Gefressen worden

Seit Mittwoch ist Markus hier. Zum Glück. Natürlich werden böse Zungen jetzt behaupten, dass das der wahre Grund sei, warum ich diese Woche nicht mehr zur Schule gegangen bin. Das Drama um meine 15 Punkte in Sport kam gerade im richtigen Moment. Mir ist auch klar, dass einige Mitschüler und auch Lehrer hin und wieder oder regelmäßig diesen Blog lesen. Ja, schöne Grüße, ich lebe noch. Und ja, denkt ruhig, was ihr wollt. Markus arbeitet in der Zeit, in der ich Schule hätte. Er kommt ja auch zum Arbeiten nach Hamburg, nicht nur meinetwegen.

Aber eben auch meinetwegen. Und warum sollte er im Hotel schlafen? Dann werde ich nicht massiert. Er kann super toll massieren. Überall. Lechz. …

Hat schonmal irgendjemand meiner Leser einem Querschnitt die Füße massiert? Nein? Er ist so toll. Ich merke davon zwar nichts. Aber es tut mir gut. Er macht es einfach. Er fragt nicht, ob ich das möchte, er fragt nicht, ob es komisch ist, er macht sich einfach keine Gedanken. Und das ist toll. Er massiert mich und irgendwann ist er bei meinen Füßen angekommen. Er hört eben nicht an der Lendenwirbelsäule auf. Klingt banal, ist es aber irgendwie nicht.

Ich liebe sein verschmitztes Lächeln. Er hat ständig irgendwelche Flausen im Kopf, aber (bisher) nie auf Kosten anderer. Er ist einfach witzig, macht Witze über sich selbst, lacht über komische Situationen, hat eine ausgeprägte Fantasie, über die ich mich ständig amüsieren kann.
Er bringt Sprüche, bei denen ich fast vor Lachen aus dem Stuhl falle, ohne dass er dabei eine Miene verzieht. Er kann wunderbar erzählen. An ihm ist ein Comedian verloren gegangen.

Aber wir hatten eben auch ein sehr ernstes, gutes Gespräch. Ich habe ihm von den Idioten in der Schule erzählt. Und irgendwie war es gerade die richtige Stimmung, um ernst, aber dennoch locker über mein anderes Problem reden zu können. Ich sagte ihm, dass das Schul-Chaos ein ernstes Problem sei, es aber gerade ein noch wesentlich ernsteres gäbe. Ein wenig mitleidig, ein wenig gespannt schaute er mich an, zog die Augenbrauen hoch, seufzte und fragte: „Reicht das noch nicht?“ Und nahm mich in den Arm, bevor er überhaupt wusste, was mich bedrückt. Es ist Scheiße, jemanden, den man erst so kurz kennt, gleich mit solchen Problemen zu überrennen. Aber es betrifft ihn. Und es muss aus der Welt.
Das war am Mittwochabend.

„Ich hab mir die Pille verschreiben lassen.“, sagte ich. Und schaute ihn an. Er antwortete: „Und du verträgst sie nicht?“ – Ich schüttelte sofort den Kopf. „Doch doch, das ist nicht das Problem.“ – „Was dann?“ –
„Ich will Sex. Irgendwann mal. Irgendwann will ich Sex. Eigentlich bald. Eigentlich sofort. Eigentlich auch nicht. Ich will zumindest geschützt sein, wenn ich Sex habe.“ – „Was heißt das, eigentlich sofort und eigentlich auch nicht? Willst du oder willst du nicht?“

„Ich will, wenn du auch willst und es sich ergibt. Aber es geht nicht. Die Pille ist der zweite Schritt vor dem ersten. Im ersten Schritt müsste ich eigentlich realisieren, dass ich keinen Sex haben kann. Und das verdränge ich, indem ich mir im zweiten Schritt die Pille verschreiben lasse und einwerfe. Das ist vermutlich ziemlich krank. Aber
das ist mein viel ernsteres Problem.“

„Und wieso sollte das nicht gehen mit dem Sex?“ – „Weil ich querschnittgelähmt bin?!“ – „Das alleine ist aber kein Grund, und das weißt du auch. Es gibt viele querschnittgelähmte Mütter, die ihre Kinder nach dem Unfall auf natürlichem Weg gezeugt und bekommen haben.“ – Wieso kennt er sich so gut aus? Ist das schmeichelhaft?

