Lukas

Ich komme derzeit nicht so oft zum Schwimmtraining wie ich es gerne
möchte. Ich hoffe sehr, dass ich das demnächst ein wenig ändert. Mindestens einmal pro Woche versuche ich aber derzeit dennoch, mindestens neunzig Minuten durch das Wasser zu pflügen. Zwei Kilometer möchte ich schon schaffen.

Beim letzten Mal hielt ich nebenbei noch nach Lukas
Ausschau. Ich versuchte herauszufinden, wer der junge Mann sein könnte,
der seiner Mutter so viel über mich erzählt hat, obwohl er mich eigentlich nur vom Sehen kennen kann. Vom Sehen – und vielleicht haben wir mal „Hallo“ gesagt. Aber so sehr ich mich auch umschaute, mir fiel niemand auf, der sich irgendwie anders benahm oder mich vielleicht sogar
beobachtete. Irgendwann ergab sich die Möglichkeit, eine andere Sportlerin zu fragen: Lukas sei heute nicht da, antwortete sie.

Am Tag danach hatten wir endlich mal Sonnenschein, und da ja nicht immer nur Lernen auf der Tagesordnung stehen kann, holte ich mein Rennbike aus der Garage und schaffte insgesamt 32 Kilometer. Vier Kilometer fahre ich zunächst über Feldwege, die zwar gepflastert, aber oft sehr ruckelig sind, dann allerdings geht es zwölf Kilometer über eine für Radfahrer offene Promenade, direkt an der Ostsee. Diese Promenade ist durchgehend geteert, sechs Meter breit und für Autos gesperrt. Und ohne großartige Steigungen oder Gefälle. Ideale Bedingungen, um auch mal ein wenig Geschwindigkeit aufzunehmen. Im Sommer geht das tagsüber eher nicht, da dann zu viele Kinder kreuz und quer laufen, die an den Strand wollen. Aber dann halt abends. Nach 12 Kilometern wende ich und fahre denselben Weg zurück.

Mit der Wende hatte Lukas offenbar nicht gerechnet. Bis dahin hatte ich auch gar nicht mitbekommen, dass er mich verfolgt. Auch wusste ich im ersten Moment nicht, dass er mich überhaupt verfolgt hatte. Und auch nicht, dass es Lukas war. Ich bemerkte nur einen jungen Mann, der scheinbar zufällig denselben Weg wie ich hatte, und der jetzt, wo ich stehen blieb, ebenfalls mit seinem Fahrrad stehen blieb, abstieg und sich betont unauffällig an seinen Schuhen zu schaffen machte, ohne dass ein Schnürsenkel offen war oder ähnliches. Er guckte mich an, beobachtete mich, und immer wenn ich ihn fokussierte, schaute er weg. Im
ersten Moment dachte ich noch, es wäre vielleicht jemand, der noch nie so ein Liege-Bike gesehen hat und einfach nur mal gaffen möchte. Aber dann wurde es mir fast schon irgendwie unheimlich.

Ich hatte inzwischen gewendet, rollte direkt auf ihn zu und sprach ihn an: „Na, alles gut bei dir?“ – „Ja, ich bin ganz zufällig hier. Schön, dass wir uns auch mal außerhalb der Schwimmhalle treffen. Trainierst du für einen Wettkampf?“ – Jetzt dämmerte es mir. Als ich ihn
ganz locker-flockig fragte, was er gerade macht, wurde er dunkelrot im Gesicht, am Hals und an den Ohren und stammelte, er wollte sich bei einer nahe gelegenen Fahrradvermietung nach den Preisen erkundigen. „Soll ich hier kurz auf dich warten und wir fahren dann zusammen zurück?“ – Er nickte. Was mir ganz gelegen kam, denn ich musste mal für kleine eingestaubte Triathletinnen.

Als er nach fünf Minuten wieder da war, fragte ich nicht, ob er erfolgreich war. Denn wenn er sich wirklich für die Preise interessiert hätte, hätte er ja auch von zu Hause das Internet befragen können. „Hat deine Mutter dir erzählt, dass sie mich neulich im Supermarkt getroffen hat? Falls ich jetzt gerade nichts durcheinander bekomme.“ – „Ja, hat sie. Was hat sie denn zu dir gesagt?“ – „Sie kam gleich auf mich zu und fragte mich, ob ich neuerdings im Schwimmverein trainiere. Ich hatte mich zuerst ein wenig gewundert.“ – „Ich hatte ihr das erzählt, dass jetzt neuerdings eine Frau im Rollstuhl bei uns trainiert. Und sie erzählte dann, dass sie dich beim Einkaufen getroffen hatte. Hat sie sonst noch was gesagt?“ – „Ich musste ganz schnell weiter, weil ich Besuch zu Hause hatte.“ – „Dein Freund? Entschuldigung, geht mich nichts
an.“ – „Ich habe keinen Freund im Moment.“ – Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ich fragte ihn: „Hast du denn eine Freundin?“ – Er schüttelte den Kopf. Ich fragte weiter: „Und hattest du schonmal eine?“ –
Wieder schüttelte er den Kopf. Er ist 17, wie ich nebenbei herausfand.

Ob er nun wirklich in mich verknallt ist, weiß ich nicht. Ich glaube schon, aber ich kann nicht ausschließen, dass es auch nur eine Schwärmerei ist. Oder er mich einfach gerne mag. Ich warte einfach mal ab, was so passiert. Und fühle mich geschmeichelt. Auch wenn er niemand ist, der altersmäßig in mein „Beuteschema“ passt. Und während es mit zunehmendem Alter ja immer weniger auf das Alter des Partners ankommt, wundert es mich schon, dass er mit 17 ausgerechnet mich anschaut. Aber ich will es gar nicht bewerten.

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