Keine Sozialeinrichtung

Von einer anderen Rollifahrerin hatten wir den Tipp bekommen, zum Schwimmen und Saunen eine etwa 60 Kilometer entfernte Therme zu besuchen. Sie sei für Rollstuhlfahrer optimal, vom Preis okay, die lange
Anfahrt würde sich lohnen. Da ich im Winter inzwischen gerne mit einigen Leuten in die Sauna gehe, wollte ich es ausprobieren. Sofie und Jana wollten auch mit.

Also sind wir heute am späten Vormittag aufgebrochen. Die Straßen waren frei, wir haben es sofort gefunden, und tatsächlich: Fünf Rolliparkplätze direkt vor dem Eingang. Besser konnte es kaum sein. Zwei
waren noch frei, drei allerdings von Leuten ohne Ausweis belegt. Ich entschied mich für den ganz linken, dann habe ich wenigstens die Garantie, dass sich links neben mir niemand mehr in 10 Zentimeter Abstand neben meine Fahrertür stellt.

Ich hatte gerade meinen Rollstuhl ausgeladen, war nach hinten gerollt, um die anderen beiden Rollstühle aus dem Kofferraum zu holen, als rechts neben uns der letzte freie Rolliplatz belegt wurde. Zwei Frauen stiegen aus, um die 70. Sie parkten auf der Trennlinie zwischen „ihrem“ Parkplatz und „meinem“, so dicht, dass Jana und Sofie nicht mehr
aus dem Auto kommen würden. Ich sprach die Fahrerin an: „Entschuldigung, so dicht dran, wie sie jetzt stehen, kommen meine Leute
jetzt aber nicht mehr aus dem Auto.“ – Prompt kam die Antwort: „Die können doch rüberkrabbeln.“

Ey hallo? „Ähm, würden Sie Ihr Auto bitte ein bißchen weiter weg parken? Das sind Behindertenplätze und es hat seinen Grund, dass die etwas breiter sind. Wir können so nicht mehr ein- und aussteigen.“ Das interessierte die nicht! Die gingen ohne mit der Wimper zu zucken in das
Schwimmbad, ich stand doof da mit offenem Mund und schaute hinterher. Ich hob Janas Rollstuhl wieder in den Kofferraum, schmiss die Klappe zu,
düste hinter den Frauen hinterher. Direkt vor der Kasse holte ich sie ein. „Entschuldigung, Sie haben mich gerade eingeparkt, wären Sie bitte jetzt mal so freundlich und würden Ihr Auto umparken?“ – Sie ignorierte mich weiter. Ich stellte mich ihr direkt in den Weg. „Hallo!!!“

Sie wandte sich an die Dame an der Kasse: „Behinderte sollten nicht Autofahren. Da kommt nichts bei raus.“ Sie blinzelte der Kassiererin zu.
Jede Wette, die kannten sich gut. „Zwei Tageskarten mit Sauna bitte.“ Und die Frau an der Kasse sagte natürlich nichts. Sondern händigte ihr die zwei Karten aus, die beiden trotteten um mich herum und ließen mich stehen. Ich fuhr wieder zum Auto zurück, stieg wieder ein. Sofie fragte:
„Was ist denn jetzt mit der Tante da?“ – „Behinderte sollten nicht Autofahren, dabei kommt nichts raus.“ – „Hat sie gesagt?“ – „Nicht zu mir, zu der Kassiererin.“ – „Und was sagt die?“ – „Nix, die hat ihr die Karten ausgehändigt und nun saunt man.“ – „Nee.“ – „Doch.“ – „Ich glaubs
nicht. Hat die überhaupt einen Ausweis?“ – „Nö, aber ist ja ein Privatparkplatz, solange es den Eigentümer nicht stört, kann sie da ja parken wie sie will.“ – „Ich hab schon wieder die Schnauze voll.“

Also fuhren wir wieder vom Parkplatz runter auf einen anderen Parkplatz, wo noch weitere Behindi-Plätze frei waren. Zwanzig Minuten hat uns das Theater gekostet. Dann standen wir endlich an der Kasse. „Na, haben Sie noch einen anderen Parkplatz gefunden?“ fragte die Frau an der Kasse und grinste breit.

„Ja, nur die Frau hat uns eingeparkt, als wir schon beim Aussteigen waren. Dadurch durften wir alles wieder einladen und uns einen neuen Parkplatz suchen, nur weil sie ohne Ausweis über zwei Parkplätze parkt.“
– „Jetzt haben Sie ja einen. Wir möchten hier keine Aufregung, verstehen Sie?“ – „Naja, an mir liegt das nicht!“ – „An mir auch nicht, ich habe einen Parkplatz. Seit heute früh um Acht.“ Es war sinnlos.

„Drei Rollstuhlfahrer mit Sauna bitte, als Tageskarte.“ – „Wo ist denn Ihre Begleitung?“ – „Haben wir nicht, wir kommen so zurecht.“ – „Sie müssten schon eine Begleitung mit rein nehmen, ohne Begleitung schaffen Sie das nicht.“ – „Was schaffen wir nicht?“ – „Sie sind ohne Begleitung nicht mobil im Nassbereich und unser Personal hat am Sonntag keine Zeit dafür.“ – „Eine Freundin von uns sitzt auch im Rollstuhl und kommt hier regelmäßig, auch ohne Begleitung. Sie sagt, das sei kein Problem.“ – „Das ist dann Ihre Entscheidung, ich habe Sie gewarnt. Wir können Ihnen leider nicht behilflich sein.“ – „Ja, ist okay. Wollen Sie die Ausweise sehen?“

„Wofür? Ermäßigung gibt es nicht, wir sind ein privates Schwimmbad und keine Sozialeinrichtung.“ – Sofie konterte: „Sie meinen, Sie behandeln alle Gäste gleich?“ – Die Frau guckte grimmig. Wir zahlten den
normalen Hochsaison-Preis für drei Tageskarten mit Sauna, bekamen unsere Chips und durften hinein. Die Rollstuhlkabine war verschlossen, jemand zog sich darin um. Also warteten wir. Nach 20 Minuten klopfte Sofie: „Entschuldigung, wie lange wird es noch dauern?“ – Keine Antwort.
Aber es zog sich jemand darin um, das konnte man bei einem Blick unter die Tür sehen. Vielleicht waren diejenigen gehörlos? Wir warteten nochmal 10 Minuten, klopften noch einmal, keine Reaktion. Eine halbe Stunde brauchte eigentlich kaum jemand, vielleicht war etwas passiert? Wir rollten zurück zur Kasse: „Die einzige Behindertenumkleide ist seit über 30 Minuten belegt, könnten Sie da vielleicht mal nach dem Rechten schauen lassen?“ – „Außer Ihnen sind noch andere behinderte Gäste hier, die dürfen sich in Ruhe umziehen. Wie ich schonmal sagte, wir wollen hier keine Aufregung.“ – „Haben Sie noch eine andere große Kabine für uns? Gruppenumkleide oder so etwas?“ – „Wir sind eine Therme, kein Schulbad.“

„Vergiss es“, murmelte mir Sofie zu. Jana schüttelte inzwischen nur noch den Kopf. Als wir wieder an der Kabine waren, war sie frei. Also alle rein, umziehen. Dafür war nun die einzige Dusche und das einzige Behindi-WC besetzt. Nach 20 Minuten Warten gingen wir ungeduscht durch eine Nebentür. Wir hatten ja morgens zu Hause geduscht und andere Leute duschen auch nicht. Der gute Wille war ja da. Nach einer Runde Schwimmen
fuhren wir in den Saunabereich, zogen unsere Badesachen aus, Handtuch umgewickelt, wollten raus durch die Minusgrade zur Sauna – Fehlanzeige. Die Tür war verschlossen. Nur der Weg über die Stufen war geöffnet, der über die Rampe jedoch nicht. „Da können Sie leider nicht raus, die Rampe
ist spiegelglatt“, ließ uns die Mitarbeiterin wissen, die dort Aufsicht
machte.

„Und nun?“ fragte ich. Die Antwort kam prompt: „Haben Sie keine Begleitung dabei, die Sie eben die Stufen runterwuchten kann?“ – „Runterwuchten?“ fragte ich stirnrunzelnd. Ich bin doch kein Möbelstück auf einer Sackkarre. Oder habe ich etwa Übergewicht?

„Weißt Du was?“ fragte Jana. „Ich würde sagen, wir ziehen uns wieder an, fahren nach Hause, kochen was schönes und legen uns zusammen vor den
Fernseher. Ich wollte einen entspannten Sonntag, und das hier tut mir nicht gut.“ Sofie nickte. Jetzt hatte ich mich so auf die Sauna gefreut!
Vermutlich die anderen beiden auch, aber ich konnte Jana gut verstehen.
Es gibt Dinge, die muss man sich einfach nicht antun.

Die einzige rolligerechte Dusche war immernoch belegt (oder vielleicht auch außer Betrieb), also zogen wir uns ungeduscht wieder an und verließen auf dem kürzesten Weg das Schwimmbad. „Dann hätten Sie ja auch für 90 Minuten lösen können“, beriet uns die Frau an der Kasse. Sofie antwortete: „Ich würde sagen, Sie erstatten einmal komplett alle drei Karten. Ihre Sauna ist ja nur über Stufen zu erreichen heute – wegen Glätte. Darauf hätten Sie uns beim Lösen der Karte aufmerksam machen müssen.“ – „Ich habe doch gesagt, dass Sie nicht ohne Begleitung zurecht kommen. Aber Sie mussten ja alles besser wissen. Scheint eine Krankheit zu sein. Bei Rollstuhlfahrern.“ – Antwort von Sofie: „Noch ein
Wort und ich kotz Ihnen auf die Theke. Schönen Tag noch.“

Immerhin hatte uns auf dem Rückweg niemand eingeparkt. Als wir alle wieder zu Hause waren, entschieden wir uns für super leckeren Obstsalat.
Und einen netten DVD-Abend. Eins ist sicher: Diese Therme sieht uns nicht wieder. Da lobe ich mir doch das Ding, in das wir sonst immer fahren. Da ist man freundlich und zuvorkommend.

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