Kurz vor fertig

So langsam ist es echt nur noch anstrengend. Ich bin dermaßen reif für die Insel, dass ich am liebsten sofort alles hinschmeißen und auswandern würde. Hat schon mal jemand eine Rollstuhlfahrerin wandern sehen? Eben. Also nix mit Wandern, sondern Zähne zusammenbeißen und den Endspurt durchziehen ist angesagt. Wenn ich nicht noch krank werde, sind
es noch genau sieben Wochen, dann bin ich fertig. Fertig, fertig, fertig.

Okay, nicht ganz. Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. Das Abschluss-Examen wird voraussichtlich Anfang Mai sein. Zwei Stunden mündliche Prüfung über alles, was in den sechs Jahren Studium drangekommen und nicht drangekommen ist. Immerhin keine Multiple-Choice-Fragen.

Ich bin mir sicher, dass ich bei meinem jetzigen Prof, der mich im letzten Drittel meines Praktischen Jahres betreut, fachlich sehr gut aufgehoben bin. Leider habe ich das Gefühl, dass er mich auch attraktiv findet. Was mir natürlich sehr schmeichelt, vor allem mit Blick auf mein
sitzendes Dasein. Was aber nervt, wenn er immer kuscheliger wird. Denn ich möchte von ihm ausschließlich fachlichen Input. Und den nur sachlich
und verbal. Ich befinde mich gerade in der Situation, in der ich ihm noch nicht gesagt habe, dass ich nichts von ihm will. Ich will das noch möglichst lange hinaus zögern, da ich ein wenig die Befürchtung habe, dass er mich danach fallen lassen könnte. Wenn nicht noch schlimmer – und das muss ich so direkt vor dem Examen natürlich nicht noch erleben.

Beziehungstechnisch läuft es gerade auch nicht. Ich hatte ja bereits vor einem Vierteljahr
darüber geschrieben, dass ich weniger emotional an dieser Beziehung hänge als an den bisherigen. Entsprechend hat es mich auch nicht aus der
Bahn geworfen, dass er kurz vor dem Examen unbedingt noch aus Eifersucht mit mir Schluss machen will. Ich habe ihm gesagt, dass er sich das nochmal überlegen soll, aber ich schätze das so ein, dass er nicht mehr wieder zu mir zurück möchte. Er meint, dass er an mir geliebt
hätte, dass ich so bodenständig gewesen sei. Dass ich einen Mercedes fahre, konnte er sich selbst noch mit Qualitätsverlangen begründen. Aber
ein eigenes Haus vor Vollendung des 30. Lebensjahres? Das sei ihm zu abgehoben. Ich sei zu elitär geworden für seine schmalen materiellen Ansprüche.

Dann ist das wohl so. Da er auch meinte, dass ich nur deshalb in den örtlichen Schwimmverein eingetreten sei, um nicht so viel Zeit mit ihm zusammen verbringen zu müssen, kann ich ihn derzeit nicht wirklich ernst
nehmen. Die trainieren zwei oder drei Mal unter der Woche und wir haben
uns bisher (von zwei Ausnahmen abgesehen) immer nur am Wochenende getroffen. Egal, gehe ich jetzt erstmal mit meinem Delfin ins Bett. Sorry, die Gemeinheit musste raus.

Ich habe inzwischen eine Einbauküche und einen Treppenlift ins Obergeschoss. Und einen Zaun zur Straße und zur Rückseite. Zu den Nachbarn noch nicht, ob das wirklich sein muss, wollen wir gemeinsam entscheiden. Bislang waren die sehr nett – auf beiden Seiten sind ältere
Ehepaare. „Wenn Sie im Frühjahr auch Rasen anpflanzen, kann ich Ihren gerne mit mähen. Ich habe, als wir hier eingezogen sind, meinen Aufsitzmäher nicht verkauft, obwohl er für den jetzigen Garten viel zu groß ist. Aber bei Ihrem Nachbarn auf der anderen Seite mähe ich auch gleich immer mit. Als Pensionär habe ich ja alle Zeit der Welt.“

Ich habe mich für einen dunkelgrünen Stahlzaun entschieden. Also solche Stabmatten und ein elektrisches Tor, das zur Seite rollt. Haben beide Nachbarn auch, und so sieht es wenigstens einheitlich aus. An den Zaun kommt eine blickdichte Hecke. Nicht kompliziert. Allerdings hat das
elektrische Tor nur 48 Stunden gestanden, bevor die Firma, die die Küche anlieferte, mit ihrem Lkw dagegen gefahren ist. Kratzt mich aber irgendwie gar nicht. Die Firma, die das aufgestellt und einbetoniert hat, kommt nächste Woche noch einmal, und den Schaden zahlt die Versicherung. Sieht im Moment etwas albern aus – und ich sag noch: Parkt
auf der Straße! Nee, man musste ja rückwärts bis ans Küchenfenster fahren und anschließend die Kurve zu eng nehmen.

Und sonst so? Ich wünsche mir den Sommer herbei! Ich habe echt keinen Bock mehr auf dieses kalte, nasse Wetter.

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