Ich hasse es. Shopping. Ich weiß, dass es völlig untypisch ist. Für
eine junge Frau. Aus einer Großstadt. Aber ich hasse es inzwischen so sehr, dass ich mich regelrecht davor drücke und fast jedes Mal einen Föhn kriege, der stärker bläst als alle fest installierten Haartrockner meines Lieblingsschwimmbades zusammen. Und wenn es ganz hart kommt, kann
ich sogar vor lauter Verzweiflung mindestens doppelt so laut schreien als all diese Schwimmbadföhnis zusammen in allerhöchster Stufe lärmen.
Ich meine damit nicht jenes Shoppen, bei dem man ziellos und möglichst abseits der Haupt-Einkaufszeiten durch ein paar nette Läden bummelt. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass demnächst mal wieder eine Jeans nachgekauft werden müsste. Oder mit dem plötzlichen Blick auf ein hübsches Oberteil, das gerade gut ins Budget passt.
Sondern ich meine jenes Shoppen, bei dem man gezielt verschiedene Dinge kaufen möchte. Ich kenne genügend Leute, die das bewusst nicht „shoppen“ nennen. Eben weil „shoppen“ entspannend und nett sein soll. Und mein letzter Mittwoch, den ich mir dafür freigehalten hatte, endlich
mal alles das zu erledigen, was schon so lange liegen geblieben ist, war ganz sich nicht nett und schon gar nicht entspannend.
Für die Küche in unserer neuen Wohnung fehlt uns seit jeher eine Abschlussplatte. Diese war nicht lieferbar. Inzwischen wurden wir benachrichtigt, dass wir das Ding abholen können. Falls wir es nicht geliefert bekommen wollen. Ich entschied mich für das Abholen und konnte
bei der Gelegenheit gleich in einem großen Möbelhaus nebenan auch noch für eine Freundin ohne Auto einen Minitisch herausholen, den sie unbedingt haben, aber nicht in der S-Bahn transportieren wollte.
Ich fasse mich kurz: Die Abschlussplatte war in der falschen Farbe. Draußen auf dem Paket war zwar die richtige Farbe vermerkt, drinnen war aber ganz was anderes. Zum Glück habe ich es vor Ort durch den Mitarbeiter öffnen lassen, denn der Karton hing schon halb in Fetzen. Beschädigt war sie zwar nicht, aber eben in der völlig falschen Farbe. Also nochmal warten.
Um den Tisch für die Freundin zu bekommen, rollte ich in ein SB-Lager
und bat einen der herumlaufenden Mitarbeiter, ob er mir das Ding aus dem Regal holen könne. „Augenblick, ich habe gerade Kundschaft“, sagte er und wurde nicht mehr gesehen. Ich sprach zwei Kunden an, die zufällig
vorbei liefen, einer verstand mich nicht, der andere hatte es im Kreuz.
Was nicht üblich ist, die meisten Menschen sind sehr hilfsbereit. Aber es war der Wurm drin und ich zog los, den Mitarbeiter zu suchen. Ich traf einen anderen, der mir dann erzählte, dass sein Kollege gerade zur Pause gegangen ist. Aber er wollte mir helfen. Auf dem Weg zum Regalplatz sagte er mir dann: „Normalerweise ist es nicht üblich, dass wir die Sachen aus dem Regal holen. Gerade älteren Leuten und Behinderten sagen wir immer, sie sollen sich eine Begleitperson mitbringen, wenn sie nicht alleine einkaufen können.“
Ich dachte mir meinen Teil, während der Mann fortfuhr: „Wir sind eigentlich dazu da, um die Regale aufzufüllen. Hin und wieder kann ich das mal machen, aber wenn wir ständig helfen müssen, kommen wir ja nicht
mehr zu unserer eigentlichen Arbeit.“ – Ohne ein Wort zu sagen, fuhr ich vor dem Mann her und lotste ihn zum Lagerplatz. „Einen von den weißen hätte ich gerne“, sagte ich. Er drückte mir das Paket in die Hand. „Sonst noch was?“, fragte er.
„Nein“, sagte ich. „Und ich bitte noch vielmals um Entschuldigung, dass ich Sie als Kundin so sehr bei Ihrer Arbeit gestört habe.“ – „Ist schon in Ordnung“, sagte er doch tatsächlich. Hopfen und Malz, wie konntet ihr nur verloren gehen?!
