Wie Ein Pinguin

Ohne Wasser fühle ich mich wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Das Gefühl ist aus Sicht des Verstandes natürlich nicht korrekt. Im Gegensatz zum Fisch kann ich nur am Land atmen, dafür im Wasser überhaupt nicht. Ich lege keine Eier und ich kann auch nicht mit dem Schwanz wackeln. Meine Augen gucken auch ohne Fischbrille in dieselbe Richtung und selbst ohne Kühlung rieche ich nicht nach Trimethylamin.

Mein Verstand schlägt meinem Gefühl also vor, ich sollte mich doch eher wie ein Pinguin fühlen. Bei näherer Betrachtung mag das etwas passender sein. Fliegen kann ich nicht, aufrecht gehen auch nicht (ich wäre damit wohl ein besonders tollpatschiger Pinguin, der nur noch auf dem Bauch umher rutscht), ich bin einigermaßen zutraulich, manchmal frech und eine weiße Weste habe ich auch. Okay, okay, die Flecken sind nicht ganz rausgegangen…

Ich will das nicht weiter vertiefen. Schließlich legen Pinguine auch Eier und ich möchte nicht in der nächsten Woche von meinen Freundinnen und Freunden lauter besonders schöne Steine geschenkt bekommen. Ob Stinkesocke, Fisch oder Pinguin: Ich brauchte eine Einleitung. Um auszudrücken, wie sehr mir das Wasser fehlt. Es fehlt mir so sehr, dass ich meinen Doc so lange genervt habe, bis er nach einem anfänglichen „Kommt gar nicht in die Tüte, Sie haben wohl einen Knall“ irgendwann sagte: „Dann gehen Sie schwimmen. Aber dann besorgen Sie sich vorher vernünftige wasserdichte Pflaster und kleben die beiden Stellen ab, die jetzt noch nicht wieder richtig verheilt sind.“

Gesagt, getan. Wir waren mit vier Leuten in der Ostsee. Ja, richtig. Total verrückt, hat aber irre viel Spaß gemacht. Knapp vierzig Minuten, Wasser 13 Grad, Luft 7 Grad, Wellen mit Schaumkronen und mindestens 100 Spaziergänger, die ihren Augen nicht trauten und fragten, wofür wir trainieren. Insbesondere, wenn das Wasser wärmer ist als die Luft, ist es schon ein lustiges Gefühl. Etwas Hardcore war es nur, das Gesicht in Wasser zu packen, aber nach 5 Minuten war auch das okay.

Um uns herum auf dem Parkplatz waren auch mindestens 40 Surfer, die das tolle Wetter ausnutzen wollten und sich entsprechend umzogen. Das hat niemanden interessiert. Auch die rund 20 Leute mit ihren Pferden, die am Strand reiten wollten, haben lediglich mir wehmütige Aufmerksamkeit abgefordert. Aber dass sich in der Nähe der Behindertenparkplätze auch Rollstuhlfahrer in ihre Neos zwängten, war mal wieder eine absolute Attraktion. Die Leute blieben stehen und der Wind trug den einen oder anderen Satzbaustein zu uns herüber: „Ob die wohl auch surfen?“ – „Es gibt ja alles für Behinderte, die können ja sogar Fallschirmspringen!“ – „Und Auto fahren und Wasserski!“ – „Neulic hab ich sogar einen mit einem Fahrrad gesehen!“

Wir sollten Eintritt verlangen und Autogramme verteilen. Am besten gefiel mir selbst eine Sportkollegin aus einem anderen Team, die mit einer Pudelmütze ins Wasser ging.

Ohne Wasser fühle ich mich nicht wohl. Und ohne diesen Spaß und dies Verrücktheiten auch nicht. Ich bin froh, das ausleben zu können und zu dürfen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert