Vier Anekdoten

Nachdem ich in den letzten Jahren nicht nur Horrorpsychokriminalwahnsinn und anderen Shice erlebt habe, dachte ich mir, ich schreibe zuerst mal wieder ein paar Anekdoten aus meinem Alltag. Oder?

1. Rowdy mit Slipeinlage: Socke steht an einer Fußgänger-Ampel, hat schönes Wetter, wartet auf Grün. Autos quälen sich durch den Stau. Mit mir warten gefühlt 100 Menschen. Anders als gerade gestern noch in der Fahrschule gelernt, hält ein dunkelbraun gebrannter cooler Goldkettchenproll im Muskelshirt in seinem (?) aufgemotzten schwarzen Gefährt mit röhrendem Auspuff natürlich mitten auf dem Überweg, bevor die Ampel für ihn rot wird. Die Fußgänger bekommen grün und gehen los, ich rolle ebenfalls auf ihn zu. Scheinbar hat er Angst, ich könnte beim dichten Vorbeifahren eine Schramme in seine Ingolstädter Karre machen. „Bleib stehn, du Spast!“, brüllt er mich aus dem offenen Fenster an. An seiner Beifahrertür klebten zwei Slipeinlagen… Ich weiß nicht, wer ihm die aus welchen Gründen dagegen geklebt hat. Ich konnte mir aber gerade sehr gut vorstellen, warum.

2. Verkleidete Krankenschwester: Socke soll und darf in Zimmer 9 einen Venenzugang legen und rollt mit dem ganzen dazu benötigten Gedöns über den Flur. Klopfe, rolle hinein und werde mit fragendem Blick angestarrt. Bevor ich was sagen kann, fragt sie: „Na? Was hast du denn gemacht?“ – Ich wusste nicht, was sie meinte und überhörte das erstmal. „Frau Schumacher? Mein Name ist Socke und ich möchte Ihnen gerne einen Venenzugang legen.“ – „Nööö, ich hab gar nichts zu lesen für dich, mein Kind. In welchem Zimmer liegst du denn? Vielleicht kann dir mein Mann nachher die Bildzeitung rumbringen!“ – Ich sprach laut und deutlich: „Ich möchte Ihnen einen  Zugang legen. In die Vene.“ – „Ach, Sie sind die Schwester? Sie müssen entschuldigen, ich hab Sie gar nicht recht verstanden. Sie haben so lustige Sachen an, ich dachte, das wäre ein Pyjama. Sind Sie wirklich die Schwester hier? Mit ihrem Rollwagen sehen Sie aus wie eine Patientin.“

3. Mustafa malt: Wieder Venenzugang, dieses Mal möchte Mustafa nach Hause. „Alle [Welt] nennt mich Mustafa!“, sagt er jedem. Mustafa soll entlassen werden und zieht sich seine Kanüle selbst, während er am Tisch sein Mittagessen futtert. Veranstaltet dabei natürlich eine riesige Sauerei, als er mit seinen blanken Salatsoßenfingern erst dann auf das Löchlein drückt, als schon der halbe Tisch voller Blut ist. Als starker Kerl versucht er natürlich noch, die Kanüle wieder in die Vene zu schieben, was natürlich nicht geht und die Sauerei nur noch größer macht. Er erzählte mir hinterher: „Die Strömung war zu groß.“ – Jedenfalls sah die weiße Wand anschließend nicht mehr nur weiß aus. Ich schmücke es nicht weiter aus. Mustafa sagt: „Oh, schickst du keine Rechnung, Mustafa kauft Farbe und malt mit Kollege Wand wieder hübsch.“

4. Fliegende Rouladen: Eine fast 90jährige Frau, geistig sehr rege, körperlich auch relativ fit, kam mit einem Lungenödem ins Krankenhaus. Kurz vor ihrer Entlassung gab es Rouladen mit Kartoffelbrei, Möhrchen und dunkler Soße. Brei und Möhrchen mochte sie, die Rouladen nicht so sehr, so dass sie versucht hatte, diese kurzerhand durch das Zimmerfenster nach draußen zu werfen. Je oller, desto doller. Dumm nur, dass die Fenster nur gekippt waren. So lagen die Rouladen auf der Fensterbank und die braune Soße war an der Scheibe entlang gelaufen. Ich
fragte: „Frau Meier, wieso liegt bei Ihnen Fleisch auf der Fensterbank?“ – „Das hat bestimmt die Katze mit reingebracht.“ – „Frau Meier, Sie sind im Krankenhaus, da gibt es keine Katzen.“ – „Sagen Sie sowas nicht! Aber vielleicht war es auch der Hund.“ – Ich musste lachen.
Sie winkte mich zu sich heran und sagte leise: „Können Sie das bitte unauffällig weg machen? Ich mochte die nicht essen. Die schmecken wie Gummi. Ich hab das Malheur schon gesehen. Mein Plan ist leider nicht ganz aufgegangen. Bitte nicht schimpfen.“


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