„Das stimmt“, sagte ich. „Nur …“. Ich wusste nicht mehr, wie ich fortfahren sollte. – „Nur was?“ – „Ich krieg meine Blase nicht in den Griff.“ – „Ich weiß.“ – „Was weißt du?“ – „Dass bei Querschnitten auch die Blase betroffen ist. Und der Darm. Und dass viele Männer keinen hoch kriegen. Und sich deswegen minderwertig fühlen. Und dass die dann alle glauben, niemand will mit ihnen ins Bett. Und wenn dann nur aus Mitleid oder perversen Gelüsten. Kenn ich alles schon, imponiert mir aber nicht.“

„Was meinst du mit imponieren?“ – „Die Tour zieht nicht, Jule. Das grenzt an Selbstmitleid. Du nimmst mir die Entscheidung ab, ob ich mit den Symptomen einer Querschnittlähmung umgehen kann, wenn ich mit einer Querschnittgelähmten ins Bett gehe. Du unterstellst mir indirekt, ich würde damit nicht zurecht kommen.“ – „Das stimmt doch gar nicht“, funkelte ich ihn an. „Ich unterstelle gar nichts. Ich habe ein Problem damit, dir so einen Schweinkram zuzumuten. Das ist der Grund.“

„Genau das wollte ich hören. Sorry, wenn ich da etwas grob war. Aber wenn ich eins nicht leiden kann, ist es, wenn sich jemand meine Gedanken macht. Frag doch bitte künftig, ob du mir etwas zumuten kannst, und lass mich das entscheiden. Ich bin nicht aus Zucker.“ – Ich schluckte. „Das ist für mich ein sehr schwieriges Thema, Markus. Ich versuche, offensiv damit umzugehen im Alltag. Weil Verstecken und Verheimlichen nur meine Angriffsfläche vergrößert. Aber ich bin damit sehr verletzbar, trotz des offensiven Umgangs.“

„Wie wäre es denn anders herum? Jetzt, wo du dich damit auskennst. Würdest du mit einem Typen ins Bett gehen, der genau diese Probleme hat?
Oder würdest du es deshalb ablehnen, weil es eklig werden könnte?“ – „Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber ich schätze, es wäre kein Problem für mich.“ – „Siehst du. Ich hatte schonmal eine Beziehung zu einer Rollstuhlfahrerin. Die ist jetzt Jahre her und war leider nach sechs Wochen wieder zu Ende, weil sie mit ihrem inneren Konflikt, mir nicht alles bieten zu können, nicht klar kam. Dabei hätte ich mir auch eine Beziehung ohne jeden sexuellen Kontakt vorstellen können.“

„Das ist aber ungewöhnlich, dass jemand öfter in diese Situation kommt, oder? Warum gibt es in deinem Leben so viele Rollstuhlfahrerinnen?“ – „So viele? Du bist die zweite. Ich habe mich in
dich verliebt. Und anders als bei vielen anderen ist für mich eine Behinderung kein Ausschlusskriterium. Und eine Blasenlähmung auch nicht.
Und eine Darmlähmung auch nicht. Ich bin nicht scharf auf das, was bei einer Darmlähmung passieren kann und ich kann dir nicht versprechen, dass ich nicht sofort auf Klo renne, mich übergeben muss und sofort duschen will. Aber das ist dann eine Schwäche von mir, an der du dich nicht stören darfst. Jeder hat ja so seine Schwächen.“

„Das wird auch nicht passieren. Das passiert ja so auch nicht. Was ich eher nicht versprechen kann, ist, dass sich die Blase benimmt. Wenn sich da gewisse Muskeln anspannen oder Reflexe ausgelöst werden, dann macht die, was sie will. Selbst wenn ich alle 15 Minuten auf Klo gehe, gibt es keine Sicherheit. Und Sex in Pampers finde ich nicht wirklich erotisch.“

