Eine besondere Nacht

Es ist alles irgendwie anders. Bei mir, bei ihm, bei uns. Mit uns. Ich wünsche mir eine liebevolle Partnerschaft, ich möchte Sex … achso, sorry, zusammen mit dem Stichwort sollte ich davor warnen, dass dieser Beitrag vielleicht für den einen oder die andere zu viele Informationen enthalten könnte … also Sex, möglichst sofort und so oft und so lange bis das Defizit der letzten Jahre ausgeglichen ist; aber gleichzeitig geht es mir wie vielen Frauen: Ich freue mich über jeden Tag, an dem mir Philipp zeigt, dass es ihm, obwohl er anfänglich gar nichts von mir wollte, zunächst um alles geht und nicht nur um das Eine. Ich fühle eine liebevolle Partnerschaft, aber ich vermisse gleichzeitig den Sex. Paradox und unlogisch irgendwie. Und anders. Anders, weil ich von vielen
Freundinnen gehört habe, dass sie doch spätestens nach 48 Stunden im Bett gelandet sind. Weil das Eine ja dann doch nicht ausschließt, dass es nebenbei um Alles geht. Das Eine gehört ja schließlich zum „Alles“. Kommt noch jemand mit?

Kompliziert mache ich es nicht. Ich denke und analysiere nur kompliziert. Und lache dabei schon über mich selbst. Er will gerne, ich will gerne. Aber wir haben keine Eile. Eigentlich doch, aber offiziell halt nicht. Vorgestern bekam ich nun endlich eine Nachricht von ihm. Sein Bett sei kaputt. Was? Auweia. Ich habe das für ein paar Minuten noch geglaubt und nachgefragt, dachte, es sei vielleicht der Rahmen gebrochen. „Das wird zurzeit nicht richtig warm“, klärte er dann recht bald auf. Ich hätte ihn natürlich necken und ihm schnell ein paar Links zu wärmenden Unterbetten schicken können (Kamelflaum oder Torf werden ja empfohlen, wobei zweites nicht ganz so anschmiegsam sein soll), aber ich dachte mir so: In meinem ist noch viel Platz!

Er komme aber erst gegen halb elf zu mir, weil er vorher unbedingt noch einen Auftrag fertig stellen müsse. Muss ich vorher nochmal Staub wischen? Papierkorb leeren? Haare waschen? Duschen? Beine rasieren? Abführen? Okay, letztes lieber nicht, man soll ja nichts durcheinander bringen, und ich habe keinen Grund, anzunehmen, dass da irgendwas verrückt spielt. Solange er mich nicht anal … ähm … schönes Wetter draußen! Ob ich morgen zum Mittagessen mitkommen möchte zu Maries Eltern. Fragte Marie. Und abends ein kleines Osterfeuer im Garten mit ein paar Freunden der Eltern?

„Philipp schläft heute nacht bei mir“, meinte ich. Also eher nicht. Marie war nicht enttäuscht, sondern eher noch aufgeregter als ich: „Echt? Erzähl!“ – „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sein Bett ist kaputt, wird nicht mehr richtig warm.“ – „Aha. Könnt ihr nicht einfach sagen, dass ihr vögeln wollt?“ – „Nein, wir brauchen neuerdings Ausreden.“ – „Frag ihn doch einfach, ob er auch Appetit auf leckeres Ostermenü hat. Und abends Osterfeuer.“ – „Das klingt gut, aber was sagt deine Mutter dazu? Ich kann doch nicht einfach meinen Freund mitschleppen.“ – „Wenn ich dich dazu einlade, dann schon. Meine Eltern freuen sich, wenn sie Philipp mal kennenlernen. Und ich auch.“ – „Ich weiß nicht, Ostern ist ein Familienfest.“ – „Eben drum.“

Eben drum? Diese Familie ist sooo herzlich zu mir. Zumal zehn Minuten später eine SMS von Maries Mama kam: „An unserem Tisch sind immer Plätze frei für die Liebsten unserer Liebsten.“ – Wenn ich das so wiedergebe, könnte es sich glatt kitschig anhören. Oder altbacken. Wenn man nicht weiß, dass sie es so aufrichtig und großmütig meinen wie sie es schreiben. Ob Philipp das allerdings will, müsste ich erstmal klären.
Zumindest müsste ich ihm die ganze Geschichte erzählen, damit er versteht, warum ich so eine enge Bindung zu den Eltern meiner Freundin und Mitbewohnerin habe.

