Mobilitätshilfen: Abzocke ab Werk

Wenn ich schon jemanden für meine eher behinderte Lebenssituation verantwortlich machen kann, und diese Verantwortung beinhaltet, dass mir Zuschüsse zur Anschaffung eines behindertengerechten Autos gezahlt werden, dann informiere ich mich natürlich, wie ich meinen aufgrund meiner Behinderung schon mit 16 Jahren erworbenen Führerschein sinnvoll nutzen kann. Oder anders ausgedrückt: Die Berufsgenossenschaft hat sich grundsätzlich bereit erklärt, sogenannte „Kraftfahrzeughilfe“ zu leisten, wenn ich zum Schuljahr 2009/10 ein berufliches Gymnasium besuche. Die Entscheidung ist denen wohl leichter gefallen, da sie wiederum die Versicherung meiner Unfallgegnerin in Regress nehmen können, aber das soll mir ja schnuppe sein.

Je nach eigenem Einkommen (das Schmerzensgeld bleibt außer Betracht) werden bis zu 9.500 Euro Zuschuss gewährt zuzüglich der Kosten, die aufgrund der Behinderung unvermeidbar sind. In meinem Fall werden als unvermeidbare Mehrkosten anerkannt:

  • Automatikgetriebe (Auflage im Führerschein)
  • Handbedienung für Gas und Bremse (Auflage im Führerschein)
  • Lenkraddrehknopf mit Infrarotbedienung für Blinker, Hupe, Licht, Fernlicht, Warnblinklicht (Auflage im Führerschein)
  • Servolenkung (Auflage im Führerschein)
  • Abdeckung oder Deaktivierung der serienmäßigen Pedale (Auflage im Führerschein)
  • Standheizung (Rollstuhlfahrer können nicht alles freikratzen)
  • Abblendender Innenspiegel (dafür hat man keine Hand frei)
  • Elektrisch verstellbarer Fahrersitz (für die manuelle Verstellung nach vorne fehlt bei Querschnittgelähmten die Bauchmuskulatur)
  • Verladehilfen für den Rollstuhl, soweit erforderlich
  • Größeres Fahrzeug, wenn in kleinerem Modell kein Automatikgetriebe oder andere benötigte Fahrhilfen liefer- oder einbaubar

Grundsätzlich wird nur ein Neuwagen gefördert, im Ausnahmefall auch ein Jahreswagen. Auf meine dumme Frage, wie ich denn am besten vorgehen soll, riet man mir zu einem Besuch beim VW-Händler. Durch den Einbau der
sogenannten „Mobilitätshilfen“ ab Werk einschließlich TÜV-Gutachten spare man sich teure Aufträge an Dritt-Unternehmen, die dann das halbe Auto wieder zerlegen müssten, um die bei VW gekauften Bedienhilfen nachträglich einzubauen. Am Ende knarzt und knirscht es überall, da die meisten Amaturen nicht darauf ausgelegt sind, nochmal wieder ausgebaut zu werden.

Das hört sich erstmal gut an. So ein kleiner Fox oder vielleicht sogar ein Polo ist doch für eine Fahranfängerin ein geeignetes Auto. Der Fox ist sogar ab 9.500 Euro zu haben – das würde doch passen!

Denkste. Der günstigste VW, der mit (meinen) Fahrhilfen ausgerüstet werden kann, ist der Touran mit 140 PS – Kosten für das Grundmodell: 25.325 Euro. Dann kommt der Umbau einschließlich Gutachten hinzu, das sind nochmal 5.967,24 Euro. Und als wäre das noch nicht genug, bin ich gezwungen, als Optionen hinzuzuwählen: Eine Klimaanlage für 1.155 Euro, ein Lederlenkrad für 305 Euro, ein Licht-und-Sicht-Paket für 165 Euro und eine Doppelton-Hupe für 21 Euro. Zusammen mit einer Gepäckraumabdeckung / Netztrennwand, die ich für sehr sinnvoll halte, und den Überführungskosten kostet mich das ganze Auto 35.000 Euro. Hallo?!

Der gleiche Spaß beim Golf endet bei 37.500 Euro. Alles klar. Da trösten die 15% Rabatt, die behinderten Menschen ohne Diskussion eingeräumt werden (natürlich nur auf den Grundpreis, somit rund 3.000 Euro) nur sehr wenig. Kurzum: Der Zuschuss läge bei etwa 20.000 Euro, die verbleibenden 12.000 bis 15.000 Euro müsste ich selbst aufbringen, nachdem man mit Vergabe der höchsten Grundförderstufe (9.500 Euro) gerade festgestellt hat, dass ich „über kein einsetzbares Einkommen verfüge“.

Weiter herumfragen bringt einen bekanntlich weiter: Bei Renault sieht es nicht ganz so düster, aber ähnlich teuer aus. Alle anderen Autohersteller bieten Automatikgetriebe erst bei ähnlich teuren Fahrzeugen an. Audi bietet, genauso wie VW, Fahrhilfen bereits ab Werk an, kommt aber wegen des noch höheren Preises nicht in Frage. Somit doch auf dem Gebrauchtwagenmarkt umschauen – ist für eine Fahranfängerin auch besser, wie ich finde.

Bis ich gestern den Tipp bekam, mich bei Mercedes Benz zu erkundigen. Ich runzelte nur ungläubig die Stirn – die von dort vertriebenen Luxuskarren sind doch nur noch teurer. Wirklich? Auf den ersten Blick ja. Auf den zweiten nicht mehr: Für genau den gleichen Eigenanteil (15.000 Euro), den ich für einen Golf aufbringen müsste, würde ich einen bestausgestatteten Viano (Kleinbus) bekommen. Als Diesel mit 200 PS, Lederausstattung, elektrischen Schiebetüren, Klimaanlage, …neu natürlich.

Nicht, dass ich so eine Karre haben möchte, das wäre für ein Einsteiger-Auto absolut unverschämt. Aber wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Golf und einem Viano für das gleiche Geld, würde ich sicher nicht den Golf nehmen.

Also fasse ich zusammen: … Nein, ich lasse es lieber. Soll sich jeder eine eigene Meinung bilden.

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