Distanz macht einsam

Ich amüsiere mich gerade über eine Kommilitonin. Sie gehört zu jenen Menschen, die nur schwer andere Meinungen akzeptieren können. Und die leider auch ständig andere Meinungen haben. Nämlich im Zweifel die des Gegenüber. Soll heißen: Sie redet ihren „Freunden“ nach dem Mund oder trifft sich nur mit jenen, die absolut ihrer Meinung sind.

Wir haben uns anfangs mal ganz gut verstanden. Bis die Diskussion auf
das Thema „Tatoos“ kam. Ich bin absolut dagegen, meinen Körper bemalen zu lassen. Weder dezent noch als Litfaßsäule. Ich akzeptiere es aber, wenn andere Menschen mit ihrem Körper etwas anderes machen. Jene Kommilitonin sah das anfangs so wie ich.

Inzwischen hat sie sich aber überzeugen lassen, dass Tatoos doch toll
sind. Was ich auch in Ordnung finde. Man kann Meinungen ja auch mal ändern. Weil man vielleicht Argumente findet, die man vorher nicht betrachtet hat. Oder ihnen plötzlich ein anderes Gewicht beimisst. Oder,
oder, oder.

Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen andere Meinungen haben als
ich. Im Gegenteil. Ich diskutiere gerne. Ich finde es spannend, Argumente auszutauschen. Ich lasse mich auch gerne mal überzeugen. Und ich finde Menschen interessant, die ein anderes Profil haben als ich. Bei manchen Meinungsverschiedenheiten sehe ich das Bild einer dicken Wildsau vor mir, die sich genüsslich an einer Eiche schubbert. Manchmal fühle ich mich als Eiche, manchmal auch als Wildsau. Wichtig finde ich nur immer, dass es fair und sachlich bleibt.

Was ich nicht leiden kann, ist, wenn man dann zunächst so tut, als wäre man nie anderer Meinung gewesen. Und dann, nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“, andere Menschen, in diesem Fall mich, blöde
anmacht, warum ich so bieder sei. Untätowierte Haut sei doch wohl absolut langweilig.

Ich weiß nicht, warum ich mich dafür überhaupt rechtfertige. Vielleicht, weil jene Kommilitonin inzwischen durch die Gegend zieht und
überall Unsinn über mich erzählt. Schlichtweg Lügengeschichten. Da sitzen einfach ein paar Leute zusammen und schaukeln sich gegenseitig hoch. Beim Tatoo-Thema beginnt es, dann werden andere Anekdoten hinzugefügt, von denen ein Viertel ausgeschmückt und drei Viertel ausgedacht sind. Manchen hätte ich es zugetraut, andere hätte ich für intelligenter gehalten. Und zum Glück bin ich nicht so schlecht vernetzt, dass ich das nicht mitbekomme. Vielleicht hatte sie gehofft, mir nach dem Wechsel meiner Uni nie mehr über den Weg zu laufen?

Es gibt wirklich Menschen, die glauben, ihre Persönlichkeit reife durch Abgrenzung. Das ist ein Irrtum.

Ich möchte mein Leben mal mit einem Aquarium vergleichen. Es sind viele tolle und bunte Fische drin. Es macht durchaus Sinn, Regeln zu haben und gemeinsam deren Einhaltung zu überwachen. Aber wenn ich beginne, die Fische rauszuholen, die mir nicht 100%ig gefallen, wird mein Leben nicht reicher. Sondern ärmer. Bis ich den letzten Fisch entfernt habe, weil mir seine rote Flosse zuwider war. Und alleine im Wasser meine Bahnen ziehe. Im ersten Moment ist es vielleicht schön, ein
ganzes, großes Becken für sich alleine zu haben. Aber dann?

Distanz macht einsam.

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