Um halb elf kam er tatsächlich. Sah gut aus, war wohl von der Arbeit nochmal nach Hause gefahren, um seinen Lidstrich nachzuziehen und die Schuhe überzupolieren. Ich war um halb zehn extra für ihn in die Badewanne gehüpft und hatte mir einen flauschigen Schlafanzug angezogen.
Und er? „Ich habe nur noch schnell unterwegs eine Zahnbürste eingekauft.“ – „Ich habe bei irgendeinem Wettkampf ein XXL-T-Shirt bekommen, das kannst du haben, falls du frierst.“ – „Ist dein Bett etwa auch kaputt?“

Gemeinsames Zähneputzen. Er fand meine elektrische Ultraschall-Zahnbürste toll. „Bürstet die oder sägt die? Vom Betriebsgeräusch her würde ich eher zweites vermuten.“ – Anschließend schmiss ich ihn aus dem Bad, denn ich wollte auf jeden Fall noch kathetern. Muss ich sonst nicht tun, aber wenn man ganz sicher sein will, dass überhaupt nichts mehr in der Blase ist, ist das kurzzeitige Einführen eines Einmalkatheters durch die Harnröhre die sicherste Methode. Blase leer, Katheter wieder raus, fertig. Herzklopfen.

Ich rollte in mein Zimmer. Er saß auf meinem Bett, am Fußende, und spielte mit seinem Handy herum
stellte sein Handy auf lautlos. Ich rollte neben mein Bett, setzte ich rüber, Beine rein, Socken aus und auf den Rollstuhl geworfen. „Komm unter die Decke, mir wird kalt“, sagte ich. Er gehorchte mir… Er legte sich auf den Rücken, zog die Decke halb über sich, ich hob mit den Händen eins meiner Beine über seine Beine hinweg, krabbelte dicht an ihn heran und legte mich anschließend auf seinen Bauch. Dieses Mal etwas höher. Er zog die Decke über uns. Ich merkte, wie er mir am Rücken hinunter strich und mit ausgestreckten Händen von hinten in meine Hose fasste und mir mit beiden Händen gleichzeitig über meinen Popo streichelte. „Den hatte ich schon vermisst“, ließ er mich wissen. Und fragte dann: „Heute keine Protection?“

„Ich hoffe, dass es gutgeht“, sagte ich und war innerlich angespannt, weil dieses Thema sofort wieder wichtig sein musste. Eine blöde Situation könnte wirklich viel kaputt machen, entsprechend unentspannt bin ich dabei einfach. Immernoch. Das wird sich wohl auch nie ändern. Er sagte: „Das wird gutgehen. So oder so.“ – „Reiß mir bitte nicht den Kopf ab, okay?“ – „Also pass auf: Ich möchte mit dir mindestens dreißig Sachen im Bett ausprobieren in den nächsten Wochen. Mach dich also auf etwas gefasst.“ – „Das hört sich gut an.“ – „Ja. Und wann ‚Anpinkeln‘ dran ist, bestimmst du. Ich lasse mich da überraschen. Jedenfalls wirst du mich damit nicht abschrecken. Es gibt Männer und Frauen, die bezahlen viel Geld dafür und gehen fremd, weil sie das in ihrer Beziehung nicht bekommen. Ich bekomme vielleicht diesen Luxus und muss dann nur noch herausfinden, ob das was für mich ist.“

Das fand ich fast schon rührend. Er fügte noch hinzu: „Oder anders ausgedrückt: Ich bin mit einer Scheibe Brot völlig zufrieden. Ich bin glücklich, wenn wir jetzt die ganze Nacht so liegen und ich hin und wieder mal deinen geilen Arsch anfassen darf. Oder deinen süßen Busen. Und du auf meiner Brust einschläfst und mir was vorschnarchst. Und ich dich beschützen darf. Oder so. Wenn du mir aber statt des Brots ein saftiges Schnitzel anbietest, freue ich mich noch mehr. Und falls es vorweg, zwischendurch oder hinterher noch eine heiße Suppe gibt, nehmen wir die doch einfach mit. Oder nicht? Wir werden schon nicht davon sterben. Ausprobieren möchte ich es auf jeden Fall. Also berufe dich im Zweifel einfach darauf und sei mal ganz entspannt.“

