Ich hatte in diesem Jahr das Glück, mir meine Zeit so einteilen zu können, dass ich nicht am Heiligabend noch in irgendwelche Läden und Geschäfte musste. Lebensmittel hatte ich bereits in der letzten Woche eingekauft und alle Weihnachtsgeschenke waren auch schon da. Und obwohl ich in diesem Jahr absolut nichts über das Internet bestellt hatte, klingelte mich heute morgen ein gelber Paketdienst aus dem Bett. „Ich bringe die Weihnachtsgeschenke“, meinte er und hatte zwei große Kartons auf seiner Karre. Für mich waren sie nicht, sondern für Cathleen, die aber nicht zu Hause war. Eine Pampersbestellung von Anfang Dezember, nach einem Lieferengpass wurde sie ausgerechnet am Heiligmorgen ausgeliefert. Natürlich habe ich dem Paketfahrer nicht gesagt, worum es sich handelt. Er meinte nur: „Aber schön gerecht aufteilen, nä? Und nicht alles auf einmal auffuttern!“ – Okay. Möchte jemand eine Windel haben? Ich weiß allerdings nicht, wie sie schmeckt.
Wenn ich auch schon alle Geschenke besorgt hatte: Eingepackt hatte ich sie noch nicht. Also ran. Marie und ich schenken uns gegenseitig einen Badeanzug. Wenn man regelmäßig trainiert, braucht man ja ständig neue. Das ist zwar ein bißchen albern, aber wir mögen halt albern. Ich hatte nun im Kaufhaus einen erwischt, den sie gerne trägt, Etiketten waren noch alle dran, Klebestreifen im Schritt auch, keine Ziehfäden, kein Schmutz, kein Chlorgeruch – gekauft. In dem Moment, in dem ich heute das Preisschild abschneiden will, sehe ich, dass auf dem Preisschild eine andere Größe steht als auf dem eingenähten Etikett. Und beim genaueren Hinsehen merke ich: Der ist falsch ausgezeichnet und entsprechend hing der auch falsch. Argh!!!
Also doch am Heiligabend morgens nochmal in die Stadt, Geschenke umtauschen. Die Kassiererin hat sich mehrmals entschuldigt, so etwas passiere nur sehr selten. Wenn, dann natürlich bei mir… Ich bekam ihn in
die richtige Größe getauscht, nichts wie raus. Wenn das mal so einfach wäre: Direkt vor dem Kaufhaus war eine Menschentraube versammelt und an Durchkommen nicht zu denken. Ich tippte einige Leute an, aber die waren irgendwie alle in Weihnachtsgedanken. Plötzlich fängt fünf, sechs Leute neben mir eine Frau zu singen an, in einer Tonlage und in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, so dass sich mir sofort alle Nackenhaare aufstellten. Etliche umstehende Leute guckten dumm aus der Wäsche und suchten Distanz zu ihr, im ersten Moment dachte ich ernsthaft, mit ihr stimmte irgendwas nicht. „TochtäherrZieh On frohohohoheue Dich, jahahahauchzeLautJeruhuhusalem!!!“
Am anderen Ende der Menschentraube fuhr ein junger Mann mit Sonnenbrille und Mütze fort: „Siehihihihieh Dein König kohohommt zu dir.“ – Und plötzlich sangen noch wesentlich mehr Leute mit. Ein Flashmob. Und die Stinkesocke mitten drin. Zum zweiten Mal in meinem Leben, vor einem halben Jahr gab es einen in einer Einkaufspassage, den ich aber nur draußen gehört habe, ins Getümmel wollte ich mich dann nicht stürzen, sondern habe abgewartet, bis der Spuk zu Ende war. Heute handelte es sich um einen Chor aus der benachbarten Kirche. Okay, es war ganz gut gelungen, singen konnten sie auch, das Solo am Anfang war sehr irritierend, vermutlich, weil es so unerwartet kam. So schnell wie es losging war es auch wieder vorbei und dann konnte ich endlich nach Hause. Der Busfahrer hatte einen kleinen Weihnachts-Elch auf seiner Kasse sitzen, ein kleines Kind an Mamas Hand fragte alle drei Minuten, ob der Weihnachtsmann schon da gewesen sei, wenn sie zu Hause ankämen – und mir gegenüber in der ersten Sitzreihe hinter der Mitteltür saßen zwei Jungs, geschätzte 16 Jahre alt, die meinten, Weihnachten sei voll nervig. Sie hätten ihre Playstation 4 schon bekommen, als Papa sein Weihnachtsgeld aufs Konto überwiesen bekommen hatte, also Anfang des Monats, und nun müssten sie heute mit Oma und Opa in die Kirche. Hoffentlich sei das schnell vorbei.
Tja, ich bin zwar etwas älter, aber ich freue mich schon. Auf die Kirche. Ich werde heute abend dort sein, in welcher, verrate ich allerdings nicht. Vorher werde ich noch mit all jenen aus unserer WG, die am Heiligabend nicht zu ihrer Familie fahren (oder keine mehr haben), einen schönen Abend im Gruppenraum, diesmal mit Tannenbaum, verbringen, mit anschließendem Kirchenbesuch. Morgen bin ich bei Marie eingeladen zum Mittagessen und am zweiten Weihnachtstag steigt bei Marie eine Sauna-Garten-Party mit ganz vielen netten Leuten.
Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern ein paar schöne Festtage. Genießt die Ruhe, ob mit Familie, ob mit Freunden oder alleine. Selbst wenn du keinen Menschen hast, der heute oder morgen mit dir zusammen sein möchte, geht das Leben spätestens am Freitag wieder seinen alten Trott. Und bis dahin ist genug Zeit, zum Beispiel um noch einmal in meinen ganzen Texten der letzten fünf Jahre zu stöbern! Oder um andere Dinge zu schaffen, die man sonst nicht schafft! In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!