Rollstuhlfahrer sind in Deutschland von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Voraussetzung ist, dass ein Pkw auf ihren Namen zugelassen wird. Die Steuerbefreiung gilt immer nur für ein Fahrzeug. Und das Fahrzeug darf nur von dem Rollstuhlfahrer selbst gefahren werden.
Oder von einer Person, die der Rollstuhlfahrer damit beauftragt hat, ihn zu befördern oder etwas für seinen Haushalt zu erledigen. Und nun wird es kurios: Wenn ich Paul bitte, mit mir zum Einkaufen zu fahren, darf Fußgänger Paul mein Auto fahren. Ich sitze ja auf dem Beifahrersitz.
(Vorausgesetzt, er benutzt nicht die Umbauten, sondern die herkömmlichen Bedien-Elemente des Fahrzeuges. Die müssen ja immer vorhanden bleiben, dürfen nur blockiert oder verdeckt werden, solange das Fahrzeug von einem Rollifahrer über den Behindi-Umbau bedient wird. Aber darum geht es gerade nicht.)
Wenn ich Paul bitte, das Auto umzuparken, weil ich plötzlich sehe, dass es im Weg steht, darf er damit auch alleine über den Supermarktparkplatz cruisen und, sofern erforderlich, auch noch einmal raus auf die Straße und eine andere Parkplatzeinfahrt nehmen.
Wenn ich das Geld zu Hause vergessen habe, dürfte ich Paul mit dem Auto nach Hause schicken, das Geld holen, direkt wiederkommen – und ich sammel in der Zwischenzeit schonmal alles in den Einkaufskorb, was ich so brauche.
Wenn ich Paul zum Einkaufen schicke und selbst zu Hause bleibe, wäre das auch in Ordnung. Er dürfte dann sogar noch nebenbei für sich einkaufen. Er darf dann nur nicht auf den Rolli-Parkplätzen parken.
Aber jetzt kommt es: Wenn Paul mich zur Krankengymnastik fährt, darf er nicht mit dem Auto wieder nach Hause fahren, solange ich drinnen rumturne (und mich hinterher wieder abholen). Denn das dient ja seinen Bedürfnissen, nicht meiner Haushaltsführung. Es sei denn, ich beauftrage
ihn, in der Zwischenzeit bei mir zu Hause 10 Minuten Staub zu wischen. Dann wäre es wieder okay.
Und noch kurioser: Wenn ich Paul beauftrage, für mich bei K.O.-Kauf einen Kühlschrank zu besorgen, darf er dafür mein Auto benutzen. Wenn dann der Kühlschrank zu Hause ist und wir merken, er ist defekt, darf er
auch mit dem Kühlschrank wieder zu K.O.-Kauf fahren und das Ding dort reklamieren. War das aber das letzte Ausstellungsstück, muss Paul das Auto stehen lassen und mit dem Bus nach Hause kommen. Die Rückfahrt dient nicht mehr meiner Haushaltsführung.
Man wird natürlich immer einen Grund finden, warum er das Auto wieder
zu mir nach Hause bringt. Schließlich möchte ich, dass mein Auto, das nach einer Fahrt zum Zwecke einer Kühlschrank-Reklamation vor einem K.O.-Markt steht *wieher*, den Versicherungsbedingungen entsprechend noch vor Einbruch der Nacht wieder in meine Garage kommt. Und das wäre dann wieder ein Auftrag, der mit meiner Haushaltsführung zusammenhängt. Und dann dürfte Paul das Auto holen. (Oder eben gleich mitbringen, nachdem er den Kühlschrank abgegeben hat.) Man muss aber im Fall einer Kontrolle genau wissen, was man erzählt, denn sonst hat man schnell ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung an der Backe.
So bereits geschehen bei einem Vereinskameraden, dessen Mutter ihren Sohn zum Training gefahren hat und anschließend wieder nach Hause gegurkt ist, weil sie nicht 90 Minuten auf der Bank sitzen wollte. Hätte
sie gesagt, sie will ihm noch schnell seine Jeans für morgen waschen, wäre alles okay. Sagt sie aber in der Polizeikontrolle, dass sie nicht 90 Minuten rumsitzen will, wird das Verfahren eingeleitet. Und in Hamburg sind die Polizisten fit bei dem Thema: Ich wurde zwar noch nicht
so oft kontrolliert, aber wenn, wurde immer gefragt, ob ich die Berechtigte bin, schließlich steht in der Zulassungsbescheinigung ja drin, dass das Fahrzeug wegen einer Behinderung steuerbefreit ist.
Nach diesem Vorgeschmack kann sich jeder vorstellen, wie sich das Problem lösen lässt, dass wir meinen alten Golf als WG-Fahrzeug anmelden
wollten und dann drei bis fünf Rollstuhlfahrer, die alle von der Kfz-Steuer befreit sind, dasselbe Fahrzeug nutzen. Ich könnte es spannend machen, aber ich mache es kurz: Es geht nicht.
