Endlich Hilfe für meine Mutter

Inzwischen hat sich ja beim Training herumgesprochen, dass die Verrückte zu mir gehört und es forderten bereits die ersten Eltern beim Verein, man möge mich vom Training fernhalten, damit die Mutter fernbleibt und nicht demnächst auch ihre Kinder gefährdet. So weit ist es also schon. Vielen Dank für das Einfühlungsvermögen. Bisher zielten die Aktionen (aus gutem Grund) nur in meine Richtung. Allerdings weiß man nie, was in so einem kranken Kopf vorgeht, daher kann ich es auch ein bißchen verstehen.

Kümmern musste ich mich außerdem um eine Anzeige wegen Verleumdung gegen Unbekannt, um Strafanträge wegen den zwei Verstößen gegen die einstweilige Anordnung (SMS und Auftauchen in der Schwimmhalle) gegen meine Mutter sowie zwei Anträge auf Festsetzung von Ordnungsmaßnahmen bei dem Gericht, das die Anordnung erlassen hatte. Dann habe ich inzwischen aufgegeben, der Klinik hinterher zu telefonieren, die meine Mutter mal stationär behandelt hat und habe den Sozialpsychiatrischen Dienst (über Umwege) „erreicht“. Da ich vorher dort nicht unbedingt ernst genommen wurde, habe ich darüber hier nicht berichtet, schließlich
weiß ich nicht, ob meine Mutter nicht doch mitliest und das noch als Bestätigung auffasst.

Aber der Reihe nach. Ich hatte nach der zweiten Aktion
von ihr erstmals Kontakt zu der Klinik aufgenommen, in der sie bis vor kurzem noch behandelt wurde. Ich hatte darum gebeten, von ihrer Therapeutin zurückgerufen zu werden und als das nicht klappte, hatte ich
sie beim fünften Versuch endlich in der Leitung. Sie meinte aber, dass sie mir nicht helfen könne. Sie könne mir nur sagen, dass eine Frau diesen Namens derzeit nicht in ihrer Behandlung sei. Ich fragte dann, ob
sie nicht Kontakt zu demjenigen aufnehmen könnte, der sie ambulant weiter betreue, daraufhin meinte sie, dass sie mir nicht weiterhelfen könne, denn jedes „Ja“ oder „Nein“ würde für den Fall, dass meine Mutter
in Behandlung wäre, gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen. Ich hoffte damals, dass ich lediglich so eine doofe Antwort bekommen hatte, sie aber anschließend den Kollegen angerufen hat. Anscheinend war das aber nicht der Fall.

Beim Sozialpsychiatrischen Dienst wurde ich nur gefragt, ob eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Ich habe dem Typen erzählt, dass es bereits eine richterliche Anordnung zu einer Abstandshaltung gibt und sie mich regelmäßig auch körperlich angeht. Ich habe ihm von der Diagnose erzählt und ihm kurz geschildert, was hier so los war und dass ich den Eindruck habe, dass sie dringend Hilfe braucht. Daraufhin meinte er aber nur, dass soweit er das beurteilen könne, keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben sei. Der Fremdgefährdung könne man vorübergehend aus dem Weg gehen, daher sei sie nicht akut. In solchen Fällen werde der Sozialpsychiatrische Dienst nicht sofort, sondern mit Termin tätig; ob ich meine Mutter einpacken und dorthin bringen könnte. Es wäre beim ersten Termin immer sehr gut, wenn Angehörige sie begleiten. Ich habe dann gefragt, ob das sein Ernst ist: Es gibt ein Näherungsverbot, um mich zu schützen, und ich gehe dorthin und lade sie in mein Auto? Daraufhin antwortete er: „Na dann verstehe ich aber nicht,
was Sie von mir wollen. Ich hatte Sie so verstanden, als wenn Sie Ihrer
Mutter helfen wollten.“

„Das ist richtig, nur wollte ich mich dabei nicht selbst gefährden“, fiel mir als druckvolle Antwort ein. Er antwortete: „Nein, das ist schon
richtig, aber meinen Sie denn, dass sie selbständig hierher kommt, wenn
wir jetzt einen Termin machen?“ – Auweia. „Nein, das glaube ich nicht. Aber vielleicht könnten Sie sie ja mal zu Hause aufsuchen?“ – „Nee, das machen die Kollegen, da müssten Sie morgen zwischen 11 und 13 Uhr nochmal anrufen, ich gebe Ihnen mal die Durchwahl…“ – Die Kollegen hatten am nächsten Morgen dann einen Termin am 28.11., vorher nicht, es sei denn, es wäre eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung zu befürchten. Ansonsten hätte man „gut zu tun“. Argh!!!

Die Wende nahm die ganze Arie aber gestern, als das Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hatte, von Frank ein Fax bekam, in dem der ganze Zirkus, auch mit der Mail und der inzwischen erstatteten Anzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung, beschrieben war. Gegen mittag
rief mich Tatjana an, bei ihr seien gerade zwei Polizeibeamte in zivil gewesen, die wollten einen Ausdruck der Mail haben, die ihr von meiner Mutter aus der Mappe gestohlen worden war. Außerdem wollten sie von ihr hören, was da in der Schwimmhalle los gewesen ist.

Bei der Gelegenheit möchte ich auch kurz auf die Fragen eingehen, wieviel Zufall im Spiel sein muss, damit die letzte Aktion meiner Mutter
funktioniert. Ich glaube nicht, dass sie erst die Aktion geplant hat und dann in Tatjanas Tasche nach brauchbaren Dingen gesucht hat, sondern
dass sie nach irgendwelchen Daten gesucht hat (vielleicht nach meiner Adresse), diese aber auf die Schnelle nicht gefunden und einfach irgendwas mitgenommen hat. Auf dem Zettel war eine ausgedruckte Mail zur
Weihnachtsfeier und darüber stand der Verteiler. Das waren die Mailadressen sämtlicher Leute und bei einigen jüngeren Jungs und Mädels auch die der Eltern. Meine Mutter hatte sinngemäß folgenden Text gefunden:

… Hildegard Jessen [hildegard-jessen@gmx.de]; Anton Jessen [schokokeks97@yahoo.de]; …

Natürlich sind die Namen und Mailadressen nur Beispiele, die Familie heißt nicht wirklich Jessen und der Sohn nicht Anton. Sie hat dann überlegt, was man mit den Daten anfangen kann und hatte sich dann unter hildegard-jessen@gmx.net einen eigenen Account eingerichtet. Und ja, sie
kann sowas. Bei meinem Vater hätte ich Zweifel, aber meine Mutter ist in der Lage, eine Mailadresse bei GMX anzumelden und sich dort durchzuklicken. Außerdem hatte sie möglicherweise die Anwesenheitsliste gesehen, den Namen (Anton) gehört, ihn auf einem Foto im Internet wiedererkannt oder einfach nur gemutmaßt, dass er unter den Anwesenden ist, wenn die Bahn so voll ist.

Wie ich inzwischen erfahren habe, hat meine Mutter freiwillig zugestimmt, sich wieder stationär in eine psychiatrische Klinik aufnehmen zu lassen. Das erzählten mir und vor allem Frank vor einigen Stunden jene Polizeibeamte in zivil, die auch gestern bei Tatjana waren (eine Frau und ein Mann).

Nochmal der Reihe nach: Die Polizei hat versucht, den Absender der Mail zu identifizieren. Dabei hat man festgestellt (und so schlau ist meine Mutter dann doch nicht), dass die Mail-ID ihren Vornamen beinhaltet. In einigen Mailprogrammen fließt in die automatisch mitversendete Mail-ID der Anmeldename bei Windows mit ein, und das war ihr Vorname. Versendet wurde das Ding allerdings über das mobile Netz und der Anschlussinhaber war ein Mann, der rund 40 Kilometer von Hamburg
entfernt wohnt. Das hat doch sehr verwirrt. Man hat dann vermutet, dass
das eventuell ein neuer Freund von meiner Mutter sein könnte. Man hatte
überlegt, ob man diesen Herrn besucht und hatte mit der Polizeidienststelle vor Ort telefoniert. Bei der Überprüfung der Personalien kam heraus, dass der vor einigen Wochen in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden sein soll. Was die Theorie des
neuen Freundes ja bestätigen könnte – man hat sich dort kennen gelernt.
Man hatte dann aber in Erfahrung gebracht, dass der Typ noch in der Klinik ist. Da man hier nicht weiter gekommen ist, hat man sich wieder auf meine Mutter konzentriert und versucht, einen Durchsuchungsbeschluss
zu bekommen, um den PC sicherstellen zu können und dort vielleicht Beweise zu finden.

