Erinnerung

Ich könnte es auf das Jahr 2020 schieben, das ohnehin schon eine große Belastung für uns alle ist, ich könnte es aber auch sein lassen, denn sie hat sich gewiss nicht an Jahreszahlen orientiert: Maries Hündin ist heute gestorben.

Bis vor Weihnachten war sie noch verhältnismäßig lebhaft. Sie ist zwar lange schon keinen Bällen mehr hinterher geflitzt, aber ist durchaus gelaufen, hatte Spaß mit anderen Hunden auf ihren täglichen Gassirunden, hat mit denen auch immernoch gespielt. Sie ist auch ohne Leine hin und her getrabt, hat neugierig über jede Deichkrone schauen müssen und an jeder Ecke geschnüffelt. Sie hat bis zuletzt normal gefressen, hat sich für Leckerlis und Knochen interessiert, für ihr Spielzeug, hat sich kraulen lassen, hat unser Haus bewacht. An den Weihnachtstagen wirkte sie, rückblickend betrachtet, etwas müde. Aber wir waren alle etwas müde.

Heute morgen und heute Mittag war sie noch ganz normal draußen, nach dem Mittag hat sie sich auf ihrer Decke schlafen gelegt. Gegen 19 Uhr wollte Marie mit ihr noch einmal vor die Tür, kam in die Küche und sagte: „Was meinst du, ob ich alleine raus gehe?“ – Normalerweise versteht sie „raus gehen“ und kommt sofort angelaufen. Nö. Und dann: „Du, schau mal bitte. Wieso liegt sie hier so komisch?“

Sie war bereits kalt. Ich habe Marie erstmal in den Arm genommen. Marie wollte den Tierarzt haben. „Ich glaube, es ist mir wichtig, dass er nochmal drauf schaut.“ – Na sicher. Der Tierarzt kam auch sofort. Nach seiner Überzeugung ist sie sanft eingeschlafen. Eine Vergiftung schließt er aus. „Wie alt war sie?“ – „15 Jahre.“ – „Dann hat sie es sehr gut bei euch gehabt. Normalerweise werden die so 10 bis 12 Jahre.“

Seit ich Marie kenne, war die Hündin immer da. Es war uns allen klar, dass das eines Tages so sein würde. Helena ist sofort in Tränen ausgebrochen: „Sie war meine erste große Tierliebe.“ – Marie, die seit ihrem 13. Lebensjahr mit ihr zusammen ist, hat ihr gesagt: „Wenn sie uns jetzt so sehen würde, wüsste sie gar nicht, wem sie zuerst ihren Kopf auf den Schoß legen sollte. Das hat sie immer getan, wenn jemand traurig ist.“ – Helena: „Ich möchte, dass sie zurück kommt.“ – „Das wird nicht gehen. Ab heute lebt sie in deiner Erinnerung. Es wird eine Zeit brauchen, bis unsere Herzen das verstanden haben. Solange wird es weh tun, wenn wir an sie denken. Und so lange werden wir um sie trauern und um sie weinen.“


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