer Behinderung besonders einfach zu werfen ist. Es werden nicht Paul oder Peter fair in einem Spiel besiegt, sondern es werden kleinwüchsige Menschen als Zwerge durch die Gegend geschleudert. Kleinwüchsige Menschen werden bei diesem Spiel auf ihre Behinderung reduziert. Es wird grober Unfug veranstaltet, der sich mit der Menschenwürde nicht vereinbaren lässt. Menschen sind mehr als Wurfgeschosse.
Ich sehe das so: Als Mensch und Mitglied der Gesellschaft habe ich auch einen erheblichen Teil (zum Inklusionsprozess) zum Miteinander beizutragen, um nicht wegen meiner Einzigartigkeit gruppiert und diskriminiert zu werden. Dazu gehört, dass ich meine Würde genauso acht wie die anderer Menschen. Und dazu gehört, dass ich mich nicht diskriminieren lasse oder gar zur Diskriminierung meiner Person aufrufe.
„Liliputaner Action: Wer den Liliputaner einsperrt, bekommt einen Flatscreen“, so lautete die schon mehrmals stattgefundene Aktion einer Cuxhavener Diskothek. Ein kleinwüchsiger Mensch musste gefangen werden, wer das schaffte, bekam einen Fernseher. Es klingt zwar unglaublich, aber es stimmt. Und der kleinwüchsige Mensch hat mitgemacht. Er müsse schließlich irgendwie seine Familie durchbringen. Traurige Berühmtheit bekam die Aktion, als der kleinwüchsige Mensch stürzte und sich schwer verletzte. Nicht bei der „Liliputaner Action“ selbst, aber …
Ich vermute, dieser Mensch ist sehr einfach gestrickt. Vielleicht ist er nicht das hellste Licht im Leuchter, vielleicht hat er auch nicht alle Tassen im Schrank. Der Verletzte hat überhaupt nicht bestritten, die Aktion freiwillig mitgemacht, sogar vorgeschlagen zu haben. Ich bin bekanntlich gegen jede Bevormundung und gegen jede Form intensiver Kontrolle und Überwachung. Ich möchte zuerst an die Fähigkeiten jedes Einzelnen glauben können. Aber ganz offensichtlich gibt es nicht nur mindestens einen Menschen, der sich für Geld verspotten lässt und damit jede Würde mit Füßen tritt, für die andere unermüdlich kämpfen; sondern auch noch ganz viele, die für einen Flachbildfernseher sämtlichen Verstand garagieren. Braucht es also tatsächlich jemanden, der den Leuten die Lutscher wegnimmt, weil sie mit zuviel Freiheit im Hirn nicht umgehen können?