Der Durchsuchungsbeschluss wurde aber abgelehnt, die Beweise reichten
nicht aus. Der Richter hätte in der Ablehnung begründet: Wenn sicher gestellt sei, dass meine Mutter tatsächlich einen PC besitzt, auf dem sie sich mit ihrem Vornamen als Anmeldenamen anmeldet, hätte er unterschrieben. So nicht, es blieben zu viele Zweifel.

Nun kam aber noch eine andere Sache ins Spiel: Niemand wusste, was meine Mutter wirklich plante. Niemand wusste, ob sie glaubte, dass sie mit dieser Aktion irgendwas erreicht hatte oder ob sie wusste (eigentlich wissen müsste), dass der Schwindel bereits aufgeflogen war. Würde sie dann aufgeben, mich zu verfolgen? Oder was hatte sie als nächstes vor? Könnte ja auch sein, dass sie irgendwann erkennt, dass sie
sich damit in eine Sackgasse manövriert hat und auf noch wesentlich dümmere Ideen kommt.

Gestern abend wartete die Polizei in zivil in der Schwimmhalle. Und wieder tauchte meine Mutter dort auf. Sie wurde vor Ort festgenommen. Zu
aller Überraschung ohne irgendein Theater. Wir waren noch nicht im Becken, da war der ganze Spuk schon vorbei. Ich habe dann vom Fenster aus noch sehen können, wie sie ihr am Auto in die Taschen geguckt haben und sie sich ohne jede Gegenwehr von dem Mann Handschellen anlegen ließ.
Ich vermute, dass den beiden die Vorgeschichte auch nicht geheuer war und sie einfach auf Nummer Sicher gehen wollten, wenn sie mit ihr in einem Auto fahren. Sie musste sich hinten hinsetzen, wurde angeschnallt,
die Frau setzte sich neben sie auf die Rückbank und der Mann fuhr. Ich hatte schon einen dicken Kloß im Hals. Aber weiß jemand eine andere Lösung?!

Wie sie mir heute erzählten, sei die Wohnung zwar nicht verwahrlost gewesen, aber sie sammle Plastikflaschen. In der Wohnung waren mindestens 500 leere Mineralwasserflaschen. Ich finde das voll heftig und echt erschreckend. Man habe den Sozialpsychiatrischen Dienst angerufen und der kam dann doch sofort und hat mit ihrem Einverständnis einen Einweisungs- und einen Transportschein fertig gemacht. Anschließend wurde sie mit einem Krankenwagen in eine psychiatrische Klinik gebracht, jedoch wohl nicht in die, die sie vorher bereits behandelt hatte. Den Laptop hätte sie der Polizei freiwillig ausgehändigt und auch zugegeben, dass sie die Mail geschrieben hat und die Sache mit dem Typen in 40 Kilometer Entfernung klärte sich auch: Sie
hatte einfach einem Mitpatienten den Stick nicht zurück gegeben, nachdem er ihn im Krankenhaus mehrmals ausgeliehen hatte. Jeder halbwegs
fitte Mensch würde ihn ja sperren lassen, aber der Mann hatte anscheinend krankheitsbedingt andere Sorgen.

Ich bin auf jeden Fall sehr erleichtert, dass dieser Krimi erstmal vorbei ist und ich mich wieder auf mein Leben konzentrieren kann. Bei allem Mitgefühl: Das ist mir einfach zu heftig! Sorry, die Kraft habe ich nicht, ihr da anders (persönlich) zu helfen. Ich kann versuchen, Hilfe für sie anzustoßen. Soweit es geht und soweit ich mich parallel schützen kann. Aber mehr ist wirklich nicht drin. Ob man meiner Mutter in dieser Klinik nun besser helfen kann, weiß ich nicht. Ich hoffe es und ich wünsche es ihr. Zumindest passiert jetzt erstmal was.

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