Kein Parkplatz

Ich bin von insgesamt vier meiner Leser auf ein Urteil aus Sachsen-Anhalt hingewiesen worden, mit dem ein oberschenkelamputierter Mann keinen blauen Parkausweis für Behindertenparkplätze bekommen hat. Unter anderem der Spiegel hatte in einem Artikel Beinamputierter darf Behindertenparkplätze nicht nutzen darüber berichtet, dass das Gericht zwar festgestellt hatte, dass der 71jährige Mann zum Aussteigen mit seinen Unterarmgehstützen viel Platz braucht und sich nur sehr eingeschränkt (rund 100 Meter) fortbewegen kann, ihm trotzdem aber eine Ausnahmegenehmigung für das Parken auf Behindertenplätzen versagt hatte. Als Begründung wurde zitiert, breite Behindertenparkplätze dienen lediglich dazu, die Berechtigten näher an sein Ziel zu bringen.

Normalerweise möchte ich solche Urteile gar nicht kommentieren, auch nicht, wenn ich, wie hier, mehrmals nach meiner Meinung dazu gefragt wurde. Denn Urteile werden oft falsch zitiert und den Einzelfall, der hier verhandelt wurde, kenne ich gar nicht. In diesem Fall möchte ich aber eine Ausnahme machen, und meine Gedanken dazu aufschreiben, weil ich über Frank direkten Zugang zum Urteil bekommen habe und nach dem Durchlesen das durchaus für korrekt halte. Was nämlich in dem Artikel (und in anderen) verschwiegen wird, ist, dass der Mann eine Prothese trägt und mit dieser Prothese laufen kann. Drei Gutachter, darunter namhafte Professoren, haben den Mann im Auftrag der Gerichte unabhängig begutachtet und sind zu dem Ergebnis gekommen, die Gehbehinderung sei nicht so stark, dass der Mann auf Schwerbehindertenplätzen parken müsse Inzwischen hat auch das Bundessozialgericht sich mit dem Thema beschäftigt und die Klage abgewiesen.

Es gab zwar diverse Komplikationen mit der Prothesenversorgung, aber insgesamt seien dazu noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft und ein Prothese ist nunmal kein angewachsenes Bein. Und Behindertenparkplätze sind zwar (aus gutem Grund) breit, aber alleine die Tatsache, dass er einen breiten Parkplatz braucht, reiche nicht aus, um auf Behindertenparkplätzen parken zu dürfen. Es gäbe auch die Möglichkeit, am Auto eine Schiebetür einzubauen, die Kosten dafür würde ein vorhandener Haftpflichtiger zahlen müssen.

Wenn man nun allen Menschen, die mit einer Prothese laufen, einen blauen Parkausweis gibt, müsste man auch allen anderen, die ähnlich eingeschränkt sind, das Parken auf den Schwerbehindertenplätzen gestatten. Dann bräuchte man aber wiederum viel mehr dieser Plätze, was schwierig wird. Also hat man die Messlatte besonders hoch gehängt. Parken dürfen auf diesen Plätzen ausschließlich Menschen, die querschnittgelähmt sind, Menschen die beidseitig oberschenkelamputiert sind, und Menschen, die ähnlich schwer eingeschränkt sind, so dass sie eigentlich nur mit einem Rollstuhl mobil sind. Da gehört dieser Mann nunmal einfach nicht rein. Dass diese Gesamtsituation nicht befriedigen ist, wenn die Messlatte so hoch liegt, weil es genügend Leute gibt, di trotzdem nicht weit laufen können, unterschreibe ich sofort. Aber daru ging es hier nicht, das haben nicht die Richter zu verantworten, die bestehende Gesetze anwenden müssen.

Und auch aus der Tatsache, dass viele Menschen herumlaufen (im wahrsten Sinne des Wortes), die so einen Ausweis bekommen haben, obwohl sie noch einen halben Kilometer durch die Gegend rennen können, kann ma lediglich ableiten, wie hoch hier der „Missbrauch“ ist und wie wenig das kontrolliert wird, denn so vorgesehen ist das eben nicht. Und ich kenne auch genügend Leute aus meinem Sportverein, die mit zwei Dreipunktstützen oder einem Rollator ein paar Schritte wackelig gehen können und genau aus diesem Grund den blauen Parkausweis eben nicht bekommen. Wollte man das ändern, müsste man an anderer Stelle gemeinsam kämpfen und nicht einzeln vor Gericht.

Der Mann hat allerdings einen orangenen Parkausweis, mit dem er alle Rechte, die er mit dem blauen Parkausweis bekommen hätte, nutzen kann – bis auf das Parken auf den Behindertenparkplätzen. Er kann damit also beispielsweise auf allen Anwohnerparkplätzen, im eingeschränkten Halteverbot, in Ladezonen, an Parkscheinautomaten ohne Gebühr etc. parken.

Von daher habe ich zwar durchaus starkes Mitgefühl für diesen Mann und würde ihm auch wünschen, dass er, wenn schon die Amputation sein musste, wenigstens gut und ohne Schmerzen mit seiner Prothese zurecht kommt, aber einen Aufreger sehe ich hier nicht. Er persönlich hat sich mit Sicherheit einige Hoffnungen gemacht, aber wenn er ehrlich ist, wir er sein Gehvermögen nicht mit dem eines querschnittgelähmten oder beidseitig oberschenkelamputierten Menschen vergleichen wollen. Und so sind die Gesetze nunmal. Ich hätte in den sieben Jahren, in denen er durch die Instanzen geritten ist, andere, schönere Schwerpunkte in meinem Leben gesetzt und versucht, die beste Prothese und die beste Gehschulung zu bekommen – statt so einen blöden Parkausweis.

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