Bahnstreik und Rutsche

Da haben wir schonmal eine Bahncard 100, dann wird gestreikt. Ja, ich weiß, man kann Anträge auf Erstattungen stellen, aber das bringt uns
heute auch nicht nach Hamburg. Und mit dem Auto? Angesichts dessen, dass wir bestimmt nicht die einzigen sein würden, die auf diese Idee kommen, wären wir vermutlich deutlich länger unterwegs als sonst. Also entschieden wir uns, ausnahmsweise auch am Wochenende an unserem Studienort zu bleiben und gemeinsam etwas zu unternehmen.

Es dauerte etwas mehr als eine Stunde Autofahrt, wobei das eher an den vollen Straßen als an der weiten Entfernung lag, bis wir in einem Thermen-Urlaubs-Oasen-Paradies ankamen. Wir hatten uns spontan mit zwei Kommilitoninnen verabredet, einen gemeinsamen Tag in einer solchen Einrichtung zu verbringen. Weil Menschen mit Behinderung dort zwar voll zahlen müssen, die Begleitpersonen aber freien Eintritt erhalten, waren wir trotz Wochenend-Aufschlag in einem akzeptablen Rahmen.

Die Saunenlandschaft haben wir von vornherein völlig ausgeklammert, dafür hätten wir einen zweiten Tag gebraucht. Am besten gefielen Marie und mir natürlich die Thermalbecken, die man nach 20 Minuten wieder verlassen musste, um dem Kreislauf noch eine Chance zu geben, sich nicht
völlig zu verabschieden. Heiß wie eine Badewanne – herrlich.

Und wann bin ich zum letzten Mal gerutscht? Was für eine Mordsgaudi! „Sind Sie körperlich fit genug für diese Rutsche?“, wollte der Aufsichtsmensch wissen, als ich mich vom Rollstuhl in den Startbereich rübersetzen wollte. Mit dem Aufzug kam man bis an den Einstieg heran, lediglich unten brauchte ich Hilfe, denn der Rollstuhl muss ja irgendwie
wieder nach unten kommen. Aber dafür hatte meine Begleitperson ja freien Eintritt bekommen. Und sie löste die Aufgabe ganz anders und recht charmant, wie ich fand: „Ich nehm dich auf den Rücken und wir rutschen gleich noch einmal.“

Die Leute guckten zwar etwas doof, warum da zwei Frauen huckepack im Aufzug befördert wurden, aber da mich hier niemand kannte, war mir das egal. Wichtig war mir lediglich, dass ich mit dem Kopf voraus rutschen konnte. Beine voraus ist, wenn man die Muskeln in den Beinen nicht anspannen kann, nicht empfehlenswert. Gerade auf steilen Rutschen nicht.
Das sagte mir aber der gesunde Menschenverstand bevor es zu größeren Katastrophen kam. Beim 20. Mal habe ich aufgehört zu zählen. Nach dem gefühlten 30. Mal wäre ich zwar gerne noch 30 Mal gerutscht, aber meine Kondition verließ mich. Hört sich doof an, wenn man getragen wird, mit dem Aufzug fährt und eigentlich nur rutschen muss. Aber vor allem das Wegtauchen am Ende der Rutsche, mit wenig Rumpfmuskulatur, ohne den Einsatz der Beine, möglichst ohne sich dabei die Haut abzuschürfen, ist schon eine Herausforderung. Aber es hat immer auf Anhieb geklappt. Und das war mit Sicherheit nicht mein letzter Besuch in der Therme.

Auch Marie und vor allem den beiden Kommilitoninnen hat es gefallen. „Wir hätten nicht gedacht, dass wir mit euch beiden so viel Spaß haben werden“, sagte die eine. Wenigstens ist sie da ehrlich und gesteht laut ihr Vorurteil ein – warum sollte sie mit uns keinen oder nur wenig Spaß haben? Selbst wenn es so gewesen wäre, dass wir nicht rutschen, sondern uns 12 Stunden lang im Thermalbecken auf die Sprudelliege fläzen wollten, hätte das doch niemanden davon abhalten müssen, selbst zu rutschen. Oder vier Kilometer im Sportbecken zurückzulegen. Aber sie dachte ganz anders: „Ich habe damit gerechnet, dass wir euch im Wasser die ganze Zeit irgendwie festhalten müssen. Ich weiß auch nicht warum, im Nachhinein finde ich die Gedanken voll doof, aber ich hatte früher mal probiert, ohne Beinschlag zu schwimmen. Im ruhigen Wasser mag das noch gerade so gehen, aber spätestens bei der ersten Welle säuft man doch ab! Dachte ich.“ – „Umso schöner fand ich es, dass ihr trotzdem mitgekommen seid“, sagte Marie.

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