Käsekuchen

Gegenüber der Klinik, in der ich zur Zeit mein Praktisches Jahr mache, gibt es einen Bäcker, der halbwegs essbare Brötchen verkauft. Und Semmeln, Wecken, Rundstücke, Schrippen und Bömmeln. Er gehört zu einer Franchise-Kette. Ich nehme mir zum Frühdienst immer zwei Brötchen mit, damit ich in den acht Stunden irgendwas zwischen die Zähne bekomme. Am liebsten halt ein Bestimmtes mit Körnern, das in dieser Kette auch einen eindeutigen Namen hat und pro Stück 65 Cent kostet.

Vor einigen Wochen hat der Franchisenehmer gewechselt. Eine ältere Frau, die vorher die Filiale geleitet hat, ist in Rente gegangen, nun ist ein Mann, geschätzt Mitte 50, dort im Laden. Als ich an seinem ersten Arbeitstag in die Filiale kam, stellte er sich mir vor. Erzählte mir, dass er vor zwölf Jahren aus der Türkei gekommen sei. Dass er fleißig sei und viel arbeiten wolle. Das mag freundlich sein, aber vor meinem Frühdienst habe ich die Angewohnheit, meine verbale Kommunikation auf das Nötigste zu beschränken, so dass es meinerseits bei den üblichen Floskeln blieb.

Später auf der Station habe ich dann gemerkt, dass er mir ganz andere Brötchen in die Tüte gepackt hat. Ich konnte das aufgrund meiner sitzenden Position halt schlecht sehen, so dass es mir vor Ort nicht aufgefallen ist. Vielleicht war er am ersten Tag etwas durcheinander oder aufgeregt, kann ja passieren. Am nächsten Morgen bat ich erneut um meine Körnerbrötchen und schaute dieses Mal gleich in die Tüte. Wieder andere ohne Körner drin. „Entschuldigung, das sind doch aber nicht die Körnerbrötchen, die ich haben wollte.“ – „Nein, das sind andere, die, die Sie haben wollten, sind jetzt 20 Cent teurer. Für 65 Cent bekommen Sie nur noch diese.“ – „Aber Sie können mir doch nicht einfach andere Brötchen, die ich gar nicht bestellt habe, mitgeben. Bitte tauschen Sie das. Dann zahle ich halt 40 Cent mehr.“ – „Sie haben diese jetzt aber schon in der Hand gehabt, das sind Lebensmittel, die kann ich nicht zurücknehmen. Außerdem habe ich die anderen heute nicht mehr da.“

Vor meinem Frühdienst ist eine Sorte schon aus? Egal. Ich dachte mir, er müsste ja nun mitbekommen haben, dass ich unzufrieden bin. Am nächsten Morgen: „Ich hätte gerne zwei Körnerbrötchen, aber dieses Mal bitte nur die.“ – „Ich gebe Ihnen diese, die kosten sonst 90 Cent, zum Preis von 85.“ – „Ich möchte keine anderen Brötchen. Haben Sie die Körnerbrötchen wieder nicht da?“ – „Doch, aber glauben Sie mir, Sie werden diese mögen.“ – „Ich möchte die nicht. Ich möchte nur meine zwei Körnerbrötchen.“ – „Bekommen Sie. Und ich gebe Ihnen das Dritte dazu, geschenkt. Probieren Sie es.“

Ich esse keine drei Brötchen. Egal. Nervig. Einige Tage später hatte ich wieder Frühdienst, will meine zwei Brötchen holen. Er begrüßt mich: „Meine Freundin! Hast du den Käsekuchen bekommen?“ – „Was für einen Käsekuchen?“ – „Den du bestellt hast!“ – „Ich habe keinen Käsekuchen bestellt und auch keinen bekommen.“ – „Meine Kollegin sagte mir, du hättest ihn abgeholt.“ – „Da müssen Sie was verwechseln. Ich habe nichts
mit Ihrem Kuchen zu tun.“ – „Nein, ich verwechsel dich nicht. So viele Leute sitzen ja auch nicht im Rollstuhl.“

Auweia. Ich bat um meine zwei Brötchen. Er packte wieder einfach andere in die Tüte. Diesmal sah ich das sofort. „Nee, das ist mir hier zu viel Zirkus, da bin ich raus. Schönen Tag noch.“

Kaufe ich künftig meine Brötchen halt woanders. Sind zwar fünf Minuten Umweg, aber auf sowas habe ich keinen Bock. Gestern saß ich am Tisch, bestrich mein Brötchen, und sah, dass eine Kollegin ihre Brötchen auch von dem alternativen Bäcker in der Nebenstraße geholt hatte. Ich erzählte ihr beiläufig die Story mit dem Kuchen. Sie unterbrach mich nach zwei Sätzen und sagte: „Zu dem geh ich nicht mehr. Wenn man da nicht aufpasst, hat man nebenbei einen halben Rasenmäher und zwei Dutzend Handys gekauft.“

Scheinbar war ich nicht die einzige „Freundin“, mit der er seine Spielchen machte. So ein Käsekuchenbasar mag ja für einige Menschen durchaus attraktiv, charmant oder lustig sein – mir geht es auf den Keks. Vor allem morgens um kurz vor Sechs.


Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert