Öffis

Der Achte

Ich wurde ja mehrmals gefragt, ob ich ständig so etwas erlebe, wie im Beitrag Sieben an einem Tag beschrieben. Die Antwort lautet: Ständig. Wirklich ständig. Nicht täglich, aber zumindest in so kurzen Abständen, dass es eintönig werden würde, wenn ich ständig darüber schreibe. Immerhin gibt es zwischenzeitlich auch wieder tolle und nette Dinge, sie überwiegen auch, aber gerade heute steht es mir schon wieder bis zum Hals. Ich möchte von meiner Physiotherapie zum Bahnhof fahren, warte an der Haltestelle auf den Bus, der soll in vier Minuten kommen. Mit mir warten noch zwei andere Leute. Der Bus kommt, der Fahrer… Weiterlesen »Der Achte

Tolle neue Woche

Die Woche fängt gut an, sagte der Mann, der am Montag gehängt werden sollte. Es ist völlig egal, ob ich zur Zeit zur Schule, zur Arbeit oder sonstwo hin muss – ich hasse sie, die Leute, die mir an einem Montagmorgen ungefragt erklären müssen, dass ja eine neue Woche begonnen hätte. Als Rollstuhlfahrerin hat man ja unfreiwillig eine Art Beamtenstatus. In einem mehr oder weniger schmerzhaften Akt wird man zu dem, was man später ist, bekommt vom Staat darüber eine amtliche Ernennungsurkunde und einen Dienstausweis (ab nächstem Jahr aus Plastik und in Scheckkartenform), auf dessen Rückseite der Dienstgrad eingetragen wird… Weiterlesen »Tolle neue Woche

Ganz viel Schokolade

Man kommentiert, ich sei ein Magnet für schräge Leute. Ob das stimmt? Ich erlebe viele Dinge. Ob mehr oder weniger als andere Menschen – vielleicht stimmt beides. Ich glaube, ich nehme bestimmte Dinge einfach intensiver wahr. Eine andere Rollstuhlfahrerin äußerte kürzlich, dass es ihr genauso ginge wie mir und sie vermutet, dass das daran liegt, dass ich Menschen sehr viel genauer beobachte, insbesondere, wenn ich mit ihnen in Kontakt kommen muss. Weil ich sie um Hilfe bitten möchte, weil sie mich ansprechen, weil sie mich beobachten, weil sie von mir eine Antwort wollen, weil sie mich vollsülzen… Ich muss mal… Weiterlesen »Ganz viel Schokolade

Krauel, Krauel

Ich hatte vermutet, dass ich meinen Partner mehr vermissen würde. Die ersten paar Tage waren schon hart, weil mich einzelne Dinge und Gedanken immer wieder schmerzhaft an ihn erinnerten, an seine schönen und freundlichen Seiten, aber inzwischen ist es gut auszuhalten. Allerdings wundert es mich, wie sehr der Körper vermissen kann: Früher habe ich mich nie nach körperlicher Liebe gesehnt. Erst als mich alle möglichen Leute ermutigten, mal auszuprobieren, wie das mit meiner Behinderung klappt, habe ich damit angefangen. Einmal angefangen, so habe ich das Gefühl, kann man damit nicht wieder aufhören. Ich habe zur Zeit niemanden, der mit mir… Weiterlesen »Krauel, Krauel

Finger klemmen

Meine Finger klemmen nicht: Zeit für eine Gute-Nacht-Geschichte. Jene von der kleinen Gretel, die wegen ihrer Behinderung immer gehänselt wurde. Gretel fehlte ein Finger. Sie hatte ihn verloren, als sie 3 Jahre alt war. Damals stand sie in einer gläsernen Aufzugskabine, sah die Welt, in die die Elektronik sie in wenigen Sekunden entlassen würde, und patschte mit ihren drolligen kleinen Händen gegen die Glastür der Kabine. Mama stand hinter ihr, war bekifft und machte am Telefon gerade die Scheidung klar, und so achtete sie nicht darauf, dass die kleine Gretel sich in wenigen Sekunden die Finger klemmen würde. Nämlich dann,… Weiterlesen »Finger klemmen

Versteckspiel

Die Angst, überfallen und beraubt, sexuell belästigt und vergewaltigt oder einfach nur überrascht und blöd angemacht zu werden, ist besonders in Großstädten, nachts, bei Frauen mit langen blonden Haaren und kurzem Rock etc. gegenwärtig. Dunkle Parks sollte man meiden, überhaupt alle Orte, an denen sich jemand verborgen halten und für unangenehme Überraschungen sorgen kann. Um dem Ganzen entgegen zu wirken, wird beraten und empfohlen, werden zum Beispiel in Parkhäusern besondere Frauenparkplätze, die hell beleuchtet und mit einem Notruf versehen, vielleicht sogar videoüberwacht sind, eingerichtet. Angeblich sollen Frauenparkplätze etwas breiter sein, damit sich in den engen Räumen zwischen den parkenden Autos… Weiterlesen »Versteckspiel

Pupsende Kühe

Nachdem ich ja diverse Male über verschiedene Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs bereits öffentlich verzweifelt bin, muss ich doch mal ein paar lobende Worte loswerden: Über die Hamburger Hochbahn. Die betreiben nicht nur die U-Bahnen, sondern auch einige Buslinien. Ende letzter Woche landeten wir mit acht Rollifahrern wegen einer Streckensperrung der U-Bahnlinie 3 im Busersatzverkehr. Dieser endete am Berliner Tor. Während Fußgänger am Berliner Tor problemlos wieder in S- und U-Bahnen umsteigen können, haben Rollifahrer keine Chance. Die Station ist nicht barrierefrei, obwohl dort (fast) alle U- und S-Bahnen halten. Und es verkehrt auch keine einzige Buslinie vom Berliner Tor zum… Weiterlesen »Pupsende Kühe

Vorläufig festgenommen

Heute war der Kontrollwahnsinn in Hamburg ausgebrochen. Ich muss in öffentlichen Nahverkehrsmitteln nichts bezahlen, sondern nur einen amtlichen Ausweis mitführen, dass ich tatsächlich Rollstuhlfahrerin bin. Der befindet sich in meinem Portmonee und das habe ich eigentlich immer dabei. Ich glaube, ich habe es seit meinem Unfall erst ein oder zwei Mal zu Hause vergessen, obwohl ich es dabei haben wollte. Heute war so ein Tag. Ich war mir sicher, ich hatte es in meinen Rucksack gepackt, aber es war letztlich zu Hause auf dem Schreibtisch. Ich saß in der S-Bahn, als am Diebsteich der Sicherheitsdienst einstieg. Sonst wird fast nie… Weiterlesen »Vorläufig festgenommen

Rechtsfreier Raum

Es gibt noch einen Nachschlag in der Sache mit der fehlenden langen Leitung: Das Eisenbahn-Bundesamt, zuständig für die Aufsicht über die Eisenbahnen in Deutschland, hat die Überprüfung einer Beschwerde mehrerer Menschen aus Hamburg darüber, dass auf der Eisenbahnstrecke Hamburg – Rostock über ein Jahr lang keine Rollstuhlfahrer mitgenommen wurden, weil eine Heizungsstrippe zu kurz war und man den Zug nicht drehen wollte konnte, abgeschlossen. Leider kann auch die Aufsichtsbehörde nicht weiterhelfen, weil sie über diese „betrieblichen Gestaltungsprozesse“ nicht Aufsicht führen dürfe. Mit anderen Worten: Ob die Deutsche Bahn die Mitnahme von Rollstuhlfahrern ablehnen darf, entscheidet sie ganz alleine, solange sie… Weiterlesen »Rechtsfreier Raum

Keine lange Leitung

Etwas länger als ein Vierteljahr ist es schon wieder her, als ich in meinem Beitrag „Kurve zu hoch“ darüber geschrieben habe, dass auf der Strecke Hamburg-Rostock zur Zeit keine Rollstuhlfahrer im Regionalexpress mitgenommen werden. Der 3. Leserkommentar ergänzte noch ein paar Fakten. Der Grund für die Nichtmitnahme ist so banal und gleichzeitig so bescheuert, dass man vermuten könnte, es sei Fasching oder erster April. Nein, es ist Aschermittwoch (also alles vorbei) und den ersten April haben wir auch noch nicht. Der Hamburger Hauptbahnhof ist bekanntlich nicht allzu breit, dafür recht lang. In einigen Gleisen halten daher zwei Züge gleichzeitig. Im… Weiterlesen »Keine lange Leitung