Kleine Welt

Da stehe ich mit meinem Einkauf auf dem Schoß im Aufzug zum Parkdeck, als mein Blick auf ein junges Mädchen, geschätzt zehn Jahre alt, fällt. Unter ihrem Top blitzt eine Dosierpumpe hervor. Insulin? Schmerzmittel? Die Mutter hat gesehen, dass mein Blick kurz an ihrer Tochter kleben blieb. Sie guckt mich an. „Haben wir Sie nicht letzte Woche in der Klinik gesehen?“, fragt sie mich plötzlich. So klein ist die Welt.

„Kann schon sein“, antworte ich. Sie sagt: „Sie sind relativ zügig über den Flur gerollt und meine Tochter war so fasziniert davon, wie Sie
die defekte Automatiktür mit der Hand geöffnet haben.“ – Ich lächel die
Tochter an, sie lächelt zurück, und sagt: „Wie war das? Jeder hat seinen Rucksack zu tragen. Oder?“ – Dann hebt sie kurz ihr Top zwei Finger breit hoch, so dass mein Blick auf die Insulinpumpe frei wird, und hält mir anschließend lachend die Hand zum High-Five hin.

Was für ein lustiger Vogel! Ich schlage natürlich ein. Die Mutter sagt: „Sie hat aber auch gesagt, dass sie mit Ihnen nicht tauschen möchte.“ – Okay … wenn es ihr hilft, sich vorzustellen, dass es vermeintlich größere Herausforderungen gibt als eine jugendliche Zuckerkrankheit, dann lasse ich das mal so stehen.

Ich würde sofort behaupten, dass es noch wesentlich größere Herausforderungen gibt als ein Diabetes oder eine Querschnittlähmung. Aber die eigenen Aufgaben sind die, die man selbst bewältigen muss. Und da interessiert es nicht, welche Aufgaben andere gestellt bekommen. Aber
manchmal hilft der Blick über den Tellerrand dabei schon.

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