„Hast du Windeln hier?“ – Ich nickte. – „Trägst du die?“ – „Unterwegs ja. Zur Sicherheit. Zu Hause eher nicht. Da kann ich ja immer schnell auf Klo.“ – „Das stört mich zum Beispiel auch überhaupt nicht. Im Gegenteil, so ein gut eingepackter Windelpopo kann ja auch sexy sein.“ – Bitte was? „Hast du einen Windelfetisch?“ – „Quatsch. Aber alleine an der Tatsache, dass es Leute mit Windelfetisch gibt, kannst du doch erkennen, dass Windeln durchaus auch eine erotische Komponente haben können.“ – „Ich weiß nicht. Ich finde Fetischismus hat nicht unbedingt was mit Erotik zu tun. So richtige Fetische sind doch oft sogar krankhaft.“

„Ach, einer steht auf Leder, der nächste auf Lack, der nächste auf Windeln. Solange er damit keinem auf den Geist geht, lass ihm doch den Spaß. Schwierig finde ich das, wenn er sich darauf fixiert und keinen Sex mehr haben kann, ohne dass diese Dinger im Spiel sind.“ – „Stehst du auf Windeln? So ein bißchen?“ – „Nee! Auch nicht ein bißchen. Wenn jemand sie aus sexuellen Motiven anzieht, finde ich das albern. Aber wenn sie jemand aus anderen Gründen trägt, dann finde ich das nicht abstoßend. Im Gegenteil, ein Windelpopo kann auch sexy sein.“ – „Sagtest
du schon. Kinder und alte Leute tragen auch Windeln.“

„Kinder und alte Leute sind aber nicht mein Beuteschema. Du hingegen schon“, sagte er, kippte mich mitsamt meinem Rollstuhl nach hinten aufs Bett, griff mir unter die Knie, rollte, schmiss mich aufs Bett und sagte, dass er mich jetzt fressen würde. Ich wollte gefressen werden.

Wer sich an näheren Beschreibungen stört, sollte nicht mehr weiterlesen. Er riss mir die Klamotten vom Leib, ich war bei ihm eher schüchtern und zurückhaltend. Ich hatte ein bißchen Angst, nicht vor ihm, sondern vor der Ungewissheit, was mein Körper hier gleich veranstalten würde, aber es war gut. Er umarmte mich fest, wir knutschten, er drehte sich ein paar Mal mit mir, mal lag ich auf dem Rücken, mal er, nach einigen Minuten bekam ich Gefallen an dem Spielchen, das wir da zusammen spielten und ich war so aufgeregt, dass ich innerlich zitterte. Aber es war gleichzeitig so schön, dass ich auf keinen Fall wollte, dass er aufhörte. Er sagte irgendwann leise, dass ich Bescheid sagen müsste, wenn etwas unangenehm sei oder ich etwas nicht wollte, ich erwiderte, dass es wunderschön ist.

Insbesondere, weil das so spontan war und ich vorher natürlich nicht auf der Toilette war, fühlte sich meine Blase, wie befürchtet, zwischendurch immer wieder angesprochen. Ich hatte darüber null Kontrolle, ihn schien das überhaupt nicht zu stören. Er verhielt sich, als wäre es das normalste der Welt und ich hätte mich dennoch am liebsten in Luft aufgelöst. Ich ging aber bewusst auch nicht darauf ein. Die Sauerei war beträchtlich.

Ich muss mich, so Frank, um einen sachlichen Stil bemühen, damit es nicht ungewollt in die Pornografie abrutscht. Nüchtern-sachliche Darstellungen, die ausschließlich aufklären, sind gefragt. Dabei ist auch eine beispielhafte Schilderung in Ordnung, sie darf nur nicht darauf abgestellt sein, einen Leser auf der sexuellen Ebene ansprechen zu wollen. Will ich nicht. Darum schreibe ich sehr neutral: Es gab keine Penetration. Und ich war zu aufgeregt. Für ihn hingegen war es dennoch sehr befriedigend, was ich vorher noch bei keinem Mann erleben konnte und natürlich sehr interessant war. Sind eigentlich alle Männer hinterher so fertig?!.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert