Ich könnte ja schon wieder einen Beitrag darüber verfassen, dass ich heute schon wieder zugeparkt worden bin. Fast hätte ich es nicht gemacht, hätte da nicht einer meiner Lieblings-Stamm-Kommentatoren. auf ein Uralt-Posting einen neuen Kommentar verfasst. Mit einem genialen Link (fast) zum aktuellen Thema.
Modern ist neuerdings, sich mittig auf zwei nebeneinander angeordnete Behindertenparkplätze zu stellen. Also quasi auf die mittlere Trennlinie. Und damit beide Behindertenparkplätze für diejenigen, die sie benötigen, unbrauchbar zu machen. Schlimm wäre es, wenn das jemand täte, während beide Behindertenparkplätze frei wären. Noch schlimmer ist es aber, wenn das jemand tut, während auf den Behindertenplätzen Autos von Rollstuhlfahrern parken. Ja, richtig gelesen, sowas machen Leute. Und zwar nicht einzelne, sondern viele.
Besonders dann, wenn der links parkende Rollstuhlfahrer auf der Beifahrerseite aussteigt (weil er zum Beispiel gefahren wird) und der rechts parkende Rollstuhlfahrer auf der Fahrerseite aussteigt (weil er selbst fährt). Dadurch stehen die Autos so weit auseinander, dass dazwischen noch ein weiteres Fahrzeug passt. Das allerdings nur, wenn man mit einem Zentimetermaß einparkt, woraus schon jeder schließen kann: Keiner der Rollstuhlfahrer kommt mehr in sein parkendes Auto.
Die soziale Stinkesocke dachte sich: Wenn ich jetzt die Bullen rufe, gibt es ein Ticket für 35 Euro plus 300 Euro Abschleppkosten. Dann wird derjenige das mit Sicherheit nicht noch einmal machen. Aber vielleicht reicht ja auch erstmal eine Ansprache. Also lehnte ich mich mit einem Becher Eis in der Hand an mein Auto und wartete. Nach 20 Minuten kam eine Frau zurück und wollte sich in ihr Auto quetschen. Ich sagte: „Entschuldigung, einen Moment bitte. Ich stehe jetzt Ihretwegen eine halbe Stunde vor meinem Auto und komme nicht weg. Ich möchte, dass sie das wissen und künftig bitte anders parken. Okay?“ Den Text hatte ich mir in der halben Stunde überlegt, ich wollte unbedingt freundlich sein, so dass sie sich, obwohl sie von einem deutlich jüngeren Menschen „ertappt“ und „belehrt“ wird, nicht angemacht fühlt und trotzdem ihr Gesicht wahren kann.
Die ernüchternde Erkenntnis: Leute, die so bescheuert parken, haben keinen Zugang für soziales Miteinander. Also hole ich künftig doch die Keule raus. Polizei anrufen, abschleppen lassen, fertig. Sie antwortete: „Wie ich parke, geht dich überhaupt nichts an. Merk dir das.“ Ich zuckte mit den Schultern und sagte gleichgültig: „Merk ich mir. Ist okay. Anzeige kommt dann mit der Post.“ Sie stieg ohne ein Wort in ihr Auto. Es gibt von einer Behindertenorganisation solche Vordrucke, die man ausfüllen und an die Polizei faxen kann, wenn man zugeparkt wird. Foto machen, unterschreiben, fertig. Derjenige bekommt dann eine Anzeige über 35 Euro vom Ordnungsamt. Es empfiehlt sich, einen solchen Block immer im Auto liegen zu haben.
Während ich meinen Rollstuhl verlud, stieg sie hinter mir noch einmal aus, kam zu meiner Tür und pöbelte mich an: „Wenn Sie hier so bescheuert parken, dass in der Mitte noch Platz ist, müssen Sie sich nicht wundern, wenn jemand die freie Lücke nutzt. Schonmal was von ‚platzsparendem Parken‘ gehört? Das gilt auch für Behinderte!“ Immerhin waren wir schonmal beim „Sie“ angekommen. Lohnte es sich noch, ihr zu erklären, dass sie auf Behindi-Plätzen gar nichts zu suchen hat und man auf einer Linie grundsätzlich auch nicht parkt? Ich entschied mich dafür, einfach nur die Tür zuzumachen und sie dumm stehen zu lassen.
