Ich sehe dich

Endlich, nach langer Zeit, bin ich heute mal wieder dazu gekommen, in Ruhe zu trainieren und bin fast vier Kilometer geschwommen. Hatte mit
der Ausdauerleistung keine Probleme, habe auf meine Technik achten können, habe von Philipp regelmäßig Feedback bekommen und war herrlich ausgepowert am Ende. Draußen regnete es, der Vollmond stand am Himmel, es war ungewöhnlich warm – beste Gelegenheit, um dem Außen-Whirlpool noch einen Besuch abzustatten. „Dein Rollstuhl bleibt drinnen, ich trage
dich raus“, meinte er. „Sonst wird der nass.“

Zack, nahm er mich auf den Arm. Jetzt nur nicht hinfallen auf den nassen Fliesen. Die schwere Glastür nach draußen war das größte Hindernis. Er konnte sich natürlich nicht nehmen lassen, anzudeuten, dass er mich in den Whirlpool werfen würde. Tat er natürlich nicht, aber
für einen Moment habe ich mich tatsächlich erschrocken. Obwohl ich diese Spielchen eigentlich kenne. Zum Glück neige ich nicht dazu, laut zu kreischen. Wir waren alleine, auch in dem regulären Außenschwimmbecken war niemand mehr. Es war schon sehr spät und die wenigen Besucher, die um diese Zeit noch in der Anlage waren, saunten offenbar. Auf Sauna hätte ich ja auch mal wieder Lust gehabt, aber dafür
hatten wir keine Karte gelöst. Und zu spät war es auch.

Der Pool war angenehm warm. Der Regen war nicht stark genug, um die Dampfschwaden niederzuschlagen. So konnte man nicht sofort alles sehen, das fand ich gut. Geblubbert wurde allerdings gerade nicht, ich hoffte, dass das lediglich an dem Zyklus lag und nicht an einer generellen Abschaltung. Philipp ließ mich gar nicht erst los, sondern fiel gleich knutschend über mich her. Ich umklammerte ihn. „Fliegen wir raus, wenn du deinen Badeanzug ausziehst?“, fragte er. Ob das ernst gemeint war oder ob er mich damit nur verrückt machen wollte, wusste ich nicht. Ich wusste aber die Antwort: Ich zog meine Träger über die Schultern und den
Stoff bis unter die Brust hinunter.

Philipp drückte mich eng an sich heran. Würde er mir jetzt das Ding komplett ausziehen, ich glaube, ich hätte es zugelassen. Als Ausrede hätte ich dann dem Bademeister gesagt, dass ich gedacht hätte, es wäre heute textilfreies Baden (was sonst an einem anderen Wochentag abends ist). Aber ziemlich bald begann das Geblubber wieder. Ich mag gar nicht schreiben, wie das geendet ist. Ausgezogen hat er mich nicht, aber das war auch nicht unbedingt nötig. Meine Sorge, dass er mich hinterher nicht mehr aus dem Becken tragen könnte, bestätigte sich nicht.

Als wir an dem Glashaus vorbei kamen, in dem die Bademeisterin, geschätzt 20 Jahre alt, saß, fiel mein Blick beiläufig auf dort angebrachte Kontrollmonitore. Einer davon hatte den Whirlpool in Großaufnahme. Mir wurde für zwei Sekunden richtig schwindelig. Ich guckte sie an, sie grinste verschmitzt, kam aus ihrer Kabine. „Soll ich dir die Tür aufhalten?“, fragte sie und hielt mir eine Durchgangstür zu den Umkleiden auf. Jede Wette, sie hatte alles genau beobachtet. Sollte ich irgendwas sagen? Ich guckte ihr erneut ins Gesicht. Sie guckte mir in die Augen und grinste erneut. Nein, besser nichts sagen. Mein Gesicht
war vermutlich dunkelrot. Und Philipp? Der merkte nichts. Männer.

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