Mal eben 644 Euro

Ich bin ja schon sehr gespannt auf mein Studium, dessen erste Vorlesung nun offiziell am 2. April beginnt. Lange habe ich darauf warten müssen, aber inzwischen weiß ich, dass alle Unterlagen komplett sind, die Pflegepraktika anerkannt wurden und meine Bewerbung Erfolg hatte. Die meisten meiner künftigen Kommilitonen bekommen ihre Zusage erst Ende Januar – manchmal hat eine Behinderung doch auch einen Vorteil.

Allerdings: Studieren in Hamburg ist teuer. Ganze 644 Euro möchte die Uni pro Semester, also pro Halbjahr, von mir haben. Setzt sich wie folgt zusammen:

375,00 € Studiengebühren
146,90 € Semesterticket
60,00 € Beitrag Studierendenwerk
50,00 € Verwaltungskostenbeitrag
10,20 € Beitrag Studierendenschaft
1,90 € Semesterticket-Härtefonds

Der Unsinn dabei: Ich darf, da ich wegen meiner Behinderung als „hilflos“ gelte, öffentliche Nahverkehrsmittel ohne Ticket benutzen. Ich muss dafür lediglich einen entsprechenden amtlichen Ausweis mitführen. Ich muss den Anteil für das Semesterticket aber trotzdem bezahlen… Wie alle Studenten. Bisher konnte mir noch niemand sagen, ob ich den irgendwann erstattet bekomme. Man konnte mir nur sagen, dass ich, wenn ich 146,90 € im Vorwege abziehe, keinen Studienplatz bekomme. Hurra.

Okay, es haut mich (im Gegensatz zu manch anderem Rollifahrer) jetzt nicht aus dem Stuhl. Aber trotzdem: Muss sowas sein?

Und ich bin froh, kein BAföG beantragen zu müssen. Eine andere Rollstuhlfahrerin in meinem Sportverein studiert ebenfalls in Hamburg und bekommt BAföG. Genau ein Jahr hat es gedauert, bis endgültig über ihren Antrag entschieden worden war. Weil beide Elternteile unterhaltsverpflichtet sind, prüft das Amt erstmal, wieviel Unterhalt die Studentin denn tatsächlich bekommt bzw. bekommen müsste. Leider ist der Vater nach der Geburt weggelaufen, als er gesehen hat, dass das Kind behindert ist. Seitdem lebt er von Sozialhilfe oder Hartz IV. Da muss er natürlich keinen Unterhalt zahlen. Aber: Die Studentin weiß nicht, wo der Vater wohnt und will es eigentlich auch nicht wissen. Und damit nimmt das Schicksal seinen Lauf…

Auf eine eidesstattliche Versicherung der Studentin, keinen Unterhalt vom Vater zu bekommen, ermittelt das BAföG-Amt und läuft dem Vater hinterher. Droht mit Zwangsgeldern, wenn er keine Unterlagen rausrückt. Nur leider ist der Vater in den letzten Jahrzehnten rund fünfzig Mal umgezogen. Und bis man weiß, wo er sich jetzt aufhält, vergeht schonmal ein Jahr. Okay, am Ende klärt sich alles und das BAföG wird für das Jahr, das die Behörde brauchte, um zu ermitteln, dass der Vater wirklich Hartz IV bezieht, nachgezahlt – sollte man denken. Falsch gedacht: Nur für die letzten drei Monate. So steht es im § 53 des BAfö-Gesetzes.

Das heißt auf Deutsch: Je länger die Behörde braucht, um zu ermitteln, ob der Vater Unterhalt zahlen könnte, um so billiger wird es am Ende. Also fragt das BAföG-Amt auch nicht direkt bei seiner Rentenversicherung bzw. seiner Krankenkasse an, ob er irgendwo sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, sondern schreibt nacheinander alle 50 Einwohnermeldeämter an… So kann man sich ein Jahr beschäftigen und so wird es am Ende billiger.

Da würde ich doch klagen! Ja, das dachte sie sich auch. Und hat verloren. Nicht nur den Prozess, sondern auch noch die Anwalts- und Gerichtskosten, denn BAföG ist zwar ein Sozialgesetz, wird aber vor dem Verwaltungsgericht verhandelt. Und ein Verwaltungsgerichtsverfahren kostet (im Gegensatz zum Sozialgerichtsverfahren). Warum? Weil sich das BAföG-Amt einfach ein Jahr lang mit dem Fall tatsächlich beschäftigt hat. Zugegebenermaßen unsinnig, aber nach Ansicht des Gerichts in bester Absicht. Sie waren nicht untätig. Somit ist es rechtens, dass der Studentin 9 Monate ihres BAföGs nicht gezahlt werden. Nach Ansicht des Gerichts muss nicht die Allgemeinheit dafür haften, wenn der Vater so oft umzieht. Weitere Rechtsmittel sind nicht zugelassen.

Hätte mir auch passieren können. Ich ziehe solche Sch… ja auch immer magisch an. Mal sehen, was aus dem Semesterticket wird…

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