Mal wieder Amerika

Nachdem unser Besuch aus Amerika bereits wieder auf der anderen Seite des Ozeans angekommen und in der Schule wieder geschlagen *hust* wird, muss ich unbedingt meine heutige Begegnung mit einer Amerikanerin aufschreiben.

Ich war aus Zeitgründen mit dem Auto zur Therapie ins Krankenhaus gefahren, war anschließend noch mit einer Freundin etwas essen, wir haben lange gequatscht, dann wollte ich nach Hause. Auf dem Weg zur Autobahn fuhr vor mir eine A-Klasse mit Wiesbadener Kennzeichen, vermutlich ein Mietwagen. Da das Fahrzeug nur etwa 30 km/h fuhr, musste ich abbremsen.

An einer grünen Ampel bremste dieses Auto dann noch plötzlich scharf,
völlig unerwartet aus Tempo 30 auf Null runter. Sorgenvoll schaute ich schon in den Rückspiegel, ob das hinter mir alle mitkriegen. Ich kannte den Grund nicht, also wartete ich einige Sekunden ab. Die hinter mir sahen auch nicht, was los war, da mein Auto dafür zu hoch ist, also kam auch von hinten kein hupender Kommentar. Dann legte, wie sich später rausstellte eine Fahrerin, den Rückwärtsgang ein. Automatikfahrzeug, denn trotz (leicht) getretener Bremse rollte es zentimeterweise rückwärts. Ich hupte, hatte keine Lust auf irgendeine Berührung.

Als die Ampel rot wurde, fuhr sie weiter. Bei Rot über die Kreuzung. Allerdings kam zu dieser späten Stunde niemand aus der Seitenstraße. Hinter der Kreuzung wurde die Straße vierspurig (ab hier Bundesstraße), sie fuhr mittig auf dem gestrichelten Streifen zwischen den beiden Fahrspuren. Mit Tempo 20. Und dann eierte sie auch mal über die durchgezogene Linie in die beiden Gegenfahrspuren. Ein entgegenkommendes
Fahrzeug blendete einmal auf, fuhr dann vorsichtig an der A-Klasse vorbei. Ich dachte mir nur: „Volltrunken.“

Als die Ampel wieder grün würde, fuhr ich weiter, rechts auf eine Tankstelle. Rollstuhl raus, zusammenbauen, für 85 Euro Diesel tanken, dann, um mit dem Rollstuhl an den Nachtschalter zu kommen, erstmal das Feuerholz aus dem Weg schieben, mit Kreditkarte bezahlen, unterschreiben, zurück zum Auto, Rollstuhl verladen, Tageskilometerzähler nach 814 Kilometern (knapp 9 Liter Durchschnittsverbrauch, bin sehr zufrieden) auf Null stellen, weiterfahren.

Zirka 300 Meter weiter stand, auf der gestrichelten Linie, die A-Klasse mit Warnblinklicht. Drinnen saß jemand, hielt sich ein Handy ans Ohr. Ich fuhr vorsichtig auf der rechten Seite vorbei, halb über eine Bushaltebucht. So langsam kamen mir Zweifel, ob ich hier nicht mal aktiv werden müsste. Wer weiß, ob dieses Fahrzeug nicht als nächstes durch den Gegenverkehr fährt und jemanden frontal erwischt? Ich fuhr vorbei, auf die nächste Grundstückseinfahrt und beobachtete das Geschehen im Rückspiegel. Dann fuhr dieses Fahrzeug mit Warnblinklicht weiter, weiterhin beide Fahrstreifen benutzend. Es waren nur ganz vereinzelt noch andere Fahrzeuge unterwegs. Dann fuhr diese A-Klasse auf
der falschen Seite an einer Mittelinsel vorbei, dann frontal auf den Bordstein der Gegenseite zu, fuhr mit den Vorderrädern hoch, fuhr zurück, wendete, und fuhr in die Gegenrichtung weiter. „Wenigstens nicht
auf die Autobahn“, dachte ich mir. Noch während ich überlegte, ob ich hinterher fahren sollte, wendete dieses Fahrzeug noch einmal und stand nun wieder mit der Schnauze in meine Fahrtrichtung. Immernoch mit eingeschalteter Warnblinkanlage, wieder mittig auf beiden Fahrstreifen.

