Bester deutscher Blog

Ich bin gerührt. Nein, wirklich. Damit hätte ich nicht gerechnet.

Dass jemand meinen Blog toll findet, soll schon vorgekommen sein. Dass es Menschen gibt, die ihn dann auch noch bei einem Award vorschlagen, ist an sich schon eine gewisse Ehre. Aber so eine gewisse Ehre begegnet einem hin und wieder mal im Alltag. Das sind Momente, in denen man sich freut, in denen man etwas von dem zurück bekommt, was man an anderer Stelle vielleicht mal jemandem gegeben hat. Sie kommen im wahren Leben vor, manchmal häufiger, manchmal lassen sie auch wieder lange auf sich warten.

Dass jedoch mein Blog aus den rund 3.200 Vorschlägen von einer Jury ausgewählt und den Lesern vorgestellt wird, ist schon nicht mehr so alltäglich, sondern für mich schon etwas sehr besonderes. Wenngleich noch vielleicht irgendwie mit rationalen Gedankengängen erklärbar. Dass dann jedoch mein Blog, mein Tagebuch, mit tausenden Leserstimmen auf Platz 1 gewählt wird, sogar 42% aller abgegebenen Stimmen bekommt, damit
den Titel „Bester Deutscher Blog 2012“ (Deutsche Welle Blog Awards) erhält, das passiert vielleicht in Träumen oder in Märchen. In Wirklichkeit bin ich doch nur eine schüchterne junge Frau, die im Rollstuhl durch Hamburg fährt und manchmal ein bißchen aus ihrem Leben erzählt.

Ich möchte, wenn ich schon so eine große Aufmerksamkeit bekomme, über die ich mich sehr freue, die Gunst dieses Momentes nutzen, bevor ich wieder in mein alltägliches Leben zurücktaumel. Und zwei Wünsche äußern.
Keine materiellen. Den einen: Ich möchte gerne, dass jeder meiner Leserinnen und Leser sich für eine Minute lang Gedanken macht, warum mein Blog überhaupt auf Platz 1 kommen konnte. Jetzt wirds philosophisch.

Ich möchte nicht nach persönlichen Komplimenten fischen. Ich bin nicht eitel und ich möchte es auch niemals werden. Nein, ich möchte auf etwas anderes hinaus: Welche Platzierung hätte mein Blog am Ende erreicht, wenn wir in einer Welt leben würden, in der es keine Barrieren gäbe? In der wir miteinander und füreinander statt gegeneinander leben? In der uns menschliches nicht fremd wäre, uns keine Angst oder Ratlosigkeit machen würde?

Jedenfalls nicht die erste. Für den Moment finde ich es gut so. Denn so ein erster Platz fühlt sich nunmal verdammt gut an. Aber das gute Gefühl wird bald nachlassen und ich werde mich wiederfinden in einem Alltag voller Wahnsinnigkeiten, die den Stoff für weitere Jahre Stinkesocken-Blog liefern.

Und damit wären wir beim zweiten Wunsch: Ich möchte bei der nächsten Abstimmung (irgendwann kommt bestimmt nochmal eine) allerhöchstens auf Platz 2. Ich möchte eine Platzierungsstufe eintauschen gegen die vielen vermeidbaren Barrieren, die das Leben vieler Menschen mit Behinderung unnötig schwer machen. Ich möchte, dass mein Blog in diesem Punkt deutlich langweiliger werden darf. Einen großen Einfluss darauf hat jeder einzelne von uns. Bitte denkt zwischendurch einfach mal an mich, an andere Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderung, und nehmt etwas mehr Rücksicht aufeinander.

Es ist heute ein Moment, in dem ich mir nicht nur etwas wünschen möchte, sondern in dem ich mich auch einmal bedanken möchte. Und zwar bei allen Menschen, die mir in den letzten Monaten und Jahren die Treue gehalten haben, die an mich geglaubt haben, die mich lieb gehabt haben, die mich ausgehalten haben und die für mich da waren, die mich aus dem realen Leben heraus geholt und die mich in das reale Leben zurück geschubst haben, die mich gefordert und gefördert haben, die meinem Leben den einen oder anderen Sinn und einigen Unsinn gegeben haben – und bei all jenen, die ich in meiner Aufregung gerade vergessen habe: Vielen Dank!

Ganz besonders danken möchte ich meiner Psychologin, ohne die es diesen Blog niemals gegeben hätte.

Und ebenfalls nicht vergessen möchte ich, und hier schließt sich der Kreis zu dem frisch gewonnenen Award, meine Herausforderer, insbesondere Sash, dem ich für einen äußerst fairen Wettkampf danken möchte. Und wie
betäubend in tiefen Sinnen versunken wäre mein heutiger Beitrag, wenn ich nicht noch schnell eine klitzekleine Anekdote über den Äther schicken könnte: Am Tag drei der Abstimmung schrieb mir eine ebenfalls nominierte Bloggerin eine Mail, dass sie meinen Blog großartig fände, und sie es andererseits schade fände, dass wir in derselben Kategorie antreten würden, denn so käme mein Tagebuch womöglich gar nicht recht zur Geltung. Ich hatte für einen Moment lang überlegt, auf die Mail zu antworten, hatte es dann aber wegen der gefühlten Aussichtslosigkeit, jemanden in meinem Zenit zu erreichen, verwerfen müssen.


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