Drei Jahre lang

Gestern mittag gab es bei mir übrigens Gyrosbaguette. Insider wissen, was das bedeutet. Inzwischen, ich kann es kaum glauben, ist es drei Jahre her, seit sich mein Leben von einem auf den anderen Tag radikal verändert hat.

Inzwischen bin ich häufig gefragt worden, ob ich an meinem Leben gerne etwas ändern würde. Dazu kann ich nur erneut sagen: Was ich ändern kann, das ändere ich. Was ich nicht ändern kann, daran versuche ich mich auch nicht. Sicherlich sollte man nicht resignieren und glauben, man könne an vielen Dingen sowieso nichts ändern und so jede Bemühung, jede Anstrengung von vornherein unterlassen. Man muss schon sachlich bleiben bei der Beurteilung, ob man etwas verändern kann. Aber wenn klar ist, dass sich etwas nicht ändern lässt, dann gibt es auch noch andere Dinge, mit denen man sich gehaltvoller beschäftigen kann.

Was ich damit sagen will: Ich zerbreche nicht an der Frage, wann ich wieder laufen kann. Ich lasse mir auch keine Hoffnung machen, dass da irgendwelche Forschungen laufen oder Geräte entwickelt werden, mit denen
irgendwas geht. Wenn mir irgendwann einmal etliche ehemalige Querschnitte auf ihren zwei Beinen entgegen gewatschelt kommen, lasse ich mir durch den Kopf gehen, ob diese Therapie auch für mich in Frage kommt. Bis dahin sollen sich andere mit dem Thema beschäftigen, das so alt ist wie die Querschnittlähmung an sich.

Ich frage mich auch nicht, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn dieser Unfall nicht passiert wäre. Ich weiß es nicht. Vielleicht wäre die Beziehung zu meinen Eltern auch aus anderen Gründen zerbrochen. Weil ich
einen afrikanischen Partner gefunden oder mit einem Mädel mein erstes Mal gehabt hätte. Weil ich kriminell geworden wäre oder magersüchtig unter dem Druck des Lebens, weil ich die Schule geschmissen oder in irgendeine politische Szene gewechselt hätte. Vielleicht hätte ich meinen Freiwilligendienst in einer Behindertengruppe gemacht und dabei festgestellt, in einem falschen (gesunden) Körper geboren worden zu sein
– wie Natascha, die fest davon überzeugt ist, dass sie in einen Rollstuhl gehört, obwohl sie eigentlich laufen kann.

Nataschas stationäre Therapie blieb ohne Erfolg. Es bleibt uns Behindis nur, zu akzeptieren, dass sie Rollstuhlfahrerin ist, obwohl sie laufen kann. Und trotzdem möchte ich nicht tauschen. Es ist okay, so wie es ist.

Meine Behinderung hat mich reifer gemacht, ehrgeiziger, selbstbewusster, entschiedener. Sie hat mir Hass und Liebe vermittelt, sie hat mir gezeigt, dass Menschen viel facettenreicher sind als ich es je gedacht hätte. Sie hat mich mit wunderbaren Leuten zusammengeführt, sie hat meinem Leben (so seltsam das klingt) einen ungeheuren Halt gegeben. Einfach, weil sie vieles ausgeschlossen hat, was vorher Option hätte sein können, weil sie mir viele Entscheidungen abgenommen hat. Und weil sie mich zu einer deutlichen Positionierung genötigt hat.

Ich werde gleich zum Schwimmtraining fahren. Es ist wunderschönes Wetter draußen. Anschließend feiere ich mit ein paar Leuten meinen „Geburtstag“ (nach). Der Grill fragt schon alle paar Minuten nach seinem Einsatz. Hoffentlich fängt er aus lauter Ungeduld nicht gleich schon im Auto zu qualmen an. Ich freu mich drauf!

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