Dass ich das Fahrzeug nur auf einen Namen anmelden kann, ist klar. Dass dieser dann das Fahrzeug auch an andere Leute innerhalb der WG verleihen darf, darauf lässt sich die Kfz-Versicherung noch ein. Gegen Aufpreis. Aber: Wenn mehrere Rollstuhlfahrer das Fahrzeug nutzen, die jeder für sich alle von der Kfz-Steuer zu befreien wären, wird … richtig! … niemand von der Kfz-Steuer befreit. Das sieht das Steuerrecht
nicht vor. Es kann immer nur der Halter von der Kfz-Steuer befreit werden. Der darf das Fahrzeug aber nur für sich und für seine Haushaltsführung benutzen. Verleiht er es an jemand anderen, wird das Fahrzeug steuerpflichtig, auch dann, wenn derjenige, der es leiht, die gleichen Voraussetzungen erfüllt wie der Halter.
Mir ist schon klar, dass Gesetze niemals alle Eventualitäten abdecken
können und es immer Lücken geben wird. Daher haben wir das Fahrzeug ordnungsgemäß angemeldet und zahlen brav die Kfz-Steuer, obwohl das Fahrzeug nur von Leuten genutzt wird, die allesamt von der Kfz-Steuer zu
befreien sind.
Anders wäre es gewesen, wenn wir uns als „Stinkesocke und ihre behinderten WG-Freunde“ zusammengetan hätten, von außen noch ein paar lustige Leute herangeholt hätten, zu siebt einen Verein gegründet hätten
und in die Satzung geschrieben hätten, dass wir diese eine WG fördern wollen. Dann wären nach Eintragung alle die wieder ausgetreten, die nicht in der WG wohnen, die Satzung wäre mehrheitlich dahingehend geändert worden, dass nur WG-Bewohner eintreten dürfen – und dann hätte ich das Auto dem Verein geschenkt oder wir alle hätten es aus Mitgliedsbeiträgen gekauft. Dann hätten wir das Fahrzeug steuerfrei benutzen dürfen, weil es ja nur der Beförderung behinderter Personen dient. Sogar das Autoradio wäre dann gebührenfrei gewesen. Man hätte ein
grünes Kennzeichen bekommen und als einzige Auflage, dass man das Fahrzeug als Behindertenfahrzeug kenntlich machen müsste. Also hätten wir rundherum schicke blaue Rolli-Aufkleber an die Türen gepappt.
Muss ich noch erwähnen, wie überfordert das Amt damit war, dass mein bisher steuerfrei geführtes Fahrzeug nun steuerpflichtig wird? Und dass ich gleichzeitig ein weiteres Fahrzeug neu anmelden möchte, das dann steuerfrei ist? Und dass das zweite Fahrzeug bereits umgebaut wurde und ein neues Sachverständigen-Gutachten vorliegt und dieses in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden muss, noch bevor das Fahrzeug überhaupt erstmalig zum Straßenverkehr zugelassen wird? Man sollte denken, dass das im Zeitalter von Computern nur ein Knopfdruck ist.
Nein. Vier Stunden lang bin ich von Pontius zu Pilatus gerollt und habe insgesamt weit über 100 Euro Gebühren, die Kosten für zwei neue Kennzeichen und die Kfz-Steuer für beide Fahrzeuge (!) für ein Jahr im Voraus in bar abdrücken müssen. Die für den Viano wird nun in den nächsten Tagen erstattet, anders bekommt man den Fahrzeugwechsel beim Finanzamt aber nicht geregelt. Denn der Golf ist noch bis 24 Uhr steuerbefreit und der Viano wäre erst ab nächsten Tag 0.00 Uhr steuerfrei. Um zu vermeiden, dass ich 8 Bescheide nach Hause geschickt bekomme, wonach für einen Tag die Steuern ausgeworfen werden, gibt der Finanzbeamte die neue Steuerbefreiung erst einen Tag später ein und erlässt den einen Tag wegen Banalität oder anderen Gebrechen. Das geht aber erst nach dem Systemdurchlauf nachts um 3.00 Uhr. Damit sind aber beide Fahrzeuge erstmal steuerpflichtig und in Hamburg muss bei Zulassung für 1 Jahr im Voraus die Kfz-Steuer entrichtet werden, wenn man keinen Befreiungsbescheid vorlegt – sonst wird das Fahrzeug gar nicht erst zugelassen. Noch Fragen?
Immerhin nahm der Gebührenautomat 50-Euro-Scheine an. Da ich in weiser Voraussicht schon 20 davon eingepackt hatte, musste ich auch nicht den Geldautomaten der No-Name-Bank im Hause der Zulassungsstelle, der mich dann wohl nochmal 20 Euro Gebühren gekostet hätte, benutzen. Toll war allerdings, als ich den Restbetrag von 37 Euro in Ein- und Zwei-Euro-Münzen erstattet bekam *schepper* und alle in dem Raum sich umdrehten, um zu erfahren, warum ausgerechnet das behinderte Mädchen im Rollstuhl, das gerade so eben an den Geldschlitz kommt, den Jackpot geknackt hat.