Keine wirkliche Alternative

Warum tue ich mir eigentlich die Fahrten mit Bussen und Bahnen an, wenn ich mir doch ein Taxi leisten könnte? Und müsste es nicht sogar der Unfallgegner zahlen, der meinen Viano zerlegt hat?

Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Nein. Der Unfallgegner muss für die Zeit, die es durchschnittlich dauert, mein Fahrzeug wiederzubeschaffen, einen Leihwagen bezahlen. Für den Zeitraum gibt es irgendeine Regel, das sind maximal sechs oder acht Wochen. Lange Lieferzeiten, Behindertenumbau etc. gehen zu meinen Lasten. Es gibt eine höchstrichterliche Entscheidung, dass die Umstände, die sich aus einer Behinderung ergeben, nicht durch den Unfallgegner auszugleichen sind. Genauso wie ein Rollstuhlfahrer bei Totalausfall des Aufzugs keine Mietminderung geltend machen kann – es sei denn, er wohnt im 4. Stock oder höher (dann sind es 10%). Der Umstand, dass ich als Rollstuhlfahrerin nicht mehr aus der Wohnung komme, wenn der Aufzug defekt ist, ergibt sich aus meiner Behinderung, und die ist nicht dem Vermieter zuzuschreiben.

Aber wie dem auch sei, ich hätte ja auch so genug Kleingeld, um mit einem Taxi zu fahren. Die Frage ist nur: Ist es wirklich so viel stressärmer? Am Mittwoch war das Chaos ja auch nicht vorauszusehen, sondern es kam eins zum anderen. Es gibt genügend Tage, an denen es mit Bus und Bahn einwandfrei funktioniert. Versuchsweise habe ich mir vorgenommen, einen Tag lang alle Strecken mit dem Taxi zu fahren und in meinem Blog zu dokumentieren. Und leider geriet ich dabei nicht nur an so nette Fahrer wie meinen Herausforderer bei den BOBs, Sash aus Berlin.

Zur Uni sind es etwa 10 Kilometer, mit dem Auto ist das in 15 bis 20, maximal 30 Minuten zu schaffen. Ich wollte vorher noch etwas abholen und etwas kopieren, plante, um 9.30 Uhr dort zu sein und rief am Donnerstagabend gegen 21.00 Uhr die Taxizentrale an. „Guten Abend, mein Name ist Stinkesocke, ich möchte gerne für morgen früh ein Taxi vorbestellen. Und zwar am liebsten einen Kombi oder einen Van, weil ich einen Rollstuhl mitnehmen muss.“ – „Lässt sich der Rollstuhl falten?“ – „Nein, leider nicht.“ – „Dann bräuchten Sie aber einen Behindertenbus, nur den bekommen Sie nicht über uns. Da hätte ich eine andere Telefonnummer für Sie, haben Sie was zu schreiben?“ – „Ich möchte ein Taxi haben, am liebsten einen Kombi oder einen Van. Ein Bus ist nicht erforderlich, denn mein Rollstuhl passt in einen Kombi hinten rein.“ – „Achso. Ich hatte verstanden, dass er sich nicht falten lässt.“ – „Das ist richtig, aber er passt trotzdem hinten rein.“ – „Was wiegt der Rollstuhl?“ – „Um die 10 Kilogramm.“ – „Achso. Das ist also ein Leichtgewichtrollstuhl?“ – „Er wiegt etwa 10 Kilo.“ – „Ja, also ein Leichtgewichtrollstuhl, schreibe ich auf.“

Meinetwegen, es ist zwar kein Leichtgewichtrollstuhl, sondern ein Aktivrollstuhl, aber bevor ich das erkläre … – „Wo soll die Fahrt losgehen?“ – „Bei mir zu Hause, das ist …straße Nummer …“ – „Um welche Uhrzeit soll das Fahrzeug bei Ihnen sein?“ – „Um 9 Uhr bitte.“ – „Soll der Fahrer klingeln?“ – „Nein, ich bin um 9 Uhr unten.“ – „Wohin soll die Fahrt gehen?“ – „In die …straße.“ – „In Hamburg?“ – „Ja.“ – „Wieviele Personen fahren mit?“ – „Nur eine.“ – „Und Ihren Namen hätte ich dann gerne noch einmal.“ – „Jule Stinkesocke.“ – „Okay, dann wiederhole ich: Einen Kombi oder Van um 9.00 Uhr in der …straße Nummer …, eine Person mit einem Leichtgewichtrollstuhl, Sie kommen runter.“ – „Genau.“ – „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“ – „Nein danke.“ – „Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend.“ – „Danke gleichfalls.“

Am Freitagmorgen, es ist 8.42 Uhr, klingelt es bei mir. „Ihr Taxi ist da!“ – „Ja, 9 Uhr hatten wir gesagt.“ – „Achso, 8.45 Uhr steht auf meinem Zettel.“ – „Ja, da ist dann ein Fehler passiert, ich hatte ausdrücklich 9 Uhr gesagt.“ – Gemurmel in der Leitung. Ich rief vorsorglich die Taxizentrale noch einmal an, man kennt ja seine Pappenheimer. „Stinkesocke hier, ich hatte für heute morgen ein Taxi in die …straße Nummer … bestellt, können Sie mir sagen, ob das klappt und welcher Wagen kommt?“ – „Einen Moment, ich schaue für Sie einmal nach. *klicker* *klicker* Welche Uhrzeit?“ – „Ja, jetzt gleich.“ – „Hier haben wir einmal 9.00 Uhr mit Rollstuhl, sind Sie das?“ – „Ja, genau.“ – „Das ist der Wagen …, der hat den Auftrag angenommen.“ – „Alles klar, dann weiß ich Bescheid. Vielen Dank!“ – „Keine Ursache, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“

Ich kramte also meine Sachen zusammen und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Es war 8.55 Uhr, als ich die Beifahrertür vom Fahrzeug öffnete. Eine Limousine, kein Kombi. Der Fahrer schaute mich an: „Hatten Sie bestellt?“ – „Ja.“ – „Auf welchen Namen?“ – „Stinkesocke.“ – Er kletterte aus dem Auto, kam zu mir. „Wie machen wir das mit dem Rollstuhl, kann man den falten?“ – „Nein.“ – „Nein?! Dann bekomme ich den nicht mit.“ – „Wir können die Räder abnehmen und die Rückenlehne runterklappen.“ – „Den bekomm ich nicht in den Kofferraum. Also ich glaube das nicht. Ich habe ja schon die ganzen Kindersitze da hinten drin. Müssen wir mal schauen, eventuell muss ich die auf die Rückbank legen.“ – „Ich hatte extra um einen Kombi oder einen Van gebeten.“ – „Ja, sehen Sie, das ist nämlich auch nicht übermittelt worden.“ – „Ja, das ist doof. Ich habe es aber ausdrücklich gesagt.“ – „Steigen Sie erstmal ein.“

Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und mein erster Blick fiel auf den (alten) Taxameter, der nicht, wie manchmal in neueren Modellen, irgendwo im Rückspiegel untergebracht, sondern fest auf der Beifahrerseite am Armaturenbrett angebracht war und mit roten 7-Segment-LED-Anzeigen munter vor sich hin leuchtete: 8,20 €. Bevor ich dem Fahrer also erklärte, wie mein Rollstuhl zu falten ging, fragte ich: „Was hat das hier mit den 8,20 ähm 8,30 auf sich?“ – „Erklär ich Ihnen gleich.“ – „Nein, das erklären Sie mir bitte jetzt, sonst steige ich sofort wieder aus.“ – „Das ist die Wartezeit seit 8.45 Uhr.“ – „Wir haben um 9.00 Uhr einen Termin, da oben hängt eine Uhr, es ist vor 9.00 Uhr. Ich möchte gerne meinen Rollstuhl haben – vielen Dank.“ – „Und jetzt?“ – „Jetzt rufe ich Ihre Taxizentrale an und bestelle mir ein anderes Fahrzeug. Schönen Tag noch.“ – „Sie müssen die Anfahrt und die Wartezeit bezahlen.“ – „Nö.“ – „Dann rufe ich jetzt die Polizei?“ – „Tun Sie, was Sie für richtig halten.“

Ich rief über mein Handy die Taxizentrale an. „Guten Tag, Stinkesocke mein Name, ich hatte für 9 Uhr ein Taxi bestellt in die …straße Nummer …“ – „Ja, wir hatten doch eben telefoniert. Der Wagen müsste jeden Moment da sein.“ – „Der Wagen ist schon da, allerdings ist es weder ein Kombi noch ein Van und der Fahrer hat vor Abfahrt bereits über 8 Euro auf der Uhr, schicken Sie mir bitte ein anderes Fahrzeug.“ – „Moment mal bitte.“ – Wartemusik. – „Ich erreiche den Fahrer gerade nicht. Ist der noch vor Ort?“ – „Der steht neben mir.“ – „Können Sie mir den einmal geben?“ – „Nein, kann ich nicht, schicken Sie mir bitte ein anderes Fahrzeug, einen Kombi oder einen Van, und das bitte zügig, ich habe einen Termin.“ – „Geben Sie mir doch bitte mal den Fahrer.“ – „Ich gebe mein Handy nicht an fremde Leute weiter. Schicken Sie mir jetzt einen anderen Wagen oder soll ich woanders anrufen?“ – „Nein, ich schicke Ihnen ein anderes Fahrzeug so schnell es geht.“ – „Wie lange wird es etwa dauern?“ – „So schnell es geht, um die 10 Minuten.“ – „Okay.“

