Aufstehen um 5 Uhr, um ein Wochenende lang Sport zu treiben? Wer fit sein will, muss auch leiden. Um 7.01 Uhr fuhr unser Zug nach Hannover, wo wir uns mit mehreren Leuten aus ganz Deutschland zu einem Trainings-Camp treffen wollten. Ich belegte mir vor der Abfahrt noch schnell zwei Brötchen für unterwegs. Das hatte den Vorteil, dass mir kein Frühstück schwer im Magen lag, was es um diese Zeit sonst sicherlich getan hätte, aber den Nachteil, dass ich eine Diskussion mit einem Bahn-Mitarbeiter auf nüchternem Magen führen musste, was ich so gar nicht leiden kann. Erst meinte er, dass wir nicht angemeldet seien, als dann jedoch Cathleen die Auftragsnummer rauskramte, meinte er, bei der Reservierung sei ein Fehler passiert, der Zug habe nur einen Rollstuhlstellplatz – wer von uns Vieren denn mitfahren wollte.
Ich könnte das jetzt über drei Seiten ausschmücken, mach ich aber nicht. Am Ende saßen wir alle vier im Zug, hatten einen kompletten Großraumwagen fast für uns alleine und keiner der anderen Reisenden störte sich an drei Rollstühlen, die zu viel sein sollten. Warum auch? Es stand keiner im Weg und es gab auch keine anderen Probleme. Dafür fehlte in Hannover die Ausstiegshilfe. Man hatte wohl vergessen, uns anzumelden. Aileen kratzte das nicht, sie stellte sich so in die Tür, dass der Zug nicht abfahren konnte und über 10 Minuten Verspätung aufbaute. Das Zugpersonal war übelst genervt, musste aber kleinlaut zugeben, dass das Problem hausgemacht war.
Um Punkt 9 Uhr waren wir an der Sporthalle angekommen. Trainingsbeginn war um 10, davor mussten noch die Zimmer bezogen werden.
Ich teilte mir mit Cathleen ein Zimmer. Simone und Merle bezogen das Zimmer direkt neben unserem und nach ganz viel Bitten und Betteln schloss der Typ von der Rezeption auch eine Zwischentür auf, so dass wir
aus unseren zwei Zweierzimmern ein temporäres Viererzimmer machen konnten.
Insgesamt waren wir rund 35 Leute. Meine Gruppe war zuerst mit Schwimmen dran. Aber nicht etwa in einer Schwimmhalle! Sondern draußen. In einem See sollte eine trapezförmige Strecke zurückgelegt werden. Zwei
Leute in einem Kajak begleiteten uns. Aufgabe war es, die Strecke zu schaffen, ohne besonders schnell zu sein, aber auch ohne sich zwischendrin auszuruhen. „Nichts leichter als das“, dachte ich mir anfangs. Das Wasser war warm, es war kein Zeitdruck, schwimmen konnte ich, wo sollte es ein Problem geben?
Die Strecke zog sich in die Länge. Ich hatte weder mit der Ausdauer Probleme, noch mit der Atmung, ich fror auch nicht – aber es nahm kein Ende. Das letzte Stück forderte meine letzten Kräfte. Meine Arme waren wie Gummi. Als ich endlich wieder am Steg angekommen war, hatte ich keine Kraft mehr, um mich aufzustützen und selbst aus dem Wasser zu klettern. Allerdings ging das anderen genauso und es schien, als wäre das geplant, denn es standen bereits einige Helfer dort, die uns an den Armen packten und uns auf den Steg setzten. Auf der linken Seite hatte ich mir auf Brusthöhe eine Scheuerstelle vom Badeanzug geholt. Das brannte im ersten Moment ziemlich.
Nach dem Mittagessen war erstmal Mittagspause, aber am späten Nachmittag trafen wir uns in der Sporthalle für ein Ergometertraining. Auch hier ging es wieder um Ausdauer. Wir wurden nacheinander im Rennrollstuhl auf ein Gerät gesetzt, beim dem die Kraft nicht auf den Boden, sondern auf Rollen übertragen und gemessen wurde. Sechs Minuten lang mussten wir eine bestimmte Leistung erbringen, dann wurde wieder gewechselt, insgesamt jeder vier Mal. Ich habe diese vier Etappen gut geschafft, aber danach war ich körperlich zu nichts mehr zu gebrauchen. Hätte jemand gefragt, ob wir einen Stadtbummel machen, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Es fragte aber auch niemand, denn die anderen waren
genauso fertig.
Abends wurde in einem Gruppenraum Ice Age 2 auf Video gezeigt und Pizza für alle bestellt. Das war ziemlich lustig. Was nicht so lustig war, war ein Typ aus Bremen, der anfing, mich anzubaggern. Zuerst fand ich das ja noch sehr interessant, da lehnte er sich plötzlich beim Fernsehen an mich an und fragte, ob das so okay ist. Ja, warum nicht. Dann lehnte er auch den Kopf an mich an. Und kurz danach fragte eine aus
seinem Team: „Sag mal, Renè, hattest du deiner Freundin jetzt eigentlich schon geantwortet? Die hat mir schon drei Mal ne SMS geschrieben heute, wieso du nicht ans Handy gehst.“ Was für ein Idiot!
Am Sonntagmorgen wurden wir um 7 Uhr geweckt. Alle einmal aufs Klo, dann noch vor dem Frühstück zehn Kilometer schnellfahren auf dem Sportplatz. Als ich aus der Dusche kam und frische Sachen angezogen hatte, hatte ich so einen Kohldampf, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Schüssel Cornflakes und anschließend noch drei ganze Brötchen
(also sechs Hälften) gegessen habe. Satt war ich dann zwar immernoch nicht, aber ich dachte mir: „Das reicht jetzt mal.“ Kurz vor dem Mittagessen kam dann nochmal wieder das Ergometertraining dran, bevor wir dann in einer gemeinsamen Runde ein paar Adressen austauschten und anschließend den Heimweg antraten.
Als ich abends endlich wieder zu Hause war, fiel ich müde aber glücklich in mein Bett. Es waren super nette Leute dabei, wir hatten trotz aller Anstrengung sehr viel Spaß und ich freue mich auf das nächste Trainings-Camp, noch in diesem Monat.