Wieso sitzt du denn in so einem Ding?

Heute haben wir uns zum Schwimmen verabredet. Wir hatten zwar gestern abend erst unser reguläres Schwimmtraining (ja, Stinkesocke goes
immernoch Ironwoman), aber Training und zusammen ein Spaßbad unsicher machen – das sind bekanntlich zwei völlig verschiedene Dinge, auch wenn etliche Leute vom Triathlontraining dabei waren.

Simone, Cathleen, Sofie, Luisa, Frank und Juliane (die ich bisher noch nicht kannte, eine Freundin von Luisa, die durch eine angeborene Erkrankung im Rollstuhl sitzt) wollten zusammen mit mir das „Festland“ in der Holstenstraße einnehmen. Wir trafen uns im Foyer und ein kleines Mädchen kam angelaufen, versuchte mit beiden kleinen Händchen an meinem Greifreifen zu drehen und fragte mich: „Willst du auch schwimmen?“ Ich nickte. Man merkte, wie sich in ihrem kleinen Köpfchen ein Bauklotz mit dem nächsten zusammenfügte. „Warum sitzt du denn in so einem Ding?“ – „Weil ich nicht laufen kann“, antwortete ich. Wieder sah man die Gedanken sich einen mühsamen Weg durch die Gehirnwindungen bahnen. „Warum denn nicht?“

„Weil mich ein Auto angefahren hat und dabei ist in meinem Rücken was
kaputt gegangen. Dann kann man nicht mehr laufen und muss in einem Rollstuhl fahren.“ Das Mädchen schaute mich mit großen Augen an. „Bist du einfach so auf die Straße gelaufen?“ – „Nein, eine Autofahrerin hat nicht aufgepasst.“ – „Und dann?“ – „Dann hat sie mich umgefahren.“ Sie überlegte wieder einen Augenblick, nun fielen ihr aber keine Fragen mehr
ein, so dass sie wieder an meinem Greifreifen herumspielte. „Und du? Willst du auch schwimmen gehen?“ Ups! Da waren ja noch Mami und Papi. Sie drehte sich um und lief davon.

Wir lösten unsere Eintrittskarten und bekamen von der Dame an der Kasse erklärt, wo sich der Umkleidebereich für Rollstuhlfahrer befindet.
„Kennen wir schon“, sagte Frank, der als erster die Kasse passiert hatte. Wir kamen bis zu einer abgeschlossenen Flurtür. Frank fuhr noch einmal zur Kasse zurück. „Da kommt gleich jemand und schließt auf.“ Nach
10 Minuten fuhr Sofie nachfragen. Dann kam endlich eine Dame mit Schlüssel, schloss uns wortlos auf. Wir kamen 10 Meter weiter, dann kam eine weitere Tür zum Behindertenbereich. Diese war zwar nicht abgeschlossen, aber direkt dahinter stand eine Putzmaschine, so dass niemand durchkam.

Nun kurvte ich zur Kasse zurück. „Immernoch niemand dort gewesen zum Aufschließen?“ empfing mich die Dame halbwegs genervt. „Doch, nur jetzt steht noch eine Putzmaschine im Weg“, antwortete ich. Die Dame an der Kasse verdrehte die Augen und versprach, dass gleich nochmal jemand kommen würde. Also düste ich wieder zurück. 10 Minuten vergingen. Inzwischen waren seit Check-In bezahlte knapp 30 Minuten vergangen. Frank sagte: „Naja, um die verlängern wir unsere Badezeit natürlich.“

Dann kam endlich jemand, und zwar dieselbe Frau, die schon die Tür aufgeschlossen hatte. Keine Entschuldigung, nichts. Sie fuhr die Putzmaschine zur Seite. Sie war zum Strom tanken mit einer Steckdose unter dem Waschbecken in der Behindertendusche verbunden, stank tierisch
nach Essig und wurde von der Mitarbeiterin zur Seite gefahren.

Es gibt im Festland einen Gruppenumkleideraum für Rollstuhlfahrer und
einen Raum mit Dusche und WC. Beide Räume haben jeweils Platz für zwei Rollstühle. Die restlichen Leute müssen sich im Flur neben der Putzmaschine umziehen. Immerhin ist dieser Bereich durch eine Tür von jenem Flur, über den die „laufenden“ Badegäste von ihrer Umkleidekabine zur Dusche watscheln, abgetrennt. Die Räume lassen sich nicht abschließen und das WC ist natürlich ein Geheimtipp, da es näher an den Umkleidekabinen für Fußgänger liegt als die herkömmlichen WCs. Alleine während wir uns dort umzogen, ging fünf Mal die Tür auf: „Oh, besetzt…“

Aber selbst wenn es nicht besetzt gewesen wäre: Frank deutete auf ein
Schild, das auf dem WC-Becken befestigt war. „Toilette defekt. Bitte nicht benutzen!“ Frank platzte der Kragen: „Das einzige rollstuhlgerechte WC ist defekt, wir bekommen an der Kasse keinen Hinweis, sondern noch den vollen Eintrittspreis abgenommen?“ regte er sich auf. „Das ist schon dreist.“

„Und jetzt?“ fragte Simone. „Jetzt pinkeln wir alle ins Becken“, scherzte Sofie. Luisa verschluckte sich fast vor Lachen. „Funktioniert denn wenigstens die Dusche?“ fragte Frank. „Willst du in die Dusche pinkeln?“ Simone guckte ungläubig aus der Wäsche. „Hast du eine bessere Idee?“ fragte Frank. „Vergiss nicht zu spülen“, gackerte Cathleen.

Bei dem schönen Wetter wollten natürlich alle ins Außenbecken. Entsprechend voll war es dort. Entsprechend leer war es jedoch auch im warmen Innenpool. Mit so einer lustigen Truppe machte das Schwimmen am Ende doch noch Spaß. Und beim Raufahren kontrollierte niemand unsere Eintrittskarten, sondern öffnete uns einfach die Tür nach draußen und sammelte die Chipkarten ein. Vermutlich stehen wir jetzt auf der Fahndungsliste, da wir die „überzogene“ halbe Stunde weder nachbezahlt haben, noch erklärt haben, warum wir das für gerechtfertigt halten.

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