Das ist wieder ein Tag! Der große Schneefall blieb aus, Hamburg liegt lediglich unter einen dünnen Puderzucker-Schicht, die auf den Fahrbahnen schon weggeweht ist. Dafür liegt vor unserem Haus eine gefühlte halbe Tonne Salz – in kleinen Häufchen.
An der Bushaltestelle spricht mich eine ältere Dame an: „Na, junge Frau? Ganz schon kalt heute morgen, ja?“ – „Winter halt!“ – „Ist Ihnen das nicht zu kalt?“ – „Meine Jacke ist sehr dick. Das passt schon.“ – „Ich meinte eher die Hose, die sieht sehr dünn aus. Haben Sie wenigstens
einen dicken Schlüpfer drunter? Nicht, dass Sie sich die Blase verkühlen!“
Möchte ich mit wildfremden Frauen auf der Straße über meine Unterwäsche diskutieren? Nein. Aber Pampers halten warm. Falls das einer
wissen möchte. Ich stelle mich an das andere Ende der Haltestelle, stecke mir Stöpsel ins Ohr. Endlich kommt der Bus. Und … zum Glück steigt die Frau nicht mit ein, sondern wartet weiter auf die andere Linie. Brav!
Zweiter Akt: Ich stehe vor der Uni an der Bushaltestelle und warte auf den Bus. Inzwischen ist mittags. Es schneit nicht mehr, aber Hamburg
ist in die hübschesten Grautöne gefärbt. Ein Mann, geschätzt 65, spricht mich an. Ich verstehe ihn nicht, fummel einen Stöpsel aus dem Ohr. „Wie bitte?“ – „Ihr Schuhband ist offen!“ – „Mein Schuhband?“ – „Ihr Schuhband ist offen!“ – Ich lehne mich nach vorne, gucke über meine
Knie auf meine Füße. Im gleichen Moment sagt er: „Haha, etwas Spaß muss
sein, finden Sie nicht?“ – Ich gucke ihn böse an. – „Oh, finden Sie nicht. Sehr bitter. Lachen hilft aber!“
Sagt er und geht mit wackelnden Hüften und leise pfeifend davon. Ohne
ein weiteres Wort stecke ich mir meine Stöpsel wieder in die Ohren. Lachen hilft. Gegen Verbitterung? Gegen Behinderung? Gegen dumme Sprüche? Wohl kaum. Was mir heute noch fehlt, ist jemand, der mir erzählt, dass er auch schon einmal sechs Wochen in so einem Ding saß. Oder sein Nachbar. Vielleicht sollte ich mir doch noch das T-Shirt aus dem Laden neben der Hochschule kaufen, auf dem steht: „Ich nix Psychiater!“