Dritter Punkt auf der Liste: Einen Bildschirm für meinen Computer. Der alte hatte nach Jahren endgültig seinen Geist aufgegeben und ich mag
es nicht, Arbeiten für die Uni auf dem Laptop zu schreiben. Eigentlich hatte ich mir nach den letzten Erlebnissen geschworen, Elektronik-Kaufhäuser zu meiden, aber es gab ein auch im Internetversand
nicht schlagbares Angebot. Die erste Filiale hatte die Dinger im Sortiment, allerdings zu einem anderen (teureren) Preis. Nach zwanzig Minuten hatte der Verkäufer Zeit für mich: „Entschuldigung, der ist für 149 Euro in der Zeitung, hier soll er 219 Euro kosten. Welcher Preis stimmt?“ – „Immer der, der am Gerät steht.“ – „Wo haben Sie denn die Geräte aus dem Angebot?“ – Er schnappte sich die Beilage, auf die ich mich bezog, und blätterte mit theatralischer Minik, tippte dann auf einen klein gedruckten Satz: „Angebote gültig nur in teilnehmenden Filialen.“
„Und Sie nehmen jetzt nicht teil?“, fragte ich. Ich bekam die schnippische Antwort: „Nein. Wie Sie am Preisetikett erkennen.“ – „Können Sie mir denn sagen, welche Filiale teilnimmt?“ – „Unsere nicht.“
– „Ja. Das erkennt man ja bereits am Preisetikett. Schönen Tag noch.“
Die nächste Filiale nahm zwar teil, hatte aber anscheinend den Artikel nicht vor Ort. Auf Nachfrage sagte die Verkäuferin: „Die Kunden wünschen eher andere Artikel.“ – „Das stimmt ja nicht ganz. Als Kundin wünsche ich genau diesen Artikel.“ – „Ja, aber Sie sind die Erste heute.
Ich hätte da noch ein anderes Gerät, ist nur dreißig Euro teurer, hat aber…“ – „Vielen Dank. Tschüss.“ – Und die übernächste Filiale? Nahm auch nicht teil. „Aber wir können das für Sie bestellen. Dann wäre es morgen hier. Kostet dann allerdings fünfzehn Euro mehr. Wegen der Bestellung.“ – Ich habe gar nicht weiter nachgefragt und bin ohne ein Wort nach draußen. Ende vom Lied: Socke hat die Schnauze voll. Viel Aufwand, Problem noch immer nicht gelöst.
Wieder zu Hause versuche ich es online. Der erste Händler hat das Gerät auf Lager. Als Liefertermin wird mir aber ein Datum in zehn Tagen genannt. Der zweite Händler – Bingo. Bestellt, bezahlt; mal sehen, ob das klappt mit der Lieferung in zwei bis drei Werktagen. Übrigens nun doch zum gleichen Preis.
Liefern ist ja sowieso besser. Oder? Vor vier Wochen habe ich in einem Online-Tonersupermarkt Druckerzubehör gekauft und bezahlt. Mit Online-Tracking: „Empfänger unter angegebener Anschrift nicht ermittelbar.“ – Häh? Ich rufe dort an, bekomme von der Hotline den Tipp,
ein Namensschild an den Briefkasten zu kleben. Danke für das Gespräch. Am nächsten Tag: „Nicht angetroffen, benachrichtigt.“ – Es war aber die ganze Zeit jemand zu Hause. Und eine Benachrichtigung habe ich nicht erhalten. Einen Tag später dasselbe Problem. Erneuter Anruf bei der Hotline: Ich würde vom Subunternehmer einen Rückruf bekommen. Der natürlich nicht kommt. Ich nehme Kontakt mit dem Absender auf und bekomme die Antwort per Mail: „Sie können die Ware noch bis morgen, 15.30 Uhr, im Depot abholen, bevor sie zu uns zurückgeschickt wird.“ – Nur dass das Depot 34 Kilometer entfernt liegt und ich die Anlieferung bezahlt habe. Die nächste Mail: „Eine Erstattung des Kaufpreises ist nicht möglich. Aus Kulanz würden wir Ihnen eine Gutschrift abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von pauschal 12,50 € in Ihr Kundenkonto buchen.“ – Lieber Anwalt, meine Rechtsschutzversicherung kennst du inzwischen, hol mir mal bitte mein Geld wieder. Danke.
Ein Einzelfall ist das nicht. Hätte ich gewusst, dass dieser Versandhändler mit diesem Paketdienst sendet, hätte ich dort gar nicht erst bestellt. Auf deren Internetseite war ein anderer Paketdienst angegeben, offenbar war diese Information aber veraltet. Denn jenes Unternehmen, das es drei Mal nicht geschafft hat, den Karton bei mir abzugeben (ich bezweifel ja sogar, dass der Fahrer überhaupt hier durch die Straße gefahren ist), hatte die letzten beiden Zustellungen von Marie schon versaut. Ein Karton stand draußen im Regen auf den Mülltonnen – Inhalt durchweicht und damit unbrauchbar. Ein Karton wurde vor der Haustür abgestellt, obwohl jemand zu Hause war. Auf dem Ablieferungsbeleg war irgendeine unleserliche Unterschrift, vermutlich vom Fahrer selbst. Und die dazugehörige Hotline? Nimmt die Beschwerden auf und leitet sie weiter. Vermutlich in den Papierkorb.
