Goldene Sterne und Liebesbasar

Wir sind zurück. Meine Haut ist etwas brauner, das Trainingslager ist vorbei, ich habe ein großes Schlafdefizit, hatte mir eine saubere und kühle Dusche am gestrigen Nachmittag selten sehnlicher gewünscht und
Deutschland ist Weltmeister. Hurra. Der vierte goldene Stern ist da.

Ich muss gestehen: Ich habe das Fußballspiel nicht mal von Anfang an gesehen. Das lag aber eher daran, dass es zu lange dauerte, bis wir uns nach der Rückfahrt nach Hamburg voneinander trennen konnten. Kurz nachdem ich einschaltete, fiel dann auch endlich ein Tor…

Ich machte mir nichts aus Fußball. Okay, wir dürfen uns Weltmeister nennen. Ich akzeptiere, dass viele Leute das toll finden. Ich akzeptiere
auch den Hype, der darum entsteht. Aber mich selbst kratzt das alles nicht sonderlich. Mir geht es im Fußball viel zu sehr ums Geld und viel zu wenig um den Sport.

Der letzte Tag im Trainingslager war ebenfalls toll. Meinetwegen hätte das noch mehrere Tage so weitergehen dürfen, aber irgendwann muss auch die schönste Trainingsfreizeit mal vorbei sein. Besser hätte es, und da waren sich am Ende alle einig, in der Halle auch nicht sein können. Wie ich inzwischen erfahren habe, sind am letzten Wochenende viele Leute in der Ostsee ertrunken. Wir gehörten nicht dazu, wenngleich
auch in unserer Nähe zwei Leute gestorben sind. Allerdings kamen hier Kreislaufprobleme dazu. Leichtsinn gab es eher in der Lübecker Bucht und
in Mecklenburg-Vorpommern, wo wohl auch über das ganze Wochenende hinweg ein Badeverbot bestand (rote Fahnen). Das war bei uns nicht der Fall.

Und eine eher sonderbare Begegnung hatte ich noch heute kurz nach dem
Mittagessen. Ein Teilnehmer, Rollstuhlfahrer, erst relativ kurz dabei, um die 20 Jahre alt, sprach mich an, als ich vom Klo wiederkam. Er hatte
den Moment abgepasst und fragte, ob er mich mal was fragen dürfe. Super
schüchtern erzählte er mir, dass er noch nie eine Freundin hatte und in
diesem Moment bestimmt alles falsch mache, was man irgendwie falsch machen könnte. Aber er habe fast alle Leute aus der Gruppe gefragt (außer Cathleen und Marie, weil er wüsste, dass ich mit denen eng befreundet sei), und alle hätten ihm gesagt: „Du findest es nur raus, wenn du fragst.“

Ich ahnte, was kommen würde, aber ich wusste auch, dass er so gar nicht mein Typ ist. Ich will überhaupt nichts negatives suchen, finden oder schreiben. Er ist einfach nicht mein Typ. Die Chemie stimmt nicht. Kein Kribbeln im Bauch. Und bevor er sich mit bereits knallrotem Gesicht
noch länger quält, habe ich ihm geantwortet: „Du machst alles richtig. Ich fühle mich auch sehr geschmeichelt über das, was du mir sagen möchtest. Und ich habe Respekt vor deinem Mut, ich weiß nicht, ob ich mich trauen würde, jemanden so offen anzusprechen. Aber …“, ließ ich einen Satz unvollständig im Raum stehen.

„Brauchst nicht weiter reden. Sagst du mir, woran es liegt? An meiner
Behinderung?“ – „Quatsch. Ich möchte mein Herz entscheiden lassen, ob es jemanden toll findet. Und mein Herz macht bei dir einfach keine Sprünge.“ – „Und meinst du, es gibt Chancen, dass es nochmal springt?“ –
Ich schüttelte den Kopf. „Sorry.“

„Und kuscheln?“ – „Oah, Junge. Bis eben war noch alles gut. Aber jetzt fühle ich mich gerade ein wenig wie auf einem Liebesbasar. Liebe und Zuneigung sind doch keine Verhandlungssachen.“ – „Och, manchmal schon.“ – „Wie meinst du denn das?“ – „Naja, manche Leute verhandeln ja auch über Liebe.“ – „Ich würde sagen, die verhandeln über Sex, aber du willst mir jetzt nicht etwa Geld anbieten, oder?“ – „Würdest du denn welches annehmen?“ – „Das ist jetzt nicht dein Ernst.“ – „Nein, ist es auch nicht. Och Mensch, ich hatte so toll angefangen. Ich bin einfach verknallt in dich.“ – „Das ist sehr charmant, ich kann auch nachempfinden, wie du dich fühlst. Aber ich kann dir da leider nichts anderes sagen.“ – „Darf ich dich einmal umarmen?“ – „Nein, bitte nicht.“
– „Menno. Krieg ich ein Foto von dir?“ – „Versuch einfach, mit einem ‚Nein‘ umzugehen, okay?“

Ich hätte es für mich behalten, wenn er nicht hinterher, bei der Abschlussrunde, noch breit in die Runde posaunt hätte, dass ich ihn abblitzen lassen hätte. „Jule ist voll die eingebildete Kuh, die heftigste Ansprüche an ihren Partner stellt. Am Ende ist sie doch lesbisch“, meinte er. Ich antwortete: „Das musste jetzt noch sein?“ – „Siehste, doch lesbisch. Habt ihr schön fickificki gemacht bei euch im Zelt?“ – Woraufhin Cathleen seinen Kopf in ihren Arm nahm und sagte: „Hey, du wirst eine Freundin finden. Aber Jule ist halt nicht die richtige für dich. Wenn du sie fragst, musst du ihre ehrliche Antwort auch akzeptieren.“ – „Ach, lass dein pädagogisches Gehabe sein! Die anderen haben mir doch geraten, sie zu fragen. Ihr könnt mich alle mal.“
– Seufz.

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