Vorurteile zur Entstehung einer körperlichen Beeinträchtigung gibt es viele. Auch viele hartnäckige. So werde ich regelmäßig gefragt, ob ich kurz nach Erwerb des Führerscheins einen Motorradunfall (oder ersatzweise einen selbst verschuldeten Autounfall) hatte. Teilweise getragen von Mitleid, teilweise aber auch von der Befürchtung, was diese
junge Frau den Staat – und damit jeden einzelnen Steuerzahler – wohl alles kosten könnte. Dass diese Art von Fragen oftmals Menschen stellen,
die sich abseits der Umsatzsteuer eher wenig an der Finanzierung des Allgemeinwohls beteiligen, ist natürlich auch ein Vorurteil.
Wer in Bio aufgepasst hat, weiß, dass es nicht der Storch ist, der die Augenfarbe der Babys bestimmt. Eine codierte Erbinformation gibt es von der Mutter, eine vom Vater, beide verschmelzen, und sofern keine Störfaktoren wie Gen-Mutationen oder Einflüsse auf die Produktion des farbgebenden Melanins vorliegen, bekommt das Kind blaue Augen. Aber nur,
wenn nicht eins der beiden Elternteile grüne Augen vererbt, denn die gehen vor. Oder braune, die setzen sich gegen blau und gegen grün durch.
Soweit, so braun. Selbst wer braune Augen hat, kann ein überwältigtes
blau in den Erbinformationen haben. Wenn der Partner dann blaue Augen hat, könnte das Kind auch nicht-braune Augen bekommen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei vor allem, dass der genetische Code nicht so simpel ist, dass sich mit ihm drei Farben ganz einfach erklären lassen. Und genau das ist wichtig, wenn wir nicht alle gleich sein wollen. Vor allem
nicht gleich krank. Wenn Papa eine bestimmte Form des Darmkrebs hat, profitiert das Enkelkind von jenen Informationen aus dem großen Genpool,
die genau diesen unerwünschten Code nicht enthalten und idealerweise damit die weitergereichte Krebs-Bauanleitung überschreiben.
Die Chance, dass Verwandte ähnliche Erbinformationen tragen und weitergeben, nimmt mit jedem Kind, das innerhalb eines engen Familienkreises gezeugt wird, erheblich zu. Das sollte bei jedem, der Kinder zeugen kann, im Grundwissen verankert sein.
In Deutschland gab es 2015 rund 7,6 Millionen Menschen, die einen Schwerbehindertenausweis haben. Rund 174.000 davon waren unter 18 Jahren, das sind rund 9.000 Kinder und Jugendliche mehr als vier Jahre zuvor. Bei minderjährigen Menschen mit Migrationshintergrund sank diese Zahl laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Robert-Koch-Institut und Statistisches Bundesamt) in diesen vier Jahren allerdings um 4,6 Prozent.
Und was sagt uns das?
Nichts. Rein gar nichts. Denn in unserem Land ist derzeit zum Glück niemand verpflichtet, seine gesundheitliche Einschränkung registrieren zu lassen. Ich kann selbst entscheiden, ob ich einen Schwerbehindertenausweis beantrage. Und selbst wenn ich einen besitze, kann ich ihn jederzeit zurückgeben und künftig auf diese Sozialleistung verzichten. Ich kenne genügend Eltern, die überhaupt nicht darüber nachdenken, für ihr Kind so ein Ding zu beantragen. Und falls man in Deutschland sowieso keine Steuern zahlt, fällt ein wesentlicher Vorteil,
nämlich eine Vergünstigung der Einkommenssteuer, ohnehin flach.
Es gibt also keine Verpflichtung, so ein Ding zu beantragen. Es gibt folglich in Deutschland derzeit auch keine Verpflichtung, sich durch eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten, mit einem gelben Blitz mit schwarzem Rand oder durch einen gelben sechszackigen Stern auf dem Hoodie zu kennzeichnen – oder sich einem Gentest zu unterziehen, der bei
Behinderung auch für die Eltern verpflichtend und notfalls mit Haftbefehlen durchgesetzt wird. Entsprechend taugen bislang erhobene Zahlen auch meines behinderten Erachtens rein gar nicht für eine Auswertung, aus der sich weitere Schlussfolgerungen über Menschen mit Behinderung ziehen lassen. Und selbst wenn die Zahlen derjeniger, die einen Ausweis beantragt haben, als Grundlage für Informationen herangezogen werden, wären sie doch immerhin – und zumindest für die Zukunft – leicht manipulierbar.
Eine im Deutschen Bundestag vertretene Fraktion möchte derzeit von der Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage auf Grundlage dieser
(!) statistischen Zahlen wissen, wie sich „die Zahl der Behinderten seit 2012 […] insbesondere […] die durch Heirat innerhalb der Familie entstandenen“ entwickelt habe und „wie viele Fälle [davon] einen Migrationshintergrund“ haben. (Quelle)
Durch Heirat innerhalb der Familie entstandene Behinderte?
Nun ja, man sollte nichts totschweigen. Und wenn man etwas für die Gesundheit unserer Kinder tun möchte, sollte man auch gleich weiterfragen: Wie oft verursachen Alkohol, Nikotin und andere Suchtgifte
eine Einschränkung beim ungeborenen Kind aus muslimischen Familien? Das
wäre kein Whataboutism, um Himmels Willen auch keine Rechtfertigung für
tatsächlich bestehende Probleme, sondern nur konsequent. Und am Rande würde mich dann noch interessieren (falls noch Kapazitäten vorhanden sind): Wieviele Idioten sind eigentlich entstanden, nachdem ihnen jemand
exzessiv in den Genpool gepinkelt hat? Und wieviel Prozent davon (aufgeschlüsselt nach Parteien) sitzen derzeit im Deutschen Bundestag?