Mein erstes Trainingslager

Am Freitagmittag ging es los. Eigentlich war ich ziemlich entspannt. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, umso mehr wollte ich das alles einfach auf mich zukommen lassen. Trotzdem hatte ich die ganze Nacht nicht geschlafen. Wir wollten uns im Hamburger Hauptbahnhof treffen, hatten für die ganze Gruppe im ICE reserviert. Ich
fuhr so rechtzeitig los, dass ich viel zu früh da war.

Aber nach und nach trafen die anderen 7 Leute ein, dabei Simone und Cathleen, die ich ja schon vom Training kannte. Wir hatten drei Abteile reserviert, auf zwei verteilten sich die Leute, im dritten stapelten Tatjana und Arne, die beiden Trainer, unsere Rollstühle einschließlich Sportgeräte, zuzüglich Gepäck. Ich saß mit Simone, Cathleen und Arne in einem Abteil. Wir haben die ganze Zeit gequatscht, über Gott und die Welt, und plötzlich waren wir in München. Die Fahrt verging so schnell, es war irre.

In München mieteten wir uns einen großen 9-Sitzer-Bus und fuhren noch
einige Kilometer weiter in ein Kaff, etwas abseits von München. Dort angekommen trafen wir uns mit allen anderen Teilnehmern, die aus ganz Deutschland angereist waren, spontan auf dem Parkplatz zu einem gemeinsamen Sit-In bzw. Sit-Out. Plötzlich saßen da 60 Leute und es kam mir vor, als würde ich diese Leute schon 15 Jahre kennen. Alle waren sofort sehr aufgeschlossen, nett, fröhlich. So ein tolles Klima habe ich
selten erlebt.

Ich bekam ein Doppelzimmer zusammen mit Yvonne. Ziemlich geschafft von der Reise fielen wir in unsere Betten, schauten noch einen Moment fern und schliefen dann ein. Am nächsten Morgen um 7 Uhr wurden wir geweckt, duschen, anziehen, frühstücken, kurze Ansprache von dem Chef-Trainer, dann ging es zum Schwimmen. Die anderen Leute waren wesentlich besser als ich, ich konnte nichtmal Kraulschwimmen. Ich war froh, mit meinem frischen Querschnitt überhaupt über Wasser zu bleiben. Und das sagte ich auch so. Die Antwort: „Wieso über Wasser? Über Wasser musst du nur kurz zum Einatmen kommen. Alles andere schaffst du knapp unter der Wasseroberfläche.“

Ich hätte nie geglaubt, dass ich das schaffe. Noch vor dem Mittagessen konnte ich Kraulschwimmen. Ohne Beinschlag, ist klar. Aber mit richtiger Atmung. Und was sagt Cathleen? „Das sieht richtig gut aus.“ Hey, was sind das für Leute? Die einen vorwärts schieben, die einen so anerkennen, wie man ist, die einen loben, die nicht neidisch sind, die sich mit einem freuen, wenn man sich freut? Kein Zicken-Alarm,
absoluter Respekt vor anderen, aber bei allem unverschämt ehrlich. Ich habe das Gefühl, ich habe vor dem Unfall viele falsche Leute gekannt. Und mich noch nie so ernst genommen gefühlt wie von diesen Menschen.

Nachmittags standen einige technische Übungen für das Bike-Fahren auf
dem Programm. Abends guckten wir gemeinsam „Schlag den Raab“. Am nächsten Morgen fuhren wir alle mehrere Kilometer mit unseren Rennrollstühlen, nachmittags wurden wir noch kurz in einige Übungen an Kraftgeräten eingeführt, bevor wir wieder nach Hause mussten. Das Wochenende verging viel zu schnell. Im Zug nach Hamburg haben alle geschlafen – völlig fertig.

Als ich wieder zurück in der Klinik war und die Stationsärztin, die gerade Dienst hatte, mich sah, sagte sie: „So wie du strahlst, muss ich nicht mehr fragen, wie es war.“ Musste sie nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert