Verfahren und verzählt

In unserem neuen Haus ist fast alles super. Die Sonne kitzelt so schön in meiner Nase, wenn ich morgens aufwache. Nachts ist es wunderbar
ruhig, morgens schnattern höchstens mal ein paar Enten – herrlich. Bislang bereuen Marie und ich es noch nicht, hier zu wohnen. In rund drei Wochen geht es allerdings erstmal für drei Monate zurück an unseren
Studienort, da die Vorlesungszeiten bald wieder beginnen. Mein siebtes Semester ruft.

Die anderen Leute im Haus sind auch sehr nett, die Auswahl ist uns, nach jetzigem Stand, gut gelungen. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass die Anzahl überschaubar ist und sich niemand in der Anonymität verstecken kann. So oder so: Alle sind recht ordentlich, alles ist sauber und ruhig.

Größere Probleme hat es noch nicht gegeben, lediglich eine zuletzt nervige Sache, die aber inzwischen, nach mehreren Anläufen, behoben ist:
Der Aufzug spielte hin und wieder verrückt. Zum Glück brauchen wir ihn im Erdgeschoss nicht unbedingt, aber andere Mieter sind auf ihn angewiesen und entsprechend muss er natürlich einwandfrei und zuverlässig funktionieren.

Anfangs kam es häufiger vor, dass der Aufzug an der zuvor ausgewählten Etage vorbei fuhr. Ja, richtig gelesen. Normalerweise fährt
die Kabine ja bis zu einem bestimmten Punkt schnell, geht kurz vor Erreichen der gewählten Haltestelle in die Langsamfahrt und stoppt dann,
im Idealfall, bündig. Hier war es so, dass insbesondere bei den mittleren Stationen die Kabine mit Vollgas bis zu der gewählten Ebene fuhr, dann offenbar im Moment des Vorbeifahren beschämt ihren Fehler bemerkte, um dann erstmal aus voller Fahrt bis auf Null abzubremsen. Nicht völlig abrupt mit einem lauten Knall, aber schon so, dass einem flau im Magen wurde und man sich dachte: „Bin ich hier im Karussell?“ – Anschließend fuhr die Kabine in der Langsamfahrt den halben Meter bis zur gewählten Ebene zurück und öffnete kleinlaut die Tür.

Damit konnte man ja noch irgendwie vorübergehend leben. Was aber gar nicht ging, war, dass die Anlage sich hin und wieder verzählte. In der Kabine konnte man ja improvisieren, indem man einfach auf „Keller“ drückte, wenn man ins Erdgeschoss wollte. Oder auf „1“, wenn man aus dem
Keller kam und ins Erdgeschoss wollte. Nervig war es nur, wenn man im Erdgeschoss vor dem Aufzug stand, dann den Knopf drückte, und hörte, wie
im ersten Stock die Tür aufging. Keine Chance, von außen die Kabine ins
Erdgeschoss zu bekommen. Es sei denn, man schickte jemanden in den Keller, um dort zu drücken. Allerdings: Sobald man einmal alle Knöpfe in
der Kabine gedrückt hatte und die Anlage alles abgearbeitet hatte, funktionierte es wieder normal.

Der Techniker kam, hat da irgendwas resettet, ohne Erfolg, kam nach drei Tagen wieder, hat stundenlang irgendwas neu eingestellt, ohne Erfolg, kam dann zwei Tage später mit zwei Kollegen wieder (an einem Morgen standen tatsächlich drei Service-Fahrzeuge vor dem Haus, so dass die Nachbarn schon fragten, wieviele Aufzüge wir hätten…) – am Tag danach war die Anlage von morgens bis abends komplett aus, abends kam wieder der Techniker und baute ein neues Teil ein.

Danach war das Vorbeifahren und das Verzählen weg. Dafür kam es nun aber hin und wieder vor, dass man im Erdgeschoss einstieg, nach oben wollte, den entsprechenden Knopf drückte, die Tür sich schloss und der Aufzug dann statt nach oben in den Keller fuhr, und zwar unter die unterste Ebene, und sich dort erstmal zur Ruhe setzte. Die innere Tür rollte ein kleines Stückchen auf, man konnte sie mit der Hand frei hin- und herschieben, mehr passierte nicht. Das Licht in der Kabine blieb allerdings an.

Wenn man jetzt in der Kabine eine Taste drückte, egal welche, passierte gar nichts. Abgesehen vom Alarmknopf, der funktionierte. Immerhin. Wenn dann allerdings jemand von außen den Aufzug rief, schreckte die Kiste aus ihrem Tiefschlaf, knallte die Kabinentür zu, der
Aufzug fuhr einmal ganz nach oben, danach wieder ganz nach unten und anschließend zu der Etage, aus der er gerufen wurde. Danach funktionierte alles wieder ganz normal. Bis es den nächsten Aussetzer gab.

Das war dann der Moment, in dem ich am Telefon sehr deutlich wurde. Am nächsten Morgen kamen erneut zwei Mitarbeiter, lasen irgendein Protokoll aus und stellten fest, dass ein für das getauschte Bauteil benötigter Software-Patch nicht automatisch nachgeladen worden sei. Daraufhin wurde die komplette Steuerungssoftware neu aufgespielt, alles neu eingestellt – und seitdem ist alles so wie es sein soll.

Hoffen wir mal, dass das so bleibt. Und dass wir weiterhin glücklich und in Ruhe dort wohnen und leben können.

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