Plätschern, rieseln, pullern

Oft kommt es ja nicht vor, dass man mich morgens in einem Supermarkt antrifft. Aber heute bin ich um eine Lebenserfahrung reicher geworden. Nämlich dass morgens grundsätzlich nur schwerhörige Omas und Opas einkaufen.

Nicht etwa, dass mir ein paar Gehwagen im Weg gestanden hätten. Und niemand auf meine Bitte reagiert hätte, sie beiseite zu schieben. Keineswegs. Im Gegenteil, der Laden war so gut wie leer. Es wurden an etlichen Stellen die Regale aufgefüllt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
wuselten hin und her.

Normalerweise, wenn ich einkaufe, plätschtert im Hintergrund irgendeine Musik. Manchmal rieselt sie auch, manchmal pullert sie – ich habe da schon die vielfältigsten Umschreibungen gehört. Meistens sind es
mehr oder weniger aktuelle Charts, manchmal könnte man denken, die lassen einfach ein Radio laufen. Hin und wieder wird diese Musik unterbrochen und die neuesten Angebote (ab sofort: Australischer Spargel), irgendwelche Werbe-Aktionen (nur hier, nur heute) oder Lebenstipps (Wenn der PC raucht, sollten Sie ihn reinigen) sowie die Toilettengewohnheiten von Frau Müller (Frau Müller bitte Siebenhundert) und der Ort des nächsten zerbrochenen Gurkenglases (Einhundert bitte zu den Sauerkonserven) werden durchgesagt.

Heute war alles anders: Zuerst war es seltsam still, dann, plötzlich,
wie aus dem Nichts, brandete Volksmusik auf. Muss i denn zum Städtele hinaus, heut kommt der Hans zu mir, die Katja hat ja Wodka im Blut. In einer Lautstärke, dass eine normale Unterhaltung nicht mehr möglich gewesen wäre. Man hätte schreien und zum Telefonieren nach draußen gehen
müssen. In den ersten Sekunden habe ich das noch für irgendeine dämliche Werbung gehalten und erschrocken dreingeblickt, nach einigen Minuten war es nur noch lästig.

Es veranlasste mich regelrecht, auf dem direkten Weg zur Kasse zu rollen und den Laden zu verlassen. Es nervte tierisch. Und während ich da in der Schlange wartete, wurde es noch einmal lauter: Es muhte keine Kuh. Sondern ein Typ blökte ins Mikro: „Muh! Muh! Muuuhuuu!“ – Man sollte irgendeine Milchpackung suchen, in der ein Gewinn versteckt ist. Und kurz nachdem lautstark mit Jahrmarktgekreische und Karusselltröten auf das Münchener Oktoberfest hingewiesen wurde, muhte es erneut. Der Mann vor mir versuchte, Kontakt mit der Kassiererin aufzunehmen und musste brüllen: „Sag mal, seid ihr nicht ganz dicht? Was ist das für ein
Lärm hier? Wollt ihr eure Kunden verscheuchen, oder was soll das?“

„Das ist Werbung, die wird aus der Zentrale eingespielt. Morgens ist das immer etwas lauter, weil viele alte Menschen hier sind. Wir können das nicht regulieren und heute ist das besonders laut. Mein Chef hat da aber in der Zentrale schon aufs Band gesprochen, dass das zu laut ist.“,
brüllte sie zurück. „Macht zwölf achtzig.“ – Ich war froh, als ich wieder draußen war.

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