Vier Minuten später fuhr ein Touran auf das Gelände. Ich winkte ihm zu. „Guten Tag, Sie hatten ein Taxi bestellt?“ – „Ja, genau.“ – „Und was hat das hier mit dem Kollegen auf sich?“ – „Keine Ahnung, der wollte seine Fahrt nicht mit 2 Euro 80 sondern mit 8 Euro 20 beginnen und dafür muss er sich einen anderen dummen suchen.“ – „Okay?! Na da sag ich mal lieber nichts zu. Kann man den Rollstuhl falten?“ – „Nein, der passt aber so hinten rein. Meine Freundin hat auch einen Touran.“ – „Achso, na
dann.“

Während der Fahrer meinen Rollstuhl einlud, stieg der erste Fahrer in sein Taxi ein und fuhr davon. Dann stieg mein Fahrer ein, fragte nach dem Ziel, schaltete den Taxameter ein und fuhr los. „Bevorzugen Sie einen bestimmten Weg?“ – „So direkt wie möglich, aber keine spezielle Route.“ – Ich unterhielt mich mit ihm, er war eigentlich ganz nett, fragte mich, woher meine Behinderung käme, erzählte mir, dass er immer einen Rollstuhlbasketballer zur Arbeit gefahren hätte für ein halbes Jahr lang, und dann waren wir auch schon da. „Das macht dann 21 Euro 50 bitte.“

Für den Rückweg begab ich mich zum Taxistand vor der Uni. Kein Fahrzeug da. Also rief ich erneut in der Taxizentrale an. Diesmal kam nach 10 Minuten eine E-Klasse als Kombi, der Fahrer fragte mich auf den ersten 100 Metern, ob ich studiere, sprach nur sehr gebrochen Deutsch und mit starkem Akzent, kannte aber den direkten Weg und am Ende sollte ich 21,10 € zahlen.

Am späten Nachmittag musste ich zum Schwimmen, Ersatztraining für den am Mittwoch ausgefallenen Termin. Fahrzeit: Zwischen 20 und 45 Minuten. Es kam erneut ein Touran, der Fahrer sprach ebenfalls nur gebrochen Deutsch. Er verstaute meinen Rollstuhl, startete den Taxameter, fuhr vom Parkplatz und – fuhr falsch. Er hätte sich sofort links einordnen und einen U-Turn machen müssen, er wartete aber nicht ab, bis alle drei Fahrspuren frei sind, sondern ordnete sich rechts ein und fuhr auf eine Schnellstraße.

Bevor ich ihn fragen konnte, sagte er: „Oh nein, jetzt sind wir verkehrt. Wie machen wir nun. Ist so blöde. Ich fahre über Autobahn, das geht schnell und dann machen wir bei 30 Euro auf Kasse, sind Sie einverstanden?“ – „30 Euro klingt gut, aber Autobahn? Wollen wir nicht lieber die nächste wieder raus und durch das Gewerbegebiet fahren?“ – „Da kenne ich mich nicht aus. Kennen Sie den Weg?“ – „Ja sicher. Autobahn ist ja ein riesiger Umweg, das sind doch bestimmt 20 Kilometer mehr.“ – „Nein, wir fahren Autobahn, das geht schneller, und wir machen bei 30 Euro aus.“

Als wir von der Autobahn über die Elbe stadteinwärts fuhren, waren die 30 Euro erreicht. Bei 30,50 € machte ich den Fahrer darauf aufmerksam. „So, die 30 Euro wären jetzt voll.“ – „Ja, ich darf nicht ohne Taxameter fahren. Aber Sie zahlen am Ende nur 30 Euro. Den Rest muss Chef dann Storno machen.“ – Als wir an der Schwimmhalle ankamen, waren es 51,30 €. Was sagt der Fahrer? – „30 Euro zu 51 Euro sind 21, Hälfte sind 10 Euro 50. Die 30 Cent schenke ich Ihnen, sagen wir 40 Euro glatt.“ – „Wir haben 30 Euro gesagt.“ – „Ja 30, aber jetzt ist 51,30 und Mitte ist 40. Ich muss 10 Euro bestimmt selbst zahlen, sagt Chef nachher und ich bin auch nur sagen wir kleiner Taxifahrer mit Kinder.“ – „30 Euro haben wir gesagt und das ist vermutlich schon mehr als die Fahrt auf dem direkten Weg gekostet hätte.“ – „Nein, auf direktem Weg wäre bestimmt 35 oder 38 Euro gewesen. Ich mache Angebot, wir sagen 35 Euro. Okay?“ – „Wir sagen 30 Euro wie vereinbart.“ – „Ist nicht schön, aber wir streiten nicht, machen 30 Euro.“