Vor einigen Wochen habe ich Sportbekleidung bestellt. Gleich für mehrere Leute. Nach einer Woche frage ich nach, wann ich eine Bestellbestätigung bekomme, wann die Ware kommt – immerhin wurde meine Kreditkarte bereits belastet. „Ja, das ist ja eine Auswahlbestellung, da
liefern wir höchstens drei Artikel pro Kategorie. Sie müssten sich bitte enger entscheiden.“ – „Das ist eine Gruppenbestellung für mehrere Leute.“ – „Achso. Ja, aber wir haben die Artikel nicht vorrätig. Und wann sie kommen, kann ich auch nicht sagen.“ – „Da stand doch, dass die Artikel lagern!“ – „Ja, das war vor einer Woche.“ – Also schriftlich den
ganzen Kram widerrufen und, nachdem vier Wochen später die Gutschrift auf der Kreditkartenabrechnung fehlte, meine Bank gebeten, das Geld, immerhin fast fünfhundert Euro, zurückzuholen. Was dann auch innerhalb von vier Tagen geklappt hat. Ein Wald- und Wiesengeschäft oder ein dubioser Händler mit Briefkasten im Ausland? Nein, ein rennomiertes deutsches Sportkaufhaus mit rund 150 Mitarbeitern.
Marie wartet schon seit einer Woche auf ein Ersatzteil für ihren Rollstuhl. Zum Glück hat sie noch einen alten, den die Krankenkasse nicht zurück haben wollte, sonst wäre sie aufgeschmissen. Weil das Sanitätshaus vor Ostern keine Zeit mehr hat, kommt das Ersatzteil mit einem Paketdienst. Zum selbst montieren. Nein, nicht mit dem komischen Paketdienst. Aber der andere schafft es auch nicht, innerhalb einer Woche zu liefern, denn es wird gestreikt. Was ja passieren kann. Was aber nicht geht, ist, dass das Sanitätshaus innerhalb einer Woche keinen
Reparaturtermin findet. Wäre Marie berufstätig und hätte sie nicht privat einen eigentlich zu verschrottenden Stuhl aufgehoben, würde sie jetzt über eine Woche krankgeschrieben. Weil das benötigte Hilfsmittel nicht zur Verfügung steht.
Und sonst? Sonst haben wir vor fünf Wochen einen Festnetzanschluss bestellt. Leider ist ein Schalttermin noch nicht in Aussicht. Der Grund:
Es sind keine Rufnummern frei. Beim Portieren derselben sei der Telefongesellschaft aufgefallen, dass sie erst irgendwelche Rufnummern nachbestellen müssen. Und das dauert angeblich. Vermutlich ist das großer Unsinn, aber nachprüfen kann ich es nicht. Immerhin kam die für den Anschluss benötigte Hardware bereits – ohne Probleme am Tag nach der
Bestellung. Mit jenem Lieferanten, der im Moment gerade streikt. Hin und wieder funktioniert dort also auch mal was. Bringt aber nichts, wenn
der Rest nicht klappt.
Zusammengefasst komme ich mir manchmal vor, als wären Handel und Dienstleistung in manchen, offenbar einigen, Bereichen nicht mehr darauf
ausgerichtet, ihre Kunden zufrieden zu stellen, sondern die Kunden müssen darum betteln, bedient zu werden. Umsatzausfälle sind kompensierbar, aufgrund von Monopolstellungen oder ausgereiztem Wettbewerb braucht man sich keine Mühe zu geben. Dafür werden über Ostern unter Garantie aber jede Menge Notfallpatienten zu Maries Mutter kommen, während wir alle uns ein paar Tage entspannen wollen. Mit eingewachsenen Zehennägeln, entzündeten Haarwurzeln oder seit Wochen bestehenden Rückenschmerzen. Das alles kann dann keinen Moment länger warten und darf nach Möglichkeit nichts kosten.
Jetzt fehlt mir eigentlich nur noch jemand, der mir erklärt, dass ich
die einzige bin, die haufenweise solche Erfahrungen macht. Oder dass ich verbittert bin. Bin ich nicht. Aber tierisch genervt. Urlaubsreif. Und vor allem sonnenhungrig. Aber das ist noch ein ganz anderes Thema…