Es hat nicht lange gedauert, dann haben wir endlich geknutscht. Wir haben die Hosen ausgezogen und aus dem Bett geworfen, es war angenehm warm und flauschig unter der Bettdecke und wir waren eigentlich nur damit beschäftigt, uns auf der Seite liegend zu küssen und uns eng zu umarmen. Gegenseitige Berührungen von Körperteilen unterhalb des Bauchnabels waren allenfalls zufällig. Ohne Worte zu wechseln wurde es eine Art Spiel, einerseits immer mehr Hormone im eigenen Blutkreislauf zu spüren, andererseits bewusst keinen Schritt weiterzugehen und diese Anspannung ins Unbeherrschbare zu steigern. Natürlich merkte jeder die zunehmende Hochspannung des Anderen, aber ich wollte so lange wie möglich genießen und diesen emotionalen Rausch immer weiter steigern. Hin und wieder zog er die Bettdecke ein Stück weiter über uns. Insgesamt
sprechen wir nicht von Minuten, sondern eher von Stunden.

Mund und Lippen waren mehr als gut durchblutet. Küssen kann er auf jeden Fall. Irgendwann war die Situation dar, in der ich merkte, dass ich die maximal mögliche Anzahl von Hormönchen und Hormonen in meinem Blut hatte. Ich hatte nicht das Bedürfnis nach einem Höhepunkt, sondern danach, möglichst lange zu genießen. Masturbation finde ich ja schon schön, nur das hier war etwas ganz anderes und so etwas hatte ich auch noch nie so intensiv erlebt. Erstmals kam mir der Gedanke in den Kopf: „Hoffentlich geht es ihm genauso.“ – Aber es war, sofern mir eine neutrale Bewertung überhaupt möglich war, mehr als offensichtlich, dass es ihm bestens ging.

Und letztlich kam dann auch die Bestätigung: „Das ist so heftig mit dir, ich kann mich nicht mehr lange beherrschen. Ist das okay, wenn ich in dir komme?“ – Ich wollte irgendwas sagen, bekam aber nur ein „Bitte“ aus mir heraus. Inzwischen liebe ich ihn für diese Fragen. Er drehte mich kraftvoll auf meinen Rücken, ich lag diagonal in meinem Bett, der Kopf halb draußen, ich spürte nicht genau, was er tat, aber ich spürte etwas Wunderschönes. Ein wohlig warmes, aber intensives und beinahe zu heftiges Zucken durchdrang mich. Ich kam mir vor als hätte mir jemand eine Droge intravenös gespritzt. Mir war alles egal. Ich hörte sein tiefes Atmen. Er nahm zum Glück keinerlei falsche Rücksicht auf mich. Ich versuchte, irgendwas mit meinen Händen zu greifen. Ich bekam eine Ecke der Bettdecke zwischen meine Finger und presste sie zusammen.

Dann war es ruhig. Wie nach einem Sturm. Philipp lag schlaff wie eine aufblasbare Luftmatratze mit undichtem Ventil auf mir drauf, ich fühlte die Hormone in meinem Kopf Party feiern und wunderte mich, wie intensiv
ich das alles spüre, obwohl ich da unten eigentlich kaum etwas spüre. Ich fing plötzlich zu Weinen an. Aber aus emotionalem Glück, nicht aus Trauer, Enttäuschung oder Schmerz. Philipp fragte sofort: „Hey, was ist los?“ – Ich sagte: „Nichts. Alles ist gut.“ – „Warum weinst du? Habe ich dir weh getan?“ – „Nein, im Gegenteil. Es ist so schön. Das überwältigt mich gerade emotional. Ich bin gerührt. Lass mich einfach weinen, das ist gleich wieder vorbei.“

Und tatsächlich hat sich meine Blase benommen. Zumindest ist sie zwischen den ganzen Flüssigkeiten, die solche Spielchen mit sich bringen, nicht unangenehm aus der Reihe getanzt. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die mich jetzt für unhygienisch halten. Aber wir haben uns tatsächlich anschließend aneinander gekuschelt und sind eingeschlafen. So verschwitzt wie wir waren, ohne nochmal zu duschen und komplett nackt. Allerdings haben wir das vor dem Frühstück mit Marie nachgeholt. Und auch das Bett frisch bezogen. Und soll ich was verraten?
Ich freue mich auf das nächste Mal.

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