Hupen und Spastiliene

Mein Idiotenmagnet, der ja hin und wieder alle Kuriositäten magisch
anzieht, ist ja nicht immer aktiv. Es gibt Phasen, in denen bin ich fast schon traurig, weil ich denke, ich könnte ihn verloren haben. Nach der Sache mit dem Schwanz-Milan wusste ich aber: Es gibt ihn noch.

Heute bin ich auf dem Weg zu einem Geldautomaten und werde prompt erinnert. Weniger von einem Schild, das sich wohl hauptsächlich an Vögel
richten dürfte:

Sondern mehr von einem jungen Paar, das vor der Bank mit mir ins Gespräch kam. Neben uns war eine Bushaltestelle, ein Bus stand dort, und
während die Leute aus- und einstiegen, fuhr ein Mercedes an uns vorbei und hupte einmal laut. Das Paar ging schräg vor mir und drehte sich erschrocken um, guckte mich an, sah meinen Rollstuhl und sprang zur Seite.

Ich hatte das Bedürfnis, das aufzuklären und sagte mit einem Grinsen im Gesicht: „Ich wars nicht!“ – Was ja eigentlich klar sein sollte, denn
handbetriebene Aktivstühle haben in der Regel keine Hupe. Und selbst Elektrorollstühle hupen nicht so laut wie ein Auto, sondern höchstens so
laut wie ein Wäschetrockner, der seiner Umwelt mitteilen möchte, dass er „fertig hat“. Im Allgemeinen würde ich eher mal vorsichtig fragen, ob
mich jemand vorbeifahren lässt. Aber gerade im Elektrorollstuhl sitzende Menschen können ja manchmal auch nicht (laut) sprechen.

Die Frau antwortete: „Jetzt echt nicht?“ – Der Mann guckte sie an und
sagte: „Nein, das war der Mercer da, der blöde Hund. Hab mich voll erschrocken. Guck mal, die Hupen von dem Spasti sind doch viel kleiner.“
– Wie bitte? Die Frau guckte ihren Mann entsetzt an. Der fand sich besonders lustig und fragte mich: „Du weißt, dass das ein Spaß ist, ja? Sagt man bei Frauen eigentlich auch ‚Spasti‘, oder sagt man da eher ‚Spasti-liene‘?“

Ausnahmsweise war ich mal halbwegs schlagfertig. „Nö, das ist wie bei
‚Vollpfosten‘, da unterscheidet sich die feminine Form auch kaum von der maskulinen“, sagte ich und rollte vorbei.

Am Nachmittag waren einige Kommilitoninnen und ich an einer Badestelle am Fluss. Wir waren eher spät dran, etliche andere Leute brachen bereits auf. Einer derer, die aufbrachen, sagte zu seinen Freunden: „Ey, guck mal, was will denn die Behinderte hier?“ – Er hatte vermutlich nicht damit gerechnet, dass ich das mitbekommen würde, denn dunkelrot lief er an, als ich antwortete: „Die Behinderte zieht jetzt ihre Schuhe und ihre Hose aus und geht dann schwimmen.“

Eine Kommilitonin fragte: „Kanntest du den?“ – „Nein, wieso?“ – „Weil
du mit ihm geredet hattest.“ – „Ja, er hatte vorher gefragt, was die Behinderte hier will.“ – Völlig entsetzt meinte sie: „Nein! Das habe ich
gar nicht mitbekommen. Aber das ist auch sein Glück. Ich weiß nicht, ob
ich mich hätte zurückhalten können.“ – Eine Mutter mit einem etwa sechsjährigen Kind war auch gerade dabei, aufzubrechen, und sagte, als sie an uns vorbei kam: „Ungezogen, so etwas. Aber die waren schon die ganze Zeit so unmöglich, haben sich hier aufgeführt wie das reine Asi-Pack. Lassen Sie sich von solchen Leuten bloß den Tag nicht verderben! Ich bewundere Sie, dass Sie das alles so meistern und aus Ihrer Wohnung kommen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte!“

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