Wer was sagen will, muss aufstehen

Ich will mich hier ja nicht zur Moralapostola aufspielen, möchte aber dennoch erwähnen, dass es in meiner Umwelt einige Menschen gibt, die extrem schlechtes Benehmen haben, das vermutlich noch nicht einmal merken – und sich dabei auch noch cool vorkommen. Ich bin wirklich erschrocken.

Die Rede ist von meinem Sportverein, über den ich ja schon ein paar Mal geschrieben habe. Dass sich dort einige Chaoten tummeln, die mit intrigantem Verhalten und Mobbing auf sich andere aufmerksam machen, hatte ich ja schon mehrmals erwähnt. Die gestrige Mitgliederversammlung schoss jedoch mal wieder den Vogel ab. Das ging so weit, dass wir uns mit unserer Triathlongruppe inzwischen ernsthaft überlegen, eine andere Bleibe zu suchen.

Dazu muss, weil etliche Cheeseburger Hamburger mitlesen und falsche Schlüsse ziehen könnten, erwähnt werden, dass es nicht um den Verein geht, über den die meisten von uns ihre Sport- und Startlizenzen haben, sondern um den, der unsere Trainingsmöglichkeiten stellt.

Weil gerade Paratriathlon sehr teuer ist, sind unsere Trainingsmöglichkeiten bei einem großen Hamburger Verein angesiedelt, der eine Triathlonabteilung hat und diese quasi um ein paar Rollifahrer vergrößert hat. Dieser Verein möchte aber aus Kosten- und Strukturgründen nicht in den Behindertensportverbänden und -fachverbänden für eine handvoll Sportler teuer Mitglied werden.

Unsere Sport- und Startlizenzen haben wir daher im Rahmen einer Kooperation über einen anderen Sportverein, der noch wesentlich größer ist als unser Trainingsverein, selbst Sport für Menschen mit Behinderungen anbietet, und in dem Zusammenhang sowieso Mitglied in den ganzen Behindertensportverbänden und -fachverbänden ist. Dieser möchte jedoch -wiederum aus Kostengründen- keine eigene Paratriathlon-Abteilung
unterhalten.

So trainieren wir bei einem Verein und starten für einen anderen. Das hat bisher immer reibungslos geklappt – nur dass in dem Trainingsverein eben einige Leute ein Rad ab haben, und zwar so extrem, wie man es sonst eigentlich nur von Rollstuhlfahrern kennt, die ihre Steckachse nicht ordentlich verriegelt haben.

Der neueste Eklat in einer Reihe skandalöser Vorgänge, ich glaube, das beschreibt es ganz richtig, war der gestrige Angriff auf den Kassierer des Vereins. Ein Typ, um die 40, verwaltet sechsstellige Summen pro Jahr im Ehrenamt, macht alle Buchungen selbst, kümmert sich um alles, einschließlich Personalverträge, Gehaltsbuchhaltung, Arbeitgeberpflichten, Steuern – hat also kein hauptamtliches Personal, auf das er zurückgreifen kann – und hat, wie ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer, der auf Verlangen einiger Stinkstiefel zusätzlich zum Bericht der Kassenprüfer ein schriftliches Gutachten abgab und gestern noch für Fragen vor Ort war, absolut korrekt gearbeitet. Alle Unterlagen standen auf dem Tisch, er hat auf alle Fragen bereitwillig geantwortet und ich habe zu keinem Zeitpunkt den Eindruck gehabt, er hätte irgendeinen Mist mit unserem Geld gemacht. Im Gegenteil, ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass er immer wieder ermahnt hat, an bestimmten
Stellen Kosten zu sparen, damit die vorhandenen Gelder gerecht verteilt
werden können…

Kurzum: Da fragt doch jemand von den etwa 130 Anwesenden, wieviel Geld er auf sein privates Girokonto überwiesen hätte. Er antwortet: Keinen Cent. Er habe keinerlei Auslagen abgerechnet, obwohl sie ihm eigentlich zugestanden hätten, denn er habe etliche Telefonate auch vom privaten Handy geführt … aber es mache sich immer schlecht, wenn ein Kassierer sich selbst Geld überweise, auch wenn es seine Richtigkeit hätte und vom Vorsitzenden freigezeichnet worden wäre.

Zweite Frage: Wieviel Geld sei bar entnommen worden? Hier kommt als Antwort eine fünfstellige Summe mit Verweis auf die an die Wand geworfenen Zahlen. Die Barsumme sei jedoch durch Rechnungen belegt. Hintergrund sei, dass bei vielen Wettkämpfen die Kampfgerichte und Ordner bar gegen Rechnung bezahlt werden müssten, gerade wenn es sich um externe Leute handele. Das ergebe sich aus den Regularien der Verbände.
Auch hätten viele Trainer ihre Auslagen bei auswärtigen Wettkämpfen (zum Beispiel Hotelkosten für das ganze Team) entweder als abzurechnender Barvorschuss oder am Tag nach dem Wettkampf im Vereinsbüro bar erhalten.

