Justitia bekommt eine zweite Chance

Die Crash-Oma, die mich vor nun fast einem Jahr auf dem Schulweg umgenietet hat, ist vor rund sechs Wochen wegen schwerer Körperverletzung zu 20 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem
darf sie drei Jahre nicht Auto fahren und musste ihren Führerschein abgeben. Diesen hatte sie nach der Urteilsverkündung so demonstrativ auf
den Tisch geknallt, dass mein Anwalt misstrauisch wurde.

Einerseits hatte er sich erneut darüber aufgeregt, dass der Führerschein, spätestens mit der Anklage wegen vorsätzlicher
schwerer Körperverletzung, nicht bis zum Ende des Verfahrens vorläufig eingezogen wurde. Andererseits hat er hinterher leise gesagt: „Wieso hat
die eigentlich eine neue Plastikkarte?“ Und auf Umwegen, die ich nicht so genau kennen möchte, in Erfahrung gebracht, dass sie kurz nach dem Crash einen neuen Führerschein beantragt hatte, weil ihr alter grauer Lappen angeblich verloren gegangen war. Das stank so zum Himmel, dass mein Anwalt mich zum Stillschweigen verdonnert hatte (was mir schwer fiel, aber ich wollte natürlich nichts gefährden) und gleichzeitig wie bei „Ein Fall für Zwei“ eine Sicherheitsfirma beauftragt hatte, ihre Garage zu überwachen. Und so hing einige Wochen eine Kamera im Baum gegenüber…

Vorletzte Woche saß dann ein Privatschnüffler mit Teleobjektiv im Auto gegenüber von der Garage, um das zu dokumentieren, was mit den Aufzeichnungen der Videokamera möglicherweise nicht ausreichend zu beweisen gewesen wäre. Und Ende letzter Woche wartete dann ein Zivilfahrzeug der Polizei an der gleichen Stelle. Über meinen Anwalt erfuhr ich heute:

„Nach unserem Strafantrag konnte die Fahrerin heute auf frischer Tat durch Zivilbeamte der Polizei vorläufig festgenommen werden. Ein Führerschein sowie das Fahrzeug wurden sichergestellt. Im Anschluss an die polizeilichen Maßnahmen wurde die Beschuldigte wieder entlassen, da keine Haftgründe vorlagen. Es ist wahrscheinlich, dass es zu einer weiteren Anklage wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis kommt. Im Falle einer Verurteilung (vermutlich zu einer weiteren Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) wird vermutlich auch die im vorausgegangenen Verfahren ausgesprochene Bewährung widerrufen. Außerdem ist anzunehmen, dass das Fahrzeug als Tatwerkzeug eingezogen wird.“

Ich werde es mir nicht nehmen lassen, als Zuschauerin im Gerichtssaal zu sitzen. Ich hoffe, Justitia nutzt ihre zweite Chance.

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