Wer ist schon perfekt?

Während draußen schon die ersten Windböen toben und Hamburg sich auf eine sehr schwere Sturmflut vorbereitet, stellt der Schweizer Verein „Pro Infirmis“ mal wieder einen neuen Videoclip ins Netz. Mit bemerkenswerter Ruhe kommt er daher und löst, wenige Tage nach seiner Veröffentlichung, einen Klicksturm, eher einen Klick-Orkan aus. Wie schon beim letzten Mal, als ein Mensch sich in ein niedliches Bärenkostüm zwängt und in eine Fußgängerzone stellt. Er geht mit offenen Armen auf die Menschen zu und kurz darauf wollen ihn alle knuddeln und mit ihm fotografiert werden. Am Ende, als das ganze Spektakel vorüber ist, nimmt der Bär seinen Kopf ab und fragt: „Müssen wir uns verkleiden, um uns näher zu kommen?“ – Erst jetzt wird sichtbar, dass der Mensch in dem Kostüm eine Behinderung, in diesem Fall Trisomie 21, hat.

Im aktuellen Spot anlässlich des gestrigen internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen wurden die Schaufensterpuppen in teuren Modegeschäften in der Züricher Bahnhofstraße ausgetauscht. Die perfekt aussehenden Puppen wurden durch Abbilder von fünf berühmten Menschen mit Behinderungen, denen Gliedmaße fehlen, die kleinwüchsig sind oder deren Körperproportionen besonders sind, ersetzt, professionell gestylt und bekleidet und dann einen Tag lang im Schaufenster gezeigt. Was den Clip so sehenswert macht, sind gar nicht mal die Reaktionen der Menschen, die auch eher in den Hintergrund treten, sondern die Offenheit der mitwirkenden Menschen mit Behinderung gegenüber sich selbst, ihre Identifizierung, ihre Zustimmung zu ihrem Körper und dem professionell geschaffenen Abbild. Ganz besonders stark finde ich die Momente, in denen die Miss Handicap 2010, Jasmin Rechsteiner, ihre Puppe umarmt oder der Leichtathlet Urs Kolly der Puppe seine Prothese anzieht. Die Kampagne läuft unter dem Titel „Wer ist schon perfekt?“ und ist aus meiner Sicht absolut gelungen.

Das Video gibt es übrigens hier zu sehen:

https://youtu.be/E8umFV69fNg?si=Y-801104Pis82QIw

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