Dringender Reformbedarf

Die Sozialhilfe soll ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Sie steht in der Regel an letzter Stelle, ist also fast immer nachrangig. Die Gewährung von Sozialhilfe setzt immer eine Bedürftigkeit voraus. Wer
sich selbst helfen kann, muss sich auch selbst helfen. Ein eigenes Einkommen ist muss verwendet werden, bevor Sozialhilfe gezahlt wird. Gleiches gilt für Vermögen, für das Einkommen des Ehemannes, unterhaltspflichtiger Kinder und Eltern.

Für Leistungen zur Sicherung des Grundbedarfs, einer persönlichen Existenz, klingt das logisch. Aber insbesondere durch Steffi,
die Assistenzleistungen, die sie eigentlich bräuchte und die sie auch bewilligt bekäme, nicht in Anspruch nimmt, um sich aus eigenen Mitteln ein Auto und einen Jahresurlaub zu finanzieren, habe ich in den letzten Tagen sehr viel nachgedacht und mir einige Fragen gestellt, deren Antworten ich nicht kenne und deren Antworten ich auch nicht neutral ermitteln kann, denn meine Meinung ist pro Steffi gefärbt.

Ich frage mich wirklich ernsthaft, ob es angemessen ist, von einem Menschen, der täglich Pflege und Assistenz in einem Umfang benötigt, wie
er nicht (mehr) durch die Pflegeversicherung abgedeckt ist, zu verlangen, diese Leistungen selbst zu bezahlen. Oder sie von Ehepartnern, Kindern oder Eltern bezahlen zu lassen. Dabei rede ich nicht von Wahl- und Zusatzleistungen, sondern von Grundleistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Lebens. Ich frage mich auch, ob es korrekt ist, hier von Sozialhilfe zu sprechen.

Ist es wirklich gerecht, dass ein Mensch, der so schwer pflegebedürftig ist, dass die Mittel aus der Pflegeversicherung nicht reichen, für seine Pflege mit eigenem Geld aufkommen muss? Gibt es einen
Unterschied zu der Behandlung akuter Krankheiten, wo ja auch nicht nach
der Schwere oder den Kosten unterschieden wird?

Aktuell liegt der Freibetrag, den jemand, der trotz Assistenzbedarf einen Job hat, auf dem Sparbuch haben darf, bei 2.600 €. Sobald ein Euro
mehr auf dem Sparbuch ist, muss man für Kosten, die über der maximalen monatlichen Leistung der Pflegeversicherung benötigt werden, und für Assistenzleistungen selbst aufkommen. Damit ist klar: Familien, in denen
ein Mitglied hohen Pflege- oder Assistenzbedarf hat, haben ein Leben lang nur das Nötigste zum Leben und niemals Geld auf dem Sparbuch. Ist das gerecht?

Heiratet mich jemand, wenn ich Assistenzbedarf habe? Würde es sich, wenn ich Pflege- oder Assistenzbedarf hätte, überhaupt lohnen, einen Beruf zu lernen oder zu studieren? Mich dort anzustrengen, um die Karriereleiter hochzuklettern? Brauchen wir überhaupt die Bemühungen, auch Menschen mit Einschränkungen auf Regelschulen zu beschulen und sie in vernünftige Jobs zu bringen, wenn sie mitunter am Ende das Geld, das sie verdienen, doch nur für ihre Pflege verwenden? Bringt das was?

Ich frage mich ernsthaft, ob sich hinter diesem Thema nicht auch eine
Chance verbirgt, etwas für die Wirtschaft zu tun. So gut verdienen Assistenz- und Pflegekräfte nicht, dass zu befürchten ist, dass sie Geld
unter der Matratze oder im Ausland horten. Also geben sie es aus – das ist doch genau das, was unsere Politik möchte, oder? Und bei der Gelegenheit werden eben nicht nur ein paar neue Bahnhöfe gebaut, sondern
Menschen leben in Würde.

Ich weiß nicht, ob man bei dieser Leistung einen Freibetrag braucht. Ich bin keine Expertin auf diesem Gebiet. Aber eines sagt mir der gesunde Menschenverstand: Der Staat, wir alle, haben nicht einen Cent mehr zur Verfügung, wenn jemand wie Stefanie auf Assistenz verzichtet, weil da mehr als 2.600 € auf dem Konto sind. Und was auch sehr wundert: Selbst bei Hartz IV (Arbeitslosengeld II) gibt es erheblich höhere Freibeträge.

Wie schon gesagt, meine Meinung ist gefärbt. Aber ich sehe hier einen dringenden Reformbedarf.

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