Wie dem auch sei: Es gibt für alles Belege und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich froh bin, dass derjenige das macht und man sich immer darauf verlassen kann, dass alles finanzielle sofort und unbürokratisch geregelt wird. Und vielen anderen geht es genau so. Und insofern bin ich einfach nur stinksauer, wenn die abschließende Aufforderung einzelner Idioten, seine privaten Kontoauszüge öffentlich auf den Tisch zu legen, dazu geführt hat, dass der Kassierer (nicht nur diese Forderung zurückgewiesen, sondern auch) angekündigt hat, am Ende der Saison sein Amt niederzulegen. Bravo. Verstehen kann ich ihn.

Ich muss erwähnen, dass sich etliche aufgeregt und auch ihrem Ärger vor Ort Luft gemacht haben. Aber eben nur durch Zwischenrufe, nicht durch Wortbeiträge. Der Vorstand hat auch einiges dazu gesagt. Und diejenigen, die dort den Auslöser für diese schlechte Stimmung gesetzt haben, haben sich nur unflätig auf die Bank gelümmelt, permanent gegrinst und auf Fragen immer nur mit „unser gutes Recht“, „beantworte ich nicht“ oder dummen Sprüchen rausgegeben.

Ich hasse es, vor vielen (unbekannten) Menschen zu sprechen, aber noch mehr hasse ich es, wenn ich zugucken muss, wie Menschen ungerecht behandelt werden. Und da wieder niemand sonst genug Arsch in der Hose hatte, habe ich mich dann zu Wort gemeldet und gesagt, dass ich nur positive Erfahrungen mit dem Kassierer gemacht habe und es „befremdlich finde, wenn durch rhetorische Fragen und haltlose Unterstellungen gegen Menschen, die ihre Freizeit dafür opfern, dass wir alle Sport machen können, Stunk gemacht wird. Wenn es konkrete Vorwürfe gibt, dann soll man die erheben. Aber hier wird nach vorbildlich getaner Arbeit unterschwellig der Eindruck erweckt, hier stimme etwas nicht, obwohl das Gegenteil gerade durch ein Gutachten bestätigt worden ist. Ich habe den
Eindruck, hier wollen sich einige Leute wichtig tun, und das finde ich widerlich.“

Ohne zu stottern, mich zu verhaspeln oder sonstwas. Wenigstens zum Klatschen hatten die anderen Leute genügend Mumm, tosender Beifall. Und den Spruch: „Wer was sagen will, muss aufstehen!“ zu Beginn aus der Ecke der Stimmungsmacher habe ich gekonnt überhört, ohne mich provozieren zu lassen. Daraufhin sagte der Vorsitzende: „So, zum Thema ‚Aufstehen‘: Wie Sie sehen, sitzt die Dame in einem Rollstuhl. Herr …, ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf, der ins Protokoll aufgenommen wird. Ich tue das sehr ungern, weil ich denke, wir alle verfolgen hier dieselben Ziele und müssten uns eigentlich gegenseitig unterstützen. Aber beim nächsten Ordnungsruf fliegen Sie raus. Haben Sie mich verstanden?“

Der Typ stand auf und sagte mit einem Grinsen im Gesicht: „Entschuldigung, Herr Vorsitzender, das habe ich von hier hinten nicht gesehen. In einem Sportverein kann man davon ja auch nicht unbedingt ausgehen.“ – „Sollten Sie aber. Ich ermahne Sie jetzt ein letztes Mal, sich hier angemessen zu benehmen. Außerdem ist Ihre Entschuldigung wertlos, wenn sie an mich gerichtet ist. Bei der jungen Dame sollten Sie sich entschuldigen.“

Daraufhin stand er nochmal auf, verbeugte sich mit einem Grinsen im Gesicht in meine Richtung und sagte: „Ich entschuldige mich in aller Form.“ – Woraufhin ich geantwortet habe: „Du kannst mich mal“, und prompt auch nochmal offiziell ermahnt wurde. Das war es mir aber wert. Ich habe mir jedes weitere Wort verkniffen und drei Minuten später die Veranstaltung vorzeitig verlassen. Wie gesagt, ich bin (auch!) dafür, dass wir Rollifahrer uns einen anderen Verein suchen. Auf meinen Sport möchte ich auf keinen Fall verzichten.

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