Nach dem Schwimmen rollte ich 500 Meter an der frischen Luft zum nächsten Taxistand. Dort saß ein Mann in einem E-Klasse-Kombi. „Fahren Sie mich in die …straße?“ – „Ja klar. Warten Sie, ich mache den Sitz zurück und dann helfe ich Ihnen. Ich komme rum.“ – Ich stieg ein, er verlud meinen Rollstuhl im Kofferraum, dann setzte er sich wieder auf seinen Fahrersitz. „Ich muss ganz schnell noch eine Tour abgeben, ja? Haben Sie es eilig?“ – „Nein.“ – „Dann telefoniere ich kurz und dann fahren wir los.“

Er nahm sein Handy ans Ohr: „Du, kannst du für mich die Frau … abholen? Ich habe noch eine größere Tour reinbekommen.“ – Als er aufgelegt hatte, fuhr er los und meinte: „Das war meine Frau. Wir fahren beide Taxi. Dann klappt das ganz gut, ich hätte sonst einen Kollegen rufen müssen, denn ich habe in 20 Minuten eine feste Tour.“ – Der Mann sprach ebenfalls mit ausländischem Akzent. Er fragte mich, ob ich denn kein Auto hätte. Ich erzählte ihm die Story von meinem zerlegten Viano. Und den langen Lieferzeiten. Und von den Maschen, die seine beiden Kollegen heute abgezogen haben. „Aber die waren nicht von unserer Taxizentrale, oder?“ – „Nein, die waren von …“ – „Rufen Sie doch nächstes Mal bei uns an.“ – „Ich wohne ja dort, wo Sie mich jetzt hinfahren, und das ist ein ganz anderer Stadtteil.“ – „Achso, ich dachte, Sie wohnen da wo Sie eingestiegen sind.“ – „Nein.“ – „Es gibt immer schwarze Schafe, die machen das ganze Gewerbe kaputt. Bei unserer Zentrale gibt es solche Leute nicht. Wir sind nicht viele Fahrer und unser Chef guckt sich die immernoch alle einzeln an. Ich bin jetzt seit 20 Jahren dort und meine Frau auch, wir sind sehr zufrieden.“ – Am Ende zeigte der Taxameter 29,30 € an. Soviel also zum Thema „bestimmt 35 bis 38 Euro“.

Während der Fahrt kamen wir ins Gespräch, wie teuer wohl die teuerste Fahrt innerhalb Hamburgs sein könnte. Er meinte: „Das hat mal jemand ausgerechnet. Das geht von Altengamme nach Wittenbergen und macht so rund 75 Euro.“ – Nicht schlecht.

Nach zwei Terminen endet mein Versuch. Ich bin insgesamt über 100 Euro losgeworden, um einmal zur Uni und zurück und einmal zum Training und zurück zu fahren und ich muss sagen, dass es insgesamt nicht entspannter war als mit der Bahn. Sicherlich, die beiden Chaoten sind Ausnahmen, allerdings garantiert mir auch niemand, dass ich die nicht wieder erwische, wenn ich häufiger Taxi fahren sollte. Hinzu kommt die Angst, im Auto unkontrolliert rumzupupsen. Dann diese ewige Erklärerei beim Vorbestellen, das Rumstehen auf der Straße, wenn der Taxistand leer ist, vielleicht noch im Regen, die Gefahr, dass der Stuhl zerschrammt wird, weil einige Taxifahrer den lieblos in ihren Kofferraum reinpressen und dabei an irgendwelchen Verstrebungen entlang schrammen, die Gefahr,
dass die Greifreifen zerschrammen (was dann weh tut beim Fahren), weil einige Fahrer die abgebauten Räder mit dem Greifreifen nach unten auf den Asphalt legen. Oder eben auch, dass sie den Stuhl im Kombi nicht anlehnen, sondern frei in den Raum stellen, so dass der bei jedem Bremsen und Anfahren hin und her poltert…

Ohne Frage, die meisten Taxifahrer sind freundlich, nett, zuvorkommend und verstehen ihren Job. Taxifahren ist sicherlich eine Alternative zum Bahn- und Busfahren, wenn es mal schnell und komfortabel
sein soll. Aber wirklich stressfreier finde ich das nicht. Eine echte Alternative ist und bleibt nur das eigene Auto. Und das lässt eben noch auf sich warten.

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