Wer sich nicht mehr wundern kann

„Wer sich nicht mehr wundern kann, ist seelisch bereits tot“, soll Albert Einstein einmal gesagt haben. Sich zu wundern ist eine Eigenschaft, die ich zunehmend bei Menschen beobachte, die den Auftrag haben, Beschwerden oder Anregungen von Kunden oder Bürgern zu bearbeiten.

Mein Beitrag über die Not- und Gefahrenvorschrift hat so viel Interesse (aber auch Entsetzen) bei meinen Lesern hervorgerufen, dass einer von ihnen an die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen in Hamburg einen bösen Brief geschrieben hat. Und deren Antwort kam prompt – mit Kopie an mich: Sie wundert sich. Und was sie besonders wundere, sei, dass es sich um die erste Beschwerde dieser Art handele. Tja, liebe Leute, einmal ist immer das erste Mal.

Dass sie sozusagen „von Amts wegen“ der Beschwerde nachgehen muss, versteht sich fast von selbst. Und dass das Bäderland auf behördliche Nachfrage nicht offen zugibt, das Bedürfnis behinderter Menschen nach ein wenig Intimsphäre mit Füßen zu treten, auch. Natürlich gibt es solche Vorschrift nicht offiziell. Nur wurde sie bereits im Festland, im Schwimmbad Elbgaustraße, im Pauli-Bad und im Midsommerland umgesetzt. Im Midsommerland wurden extra neue Türen eingebaut. Der leitende Schwimmmeister eines der genannten Bäder hat mir von dieser Vorschrift persönlich berichtet. Denkt der sich sowas aus? Achso, na klar, der lügt oder hat was falsch verstanden. (In den anderen 15 Bädern war ich übrigens noch nicht.)

Fragen die Eltern ihr kleines Kind, ob es sich gerade einen Bonbon geklaut hat, werden, da bin ich mir sicher, neun von zehn Kindern den Kopf schütteln. Genauso ist es bei diesen lächerlichen behördlichen Anfragen an einen, der Ärger auf sich zukommen sieht: Lieber erstmal abstreiten, sich dumm stellen und am Ende irgendeinen Dummen finden, dem man den Ärger in die Schuhe schieben kann. Falls jemand etwas hartnäckiger nachfragt und doch etwas rausbekommt.

Szenenwechsel: Diese drei Bilder zeigen den WC-Raum, in dem es in meinen Beitrag vom letzten Freitag
ging, von innen und von außen. Es gibt weder eine mechanische noch eine elektronische Verriegelung. Und man sitzt, wenn von außen einer mit dem Euroschlüssel die Tür öffnet, für eine halbe Minute auf dem Präsentierteller. Darüber kann man sich wundern – oder eben nicht. Otto Waalkes sagte einmal: „Wir rülpsen nicht, wir kotzen schon.“ In diesem Sinne bin ich mal gespannt, ob die Betreiberin der öffentlichen Toilette, die Hamburger Hochbahn, der Senatskoordinatorin einen Bären aufbindet. Oder ob man aus seinen Fehlern lernt und in den nächsten Wochen mit dem fröhlichen Nachrüsten der Schlösser beginnt.

Rechts neben der Tür der Schlüsselschalter mit einem Euro-Behindi-Zylindi. In der Tür selbst befindet sich ein Zylinder, zu dem nur der Betreiber die passenden Schlüssel hat.

Lichtschalter, darunter der Türöffner. Die Tür lässt sich von innen eindeutig nicht verriegeln.

Bester Ausblick: Wenn einer von außen den Schlüsselschalter bedient, nicht wissend, ob das WC frei oder besetzt ist, hat derjenige, der drinnen kackt, für eine halbe Minute den besten Ausblick. Laufen zufällig gerade ein paar Jugendliche vorbei, wie am letzten Freitag bei der fremden Dame, hat man schneller sein erstes Youtube-Video online als einem das lieb ist.

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