Asbest und blinde Mädchen

Zur Zeit kann leider kein Straßentraining stattfinden. Nicht etwa, weil in Hamburg schon Schnee liegt, sondern weil in Hamburg zur Zeit 124
Sporthallen gesperrt sind, da der Verdacht besteht, dass die Heizungsanlagen asbesthaltigen Staub in die Hallen blasen. Normalerweise
endet unser Training immer an einer von wenigen (ich glaube es sind sechs) bestimmten Sporthallen, um dort duschen und die Rennrollstühle kurzzeitig zwischenlagern zu können. Ausgerechnet diese Hallen sind alle
von den Sperrungen betroffen (bei über 50% aller Hamburger Hallen ist das jedoch keine Kunst), Alternativen gibt es nicht. Solange überprüft wird, ob sich der Verdacht bestätigt, bleiben die Hallen zu und das dauert noch bis mindestens zu den Herbstferien. Super.

Also trafen wir uns heute morgen an einer Schwimmhalle, um zu trainieren. Neben Simone und mir hatten sich auch Cathleen, Yvonne, Nadine, Merle, Kristina und eben Tatjana angemeldet. Simone und ich waren einen Moment zu früh und warteten draußen. Zwei Mädchen, schätzungsweise erste bis zweite Klasse, kamen vorbei und hatten einen langen Holzstock dabei. Eine von den beiden hatte mit einem Schal die Augen verbunden, die andere führte sie am Arm. Als sie kurz danach ein zweites Mal direkt vor uns vorbei liefen, diesmal konnten beide wieder sehen, fragte Simone: „Was habt ihr denn da – einen Blindenstock?“ Das eine Mädchen antwortete: „Nein, wir haben gespielt, dass wir blind sind,
aber es hat uns nicht gefallen.“ Ahja. „Wollt ihr schwimmen gehen?“ Ich
nickte. „Wir waren gestern mit Papa schwimmen und haben tauchen geübt. Jetzt müssen wir aber weiter. Tschühüüß!“ Irgendwie waren die niedlich.

Weniger niedlich war aber eine Frau Mitte 40, vom Dialekt her vermutete ich, dass sie aus Griechenland kam, die kurz danach direkt zu uns ging, vor uns stehen blieb und meinte: „Ihr seid arm.“ – „Wieso sind
wir arm?“ – „Ihr seid arm. Weil ihr in den Dingern sitzen müsst. Könnt ihr gar nicht laufen?“ Ich war ziemlich perplex, Simone rollte einfach ein Stück weiter. Sollte ich es ihr nachmachen? Ja. Sie hatte 15 Jahre mehr Erfahrung als ich. Also rollte ich ihr hinterher. Die Frau kam uns aber ebenfalls hinterher. „Nun sagt mal, könnt ihr gar nicht gehen?“ Simone antwortete: „Können Sie mal aufhören, mir hinterher zu laufen?“

„Entschuldigung, ich habe doch nur etwas gefragt!“ – „Ja, ich möchte mich aber nicht mit Ihnen unterhalten.“ – „Meine Güte, bist du unfreundlich!“ – „Ich muss ja nicht zu jedem freundlich sein, oder? Jetzt lassen Sie mich in Ruhe.“ Die Frau ging weiter. Blieb aber nach 10
Metern stehen und brüllte in unsere Richtung: „In Deutschland sind die Leute so unfreundlich. So kaltherzig. Ich liebe meine Heimat. Dort wird auch auf der Straße gesprochen, nicht so verbissen wie in Deutschland.“

Als wir endlich im Wasser waren, staunten wir nicht schlecht, wieviele Leute sich an einem Samstagmorgen in ein Schwimmbad verirrten. Da wir keine eigene Bahn hatten, belegten wir die abgetrennte „Trimmbahn“, da wir dachten, dort würde man einigermaßen voran kommen. Nein, in der Trimmbahn mussten einige ältere Damen ein Kaffeekränzchen abhalten. Sie standen am Rand und unterhielten sich, ab und zu schwammen
sie in Rückenlage eine Bahn, aber nicht rechts, sondern fünf Mal diagonal. Wasserratte Cathleen tauchte konsequent unter ihnen durch, ich
kollidierte jedes dritte Mal mit ihnen. Yvonne war auch schon sichtlich
genervt.

Nach zwei Stunden Training war ich wie tot. Und hungrig ohne Ende. Zu
Hause wartete Sofie bereits mit einer Gemeinschaftspizza. Leckere drei Bleche hatte sie vorbereitet. So habe ich dieses Wochenende kochfrei: Morgen abend wollen wir bei Luisa grillen und uns mit ihr in ihrer neuen
Wohnung einen schönen Abend machen.

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