Die Süd-Koreaner lösen dieses Problem gleich ganz anders. Vor einem Sport-Internat, das auch Plätze für Menschen mit Behinderung hat, gibt es einen Vorzeige-Behindi-Parkplatz äh -Parkpark.
Hier gibt es das beschriebene Problem nicht, da die Flächen, die behinderte Menschen zum Ein- und Aussteigen benötigen, klar markiert sind, während der Parkplatz selbst nicht breiter ist als das Fahrzeug selbst. Bei dieser Lösung könnte man sowohl rechts als auch links aus dem Fahrzeug aussteigen, ohne dass die benötigte Fläche insgesamt breiter werden müsste. Und das unabhängig davon, wie der linke oder rechte Nachbar jetzt oder später parkt. Ob ich mal an die Stadt schreibe, was die davon halten?
Eigentlich wollte ich, um den ersten Satz meines heutigen Postings *scroll* noch einmal aufzugreifen, aber über etwas ganz anderes schreiben. Nämlich über einen Vortrag zum Thema „Sport mit behinderten Kindern“, den ich mir kürzlich vom Chef unserer Rollstuhlsport-Abteilung anhören durfte. Gehalten wurde er anlässlich eines Workshops von angehenden Physiotherapeuten. Nun will ich nicht Physiotherapeutin werden, aber der Vortrag hat mich dennoch interessiert, so dass ich ihn gebeten hatte, mich mit auf die Gästeliste zu setzen. Tja, was soll ich sagen?
Ich war sehr begeistert. Ich hatte ja hier bereits darüber geschrieben, wie toll es ist, wenn man jemanden aus seiner Depri-Phase herausbekommt und ihn motivieren kann, mit seiner Behinderung zu leben, aber der Vortrag bei dem Workshop ging noch weiter. Ich bekomme die 15 Minuten nicht mehr zusammen, aber im wesentlichen ging es darum, die Zuhörer zu sensibilisieren, dass sie Kinder nicht behinderter machen als sie eigentlich sind. „Wir müssen aufpassen, dass nicht wir es sind, die den ersten Stein legen für eine Mauer, die später mal jemanden tatsächlich behindern wird“ war ein Satz, der mir im Gedächtnis geblieben ist. „Kinder sind nicht barrierefrei umbaubar.“
Es war die Rede davon, wie wir Menschen bezeichnen, wenn wir ihre Behinderung benennen wollen, von dem Wert, den behinderte Kinder für unsere Gesellschaft haben und von den Berührungsängsten, die er zusammenfasste in einem Werk des persischen Dichters Hafis: „Jedes Kind kennt Gott. Nicht den Gott der Namen, nicht den Gott der Verbote, nicht den Gott, der immer so viele komische Dinge tut. Sondern den Gott, der immer nur vier Worte wiederholt: Komm, tanz mit mir.“ Es ging darum, Schicksal als Herausforderung zu sehen, dem man als Teil seines Lebens in irgendeiner Form früher oder später begegnen wird. Es könne nur die Frage sein, wie man dem Schicksal begegnen will. Man könne nicht erzwingen, dass man ihm nie begegnen wird. Man müsse Schicksal annehmen als ein Teil des Lebens, vielleicht sogar auch mit ihm tanzen – und nicht denken, man müsse es überwinden, um wieder ein vollwertiger Mensch zu sein. Und dann an der Überwindung scheitern…
Er erzählte von seinen ersten Physiostunden als Kind, wie ihn sein Kinderarzt motivieren konnte – und wie er erst eine Ärztin verklagen musste, um studieren zu dürfen. Die Viertelstunde ging vorbei, als wären es 2 Minuten gewesen. Keiner sagte mehr einen Pieps, alle hörten wie gefesselt zu. Der ganze Vortrag war sehr ergreifend und das alles endete mit stehenden Ovationen. Die hatte er auch verdient. Ich habe in diesem Vortrag sehr viel gelernt. Schade, dass er nicht aufgezeichnet wurde.