Bewerberflut

Es ist absolut unglaublich, aber Jana wartet noch immer auf die Entscheidung vom Amt, ob sie in unsere WG einziehen darf. Inzwischen seit über einem Vierteljahr.

Hintergrund: In Hamburg darf Wohnraum, der mit öffentlichen Mitteln barrierefrei erbaut oder umgebaut wurde, nur mit Zustimmung des Wohnungsamtes vermietet werden. Die Berechtigung dafür bekommen aber wegen des großen Andrangs (über 180 so genannte Notfälle auf der Warteliste für barrierefreie Wohnungen) nur Menschen, die keine zumutbare Wohnung haben. Über die Zumutbarkeit entscheidet ein Amtsarzt nach Vorlage eines hausärztlichen Attests.

Das heißt: Interessenten, die aus persönlichen Gründen umziehen wollen, kommen weder auf die Liste, noch bekommen sie überhaupt die Berechtigung, eine andere Wohnung barrierefreie anzumieten. Bei Jana wird also nun seit einem Vierteljahr geprüft, ob gesundheitliche Gründe für den Umzug sprechen.

Dann kommt noch hinzu, dass diese Wohnungen nur an einen Rollstuhlfahrer vermietet werden dürfen. An zwei oder mehr Rollstuhlfahrer darf dieselbe Wohnung nur vermietet werden, wenn diejenigen in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen. Also wenn ein verlobtes Paar, beide Rollifahrer, eine gemeinsame barrierefreie Wohnung
anmieten will, geht das nicht. Es sei denn, man lässt nur eine der beiden Personen berücksichtigen, dann bekommt man aber auch nur eine Wohnung, deren Größe auf eine Person ausgelegt ist (bei Rollstuhlfahrern
maximal 60 m²).

Wir haben nun eine Ausnahmegenehmigung bekommen (bei der WG-Gründung), da hier von allen ärztliche Atteste vorlagen, dass durch diese Wohnform gegenseitige Hilfe möglich ist, die sonst kostenpflichtig
von Dienstleistern erbracht werden müsste. Da man ohnehin Probleme hatte, diese große Wohnung zu vermieten, haben wir diese Ausnahmegenehmigung erhalten. Und es sieht so aus, als wenn die zweite Wohnung in diesem Haus, die genauso groß ist und ebenfalls seit über einem Jahr leer steht, auch bald an eine Rolli-WG vermietet wird. Der Vermieter bemüht sich jedenfalls in dieser Richtung.

Aus dieser Ausnahmegenehmigung leitet das Wohnungsamt aber auch ab, dass es uns ständig neue WG-Bewerber vorbei schicken darf. Und so bimmeln hier im Durchschnitt zweimal täglich seit Wochen irgendwelche Leute, die sich das Zimmer anschauen wollen. Bei über 180 Notfällen auf der Liste könnte dieses Theater auch noch etwas länger dauern. Und es wird auch klar, warum Jana ihre Berechtigung nicht bekommt, denn dann wäre dieser Platz ja weg.

Inzwischen waren wohl rund 30 bis 40 Bewerberinnen und Bewerber hier,
die aber allesamt ungeeignet waren. Entweder schwer pflegebedürftig (eigenes Bad hat das Zimmer zwar, aber eben keine Möglichkeit, auch nachts eine Pflegeperson getrennt wachen zu lassen), oder vom Kopf her nicht in der Lage, alleine zu wohnen. Die kamen dann mit Betreuer und es
wurde gefragt, ob wir Hilfestellungen leisten könnten. Hallo?! Morgens ist hier niemand, wir sind alle in der Schule oder im Job, das geht alleine aus dem Grund schon nicht. Ganz zu schweigen davon, dass es uns hier allenfalls um Hilfe auf Gegenseitigkeit geht. Sich intensiv um einen Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu kümmern, kann, bei allem, was diese Menschen zurückgeben, nicht als gegenseitige Unterstützung angesehen werden.

So langsam nervt es.

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