Die erste Fahrt nicht ohne Polizei

Vielleicht wäre es entspannter gewesen, niemals am Straßenverkehr teilzunehmen. Dass es Idioten auf dieser Welt gibt, war mir ja bekannt, dass es Vollidioten gibt, auch. Aber was ich bei meiner ersten Fahrt, nur bis zum Supermarkt, erleben durfte, ist schon allerhand.

Beim Fahren klappte alles prima. Ich habe nicht so viel verlernt in der Zwischenzeit wie ich befürchtet habe. Ich bin natürlich eher zu vorsichtig, schaue lieber drei Mal zu viel als ein Mal zu wenig und habe auch keine Routine. An einer Kreuzung staute sich das plötzlich und ich habe gelernt, dass man dann vor dem Haltestrich stehen bleibt, auch wenn es grün ist, da fing der Hintermann wie verrückt an zu hupen und fuhr auf der Nebenspur einmal um mich rum und stand am Ende mitten auf der Kreuzung und mitten im Weg. Egal.

Aber dann am Supermarkt angekommen habe ich mich natürlich auf einen Behindi-Parkplatz gestellt, denn der ist so schön breit, dass ich meinen Rollstuhl vernünftig ausladen kann und auch wenn ich wiederkomme niemand 10 Zentimeter neben meiner Fahrertür steht, so dass ich nicht mehr ins Auto komme.

Ich habe also dort geparkt, Automatik auf P, Handbremse an, Motor aus, Gurt auf, Tür auf … da steht da ein Typ mit einem Fahrrad und Fahrradanhänger, und zwar so, dass ich die Tür nur halb aufmachen kann, und pöbelt mich an, dass der Parkplatz nur für Behinderte ist und ich da sofort wegfahren soll, das wäre ja unverschämt und die jungen Leute haben überhaupt kein Verantwortungsgefühl und wenn die Tür einmal gegen sein Fahrrad stößt, dann tritt er da eine Beule rein. Ey, hallo?!

Ich wollte ihm dann sagen, dass ich Rollstuhlfahrer bin, aber ich kam überhaupt nicht zu Wort. Er pöbelte immer gleich: „Du fährst jetzt hier weg! Sofort!“ Dann habe ich ihm meinen blauen Parkausweis hingehalten. Der war aber so in Wut, dass er gar nicht geschaut hat! Ich habe dann die Tür wieder zugemacht, mich zurückgelehnt und abgewartet. Ihn völlig ignoriert. Er hörte nicht auf. Nach 4 Minuten kam der Chef von einem Imbiss, der da in der Ladenzeile ist, raus, und meinte zu dem Typen, dass er hier mal nicht so rumschreien soll. Dann ging er endlich ein Stück weiter, ich konnte meinen Rollstuhl ausladen und dann meinte der Fahrrad-Typ: „Oh, das tut mir leid, das wusste ich gar nicht, dass du im Rollstuhl sitzt, aber das ist ja auch für dich, dass ich die Leute anspreche, die da immer auf deinen Plätzen stehen…“ und dann wollte er mich umarmen – echt widerlich.

Als ich vom Einkaufen wiederkam, mit einer großen Klappkiste auf dem Schoß, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Jemand hatte sich zwischen die beiden Autos, die auf den Behindi-Plätzen standen, gestellt, mitten auf die Linie, und damit so dicht neben meine Fahrertür, dass ich den Spiegel einklappen müsste, um rauszufahren. Ich stellte meine Klappkiste in den Kofferraum und ging auf Suche, wo denn der Fahrer sein könnte. Im Imbiss war keiner, also bat ich an der Information im Supermarkt, das Kennzeichen auszurufen. Die haben das drei Mal ausgerufen, aber niemand hat sich gemeldet. Vermutlich war der Fahrer nicht im Supermarkt.

Ich wartete eine Viertelstunde, dann meinte die Frau von der Information, ich hätte Glück, weil das die Straßenparkplätze sind und nicht die privaten vom Supermarkt, ich soll doch einfach die Polizei anrufen. Gesagt, getan, ich habe dem Typen das Problem geschildert, er meinte, er schickt jemanden, aber es könnte dauern, da zur Zeit alle Fahrzeuge im Einsatz sind. Aber schon 10 Minuten später kamen sie. Ich war total zitterig. „Das darf jawohl nicht wahr sein. Ihrer ist der blaue?“ Ich nickte. Der andere Polizist fing schon an zu schreiben. Ich erzählte den beiden, dass ich schon eine halbe Stunde warten würde und auch schon im Supermarkt drei Durchsagen gemacht wurden, dann sagte er: „Nö, wir schleppen den jetzt ab. Der hat nicht nur keinen Ausweis, sondern steht auch noch mitten auf der weißen Linie. Wer so parkt, muss damit rechnen, dass er abgeschleppt wird.“

Keine drei Minuten später kam aus dem Supermarkt der dazugehörige Fahrer. „Ich bin schon weg!“ meinte er. „Ihren Führerschein hätte ich gerne und den Fahrzeugschein. Und dann würde ich gerne mal hören, was Sie sich gedacht haben, als sie hier so geparkt haben.“ Der Typ meinte dann, er hätte dafür jetzt keine Zeit und er hätte das sehr eilig. Das zog natürlich nicht. Dann meinte er, dass sie lieber mal mich kontrollieren sollten, weil ich bestimmt noch keinen Führerschein hätte, ich wäre höchstens 14. Die Polizisten blieben hartnäckig. Am Ende durfte er fahren, wurde belehrt, dass er so nicht parken darf und dann zog er ab. 35 Euro kostet ihn der Spaß, plus die Anfahrt vom Abschlepper, wenn er Pech hat.

Und dann wollten sie tatsächlich von mir noch den Führerschein sehen. „Sie sind erst 16 und haben trotzdem einen Führerschein Klasse B, dann müssen Sie dazu noch eine Ausnahmegenehmigung von § 74 mitführen. Wo ist
die?“ Ich war schon dabei, sie rauszusuchen. Die Leute, die Führerschein mit 17 mit begleitetem Fahren machen, bekommen nur eine Bescheinigung, keine richtige Plastikkarte wie ich sie habe. „Sie waren hier einkaufen? Das gehört zur Haushaltsführung. Und dann hätte ich gerne noch Ihr Fahrtenbuch gesehen.“ Da kannte sich also jemand aus. Auch das hatte ich natürlich griffbereit. „Alles eingetragen, Tachostand stimmt überein, vorbildlich“, meinte er. „Dann noch einen schönen Tag und alles Gute für Sie.“

Und weg waren sie. Der Inhaber vom Imbiss lehnte mit verschränkten Armen an der Wand in der Sonne und schaute sich das Schauspiel an. Ich stieg ins Auto, nichts wie weg.

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