Handtuch und Kamera

Ich stehe mit einer Frau, mit der ich locker befreundet bin und die
ich vom Sport kenne, im Aufzug. Sie ist in meinem Alter. Einmal war ich
bei ihr zu Hause, ich glaube zu ihrem 20. Geburtstag. Auch die Eltern kenne ich. Die Frau hat noch keinen Führerschein, die Eltern fahren sie häufig zum Sport oder holen sie ab. Alle sind immer sehr nett und freundlich. Wir reden oft miteinander.

Ob es während der Geburtstagsfeier war oder später einmal, weiß ich nicht mehr genau. Ich habe aus ihrem Bad ein Handtuch mitgehen lassen. Aus der gleichen Serie, die ich auch bei mir zu Hause habe. Und weil die
Familie im Bad eine Überwachungskamera installiert hat, wusste man, was
ich getan hatte. Neben Nasepopeln und Tamponwechsel hatte ich auch noch
ein nasses Handtuch in meinem Rucksack verschwinden lassen.

Alles Leugnen würde keinen Zweck haben. Die Frau starrt mich mit unendlich enttäuschtem, distanzierten Blick an, und fragt mich immer wieder nach dem Warum. Ich gebe keine Antwort. Die Eltern haben sich längst von mir abgewandt. Ich verstehe selbst nicht, warum ich das getan
habe, bin sehr nervös, weiß keine Antwort auf die Frage, die unausgesprochen zwischen uns in der Aufzugskabine steht. Wir fahren zusammen Aufzug und ich traue mich nicht, zu erwähnen, dass eine Kamera auf dem Klo doch wohl eine große Frechheit ist.

Die Freundin rüttelt an mir, immer fester. Oder war es doch nicht die
Freundin? Nein. Ich muss wohl ziemlich gekämpft haben. Schweißgebadet wache ich auf. Wie immer nach einem Alptraum ist der komplette Blaseninhalt im Bett verteilt. Marie hat die Nachttischlampe angeknipst,
streicht mir durch das Gesicht. „Du hast geträumt, alles ist gut. Die Monster, Zombis, Verbrecher oder wer auch immer sind weg.“

Eigentlich war das jetzt nicht sonderlich dramatisch, aber ich war so
orientierungslos und überfordert, dass ich zu heulen anfing. Ich wollte
das gar nicht, aber ich hatte das nicht unter Kontrolle. Marie drückte mich fest zu sich ran. Ich sagte: „Ich habe völligen Schwachsinn geträumt!“ – „Ist vorbei jetzt, Süße, ich hab dich lieb. Mach dir keine Sorgen, der Schreck ist gleich vorrüber.“ – „Boa, und es ist alles nass hier, war ich das? Scheiße, das tut mir echt leid.“ – „Macht nichts, ich
wisch das gleich trocken und bezieh das neu. Willst du schonmal duschen?“

Als ich aus der Dusche kam, hatte Marie das Bett bereits neu bezogen.
„Leg dich schonmal hin, ich komm gleich. Aber nicht wieder so einen Mist träumen!“ – Ich zog mir erstmal eine Pampers an. Wochenlang ging das ohne gut, aber irgendwann musste das ja mal wieder passieren. Als Marie aus der Dusche kam, krabbelte sie auf meiner Seite ins Bett unter meine Decke. „Ich kraul dich jetzt noch ein paar Minuten in den Schlaf. Das hilft, damit du nicht wieder solchen Mist träumst.“

Soooo lieb.

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