Dann fuhr das Auto mit dem rechten Vorderrad rechts auf den Radweg und blieb so stehen, es wurde wieder telefoniert. Dann fuhr das Auto im Rückwärtsgang, jetzt nur noch mit Blinker links, auf der Fahrbahn rund 200 Meter zurück, dann blieb es wieder mittig stehen. Jetzt wurde es mir
wirklich zu dumm, ich rief über Handy (mit Freisprecheinrichtung) die Polizei an. „Wie heißen Sie? Haben Sie ein Kennzeichen? Und woher wollen
Sie wissen, ob der Fahrer betrunken ist?“ – „Ich weiß es nicht, ich sage nur, dass da jemand total merkwürdig fährt und ich den Verdacht habe, er könne betrunken sein oder Drogen genommen haben.“ – „Was heißt ‚merkwürdig‘?“ – „Naja, mitten auf der Fahrbahn stehen bleiben, paar Mal
wenden, über den Gehweg fahren, an grünen Ampeln stehen bleiben, dafür aber dann bei rot Gas geben, es macht insgesamt einen sehr dubiosen Eindruck.“

„Wo steht das Fahrzeug jetzt?“ – „Mit Warnblinklicht mittig auf beiden Fahrstreifen in Richtung Autobahn.“ – „Und Sie stehen wo?“ – „Kurz dahinter, auf einer Grundstückseinfahrt. Und jetzt wendet das Fahrzeug wieder und fährt wieder stadteinwärts. Allerdings in der falschen Fahrspur und wieder mit Warnblinklicht.“ – „Können Sie da mal hinterher fahren?“ – „Wenn Sie das wollen, fahre ich da hinterher.“ U-Turn über alle 4 Fahrstreifen, zurück stadteinwärts. Die A-Klasse wendete erneut. „Der wendet nochmal. Ich wende dann auch nochmal wieder.“ – „Auf welcher Höhe sind Sie jetzt?“ – „Etwa auf Höhe des Fahrradmarktes.“ – „Ja, fahren Sie bitte hinterher.“ – „Der fährt auf das Betriebsgelände einer Firma. Da kommt allerdings nach 50 Metern eine
Schranke. Jetzt wendet er wieder, vor der Schranke. Vor, zurück, vor, zurück, jetzt doch noch weiter auf die Schranke zu, jetzt im Rückwärtsgang wieder raus, ich fahre hier mal weg, bevor ich noch angekarrt werde.“

Die Fahrt ging wieder stadteinwärts. Ich musste nochmal einen U-Turn über alle vier Spuren machen. Dann überfuhr die A-Klasse eine Mittelinsel mit einem Hinterrad, fuhr dann wieder an den rechten Fahrbahnrand, mit einem Vorderrad auf den Radweg, blieb wieder stehen. Ich blieb in sicherer Entfernung dahinter. „Wir stehen jetzt auf Höhe der Tankstelle. Fahrtrichtung stadteinwärts, die A-Klasse steht mit einem Vorderrad auf dem Radweg und blinkt links.“ Man hörte, wie auf der
anderen Seite der Leitung jemand am PC mitschrieb. Dann kam von vorne ein VW Passat, und zwar auf unserer Spur, quasi im Gegenverkehr. Schaltete mehrfach kurz Fernlicht ein, als würde er was suchen. Ich dachte mir: Entweder ist das eine Zivilstreife oder einer aus derselben Familie. Sind die hier alle irre?!

Am Ende der Straße bog ein Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht ein, kam mit hoher Geschwindigkeit herangefahren, hielt auf der gegenüberliegenden Seite. Der Passat war in der Tat eine Zivilstreife. Insgesamt fünf Polizisten kümmerten sich um diese A-Klasse, dann wurde ich gefragt, was ich denn gesehen hätte. Man tat ein wenig so, als wäre ja gar nichts los, die steht ja da ganz friedlich. „Das ist eine ältere Frau, die kommt aus Amerika und findet sich wohl nur schwer zurecht. Das Auto ist ein Mietwagen. Alkohol oder Drogeneinfluss Fehlanzeige.“ – „Okay!? Die ist hier mitten auf der Fahrbahn stehen geblieben, bei Rot durchgefahren, hat mehrmals gewendet,
Mittelinseln überfahren, …“ – „Aber sie hat niemanden gefährdet und nichts beschädigt. Sie findet sich schwer zurecht. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Abend. Aber rufen Sie ruhig wieder an, wenn Sie glauben, jemand könnte getrunken haben. Dafür sind wir ja da.“

Ganz sicher nicht. Nächstes Mal sind andere dran.

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