Doof bleibt doof

So einfach geht das nicht. Nachdem ich mein letztes Auto am Ende storniert habe, weil man irgendwann gar keinen Liefertermin mehr nennen konnte, war ich beim aktuell bestellten Golf noch zuversichtlich. Er sollte in der 3. Kalenderwoche 2014 vom Band gehen, je nach Auftragslage
in der After-Sales-Werkstatt könnten noch ein bis zwei Wochen für die Umrüstung dazu kommen. Wie mir das Autohaus gestern mitteilte, rechnet man nunmehr mit einer Fertigung in der 8. Kalenderwoche und einer Auslieferung in der 10. oder 11. Die Verzögerung möchte ich doch bitte entschuldigen.

Wenn sie sich denn dafür besondere Mühe geben…

Ganz andere Sorgen hat ein Mitbewohner meiner WG. Er wurde nach einer
Rückenmarksentzündung im Alter von 19 Jahren in Rente geschickt und bekam eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend zugesprochen. Da er in der Zeit in der Ausbildung war und man damals bestimmte Vorversicherungszeiten und anderes Gedöns, was man brauchte, zumindest teilweise auch durch Schulzeiten erfüllen konnte, war das möglich. Und auch wurde nicht das Ausbildungsgehalt zugrunde gelegt, sondern in diesem Fall das, was er in seinem Job bekommen hätte, wäre die Behinderung erst nach der Ausbildung eingetreten. Auf diesem Weg erhält er brutto pro Monat knapp unter 800 Euro Rente von der Rentenversicherung Bund, nicht besonders viel Geld zum Leben, aber viel Geld für eine solche Rente.

Auch die Mietkosten in der WG halten sich in Grenzen, so dass er seine monatlichen Lebenshaltungskosten komplett aus der Rente bestreiten
kann. Arbeiten ist für ihn sehr schwierig, da er Arme und Beine nicht bewegen kann und er nie einen Beruf gelernt hat. Er wollte, wurde aber fast acht Jahre in Rehaverfahren geparkt, bis man dann sagte: Hat keinen
Sinn. Volle Rente, und gleich bis 65 durchbewilligt.

Er liegt nun mit dem, was er mit der Rente selbst aufbringen kann, genau 11 Euro unter der Grenze für die Grundsicherung, die ihm ergänzend
zustehen würde. Das bedeutet: Er kann monatlich 11 Euro vom Staat bekommen. Allerdings, und hier wird es lustig, sollte er die 11 Euro irgendwo selbst verdienen, würde er 89 Euro vom Staat dazu bekommen. Nämlich Wohngeld. Das bekommt er jetzt nicht, weil er ja einen Anspruch auf Grundsicherung hätte. Kurzum: Jeden Monat schenkt ihm irgendwer aus der WG 11 Euro und lässt sich von ihm einmal ins Kino einladen. Damit hat er genau 100 Euro monatlich mehr in der Geldbörse – was insbesondere
für jemanden, dem monatlich unter 1.000 Euro zur Verfügung stehen, viel
Geld ist.

Allerdings gibt es diese 100 Euro mehr nur so lange, wie er nicht zur
Abendschule geht oder ein Studium aufnimmt. Dann würde auch die Rente wegfallen. Und damit die Grundsicherung. Denn dann könnte er ja arbeiten
und würde als Erwerbsloser 200 Euro weniger bekommen als jetzt mit Rente und Wohngeld. Müsste aber, wenn dieser Versuch scheitert, wieder eine neue Rente beantragen. Und würde die nicht mehr in der Höhe bekommen, da inzwischen ein anderes Rentenrecht gilt. Zusammengefasst: Lohnt sich nicht. Entsprechend klebt an seiner Zimmertür ein Schild: „Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen, selbst Vater Staat versagt.“

Ja, er könnte kämpfen. Und sicher findet sich für ihn auch eine Lösung. Irgendeine gibt es. Vielleicht. Aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist, dass es nicht einfach geht. Dass es kompliziert ist. Und zwar so kompliziert, dass betroffene Menschen aufgeben, das Beste für sich zu wollen. Auf Kosten der anderen. Und das Schlimme ist: Man kann ihnen nicht mal einen Vorwurf machen. Denn in seiner Situation würde ich
vielleicht genauso handeln.

Es gibt viel zu tun.

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