Manche Menschen schwärmen für den nuschelnden Tilman. Manche konnten kaum erwarten, bis sein neuer Film in die Kinos kam. Ausgerechnet am ersten Weihnachtstag, am Fest der Liebe und der Familien, läuft „Honig im Kopf“ an. Wenn das mal kein Zufall ist…
Ich selbst bin weder pro noch contra Schweiger. Beim Tatort geht er mir regelmäßig auf den Keks, kürzlich bei Inas Nacht fand ich ihn zu hochnäsig, was vielleicht an seiner akuten Erkältung gelegen hat – in seinen Kinofilmen ist mir manches zu übertrieben, manches zu einfach durchschaubar und zu konstruiert. Aber „Wo ist Fred?“ hat mir sehr gut gefallen, nicht zuletzt wegen der einschlägigen Thematik, und auch Zweiohrküken und Kokowääh fand ich durchaus sehenswert.
Etwas schade ist, dass der Film in Hamburg in den Abendvorstellungen der großen Kinos aktuell nur in Sälen gespielt wird, die für Rollstuhlfahrer nicht erreichbar sind. So haben Marie und ich uns zusammen mit Maries Eltern, die den Streifen auch sehen wollten, in einen für den Andrang viel zu kleinen Kinosaal gesetzt und versucht, uns
berieseln lassen.
Berieselt hat allerdings nur die Werbung. Sobald der Film startete, ging es zur Sache. Mehr als drei Sekunden durfte der Blick nicht in die Popcorntüte wandern, sonst lief man Gefahr, irgendeine Pointe zu verpassen. Was nicht gerade entspannend ist; aber immerhin war auch niemand eingeschlafen. Der Streifen enthielt den üblichen Klamauk, die Handlung war mir teilweise zu stark konstruiert. Damit meine ich weniger
die Darstellung der Krankheit „Alzheimer“, sondern mehr die viel zu lässigen und oft für mich persönlich nicht realistischen Reaktionen aus der Umwelt.
Wie schon in den letzten Streifen durften natürlich auch diesmal Pinkelszenen und gecrashte Oberklassefahrzeuge sowie das Feuer in der Küche nicht fehlen. Wenn man das aber als schweigertypisch abhaken konnte, bleibt etwas sehr, sehr schönes übrig: Ein wunderbarer Film über
eine fiese und weit verbreitete Krankheit, über die Fachleute viel forschen, die aus dem Alltag aber lieber verdrängt wird. Und nachdem ich
täglich selbst erlebe, vor welche Herausforderungen ich als Rollstuhlfahrerin meine Mitmenschen oft nur durch meine bloße Anwesenheit stelle, möchte ich gar nicht darüber nachdenken, wie schwierig doch Begegnungen zwischen sich für normal haltenden Menschen und jenen sein können, in deren Köpfen die Gedanken so zäh „wie durch Honig fließen“.
Dieter Hallervorden, der in diesem Film den an Alzheimer erkrankten Opa spielt, läuft zur Höchstform auf. Eine so glaubwürdige Vorstellung hätte ich ihm, ehrlich gesagt, nicht zugetraut. Was vielleicht daran liegen könnte, dass ich den Fernseher eher selten einschalte und wenn, dann meistens, um Entspannung zu suchen. Entspannend fand ich dabei Didis Witze allerdings nie, eher habe ich immer ziemlich zeitnah ein anderes Programm gewählt. So war er mir bisher mehr als alberner Komiker
und weniger als großartiger Filmschauspieler bekannt. Begeistert hat mich auch Emma, die 11jährige Schweiger-Tochter.
Trotz der mit sehr viel Humor verfeinerten ernsthaften Handlung finde
ich den Film sehr gelungen und bereue nicht, ihn mir am heutigen zweiten Weihnachtstag angesehen zu haben. Für einen familienfreundlichen
Unterhaltungsfilm bekommt er von mir als Mensch mit – derzeit zum Glück
nur körperlichen – Beeinträchtigungen viereinhalb Sterne. Ich kann nur hoffen, dass der Streifen die öffentliche Debatte über den gesellschaftlichen Umgang mit beeinträchtigten Menschen weiter anfeuert,
und dass wir alle uns darauf besinnen, dass die kognitive Leistungsfähigkeit eines Menschens kein Qualitätsmerkmal ist.