Strand und Mia

Und während halb Deutschland schwitzt, hatten wir ein wunderschönes
Wochenende an der Ostsee. Gestern nahezu spiegelglatte See, kaum Wind, erträgliche Temperaturen, strahlend blauen Himmel und herrlichen Sonnenschein, dazu ein fast menschenleerer Strand. Guckst du:

Und heute geilstes Luftmatratzenwetter: Bei strahlendem Sonnenschein und etwa Windstärke 3 konnte man sich wunderbar durchschaukeln lassen. Ich glaube, insgesamt waren Marie und ich heute über drei Stunden im Wasser. Nicht an einem Stück, aber an einem Tag…

Wir hatten heute unser Strandiglu aufgebaut, um ein wenig vom Wind und der Sonne geschützt zu sein. Marie und ich teilten uns eine Schaufel
und bauten eine Sandburg, als plötzlich ein etwa zehnjähriges Mädchen zu uns kam, erst schüchtern guckte, dann zu ihren Eltern blickte, die ihr zunickten. Dann fragte sie: „Darf ich an eurer Burg mitbauen?“ – „Na
klar“, sagte Marie. Also bauten wir mit drei Leuten bestimmt eine Stunde lang eine große Sandburg. Mit Muscheln verziert, mit einem Burggraben, einem Tunnel – nur leider gibt es ja immer wieder Kinder, die unbedingt alles kaputt machen müssen. Wir waren gerade fertig, als zwei geschätzt sechs- bis achtjährige Jungs mutwillig auf unserem Kunstwerk herumspringen mussten. Marie zog das eine Kind noch am Bein weg, es war allerdings schon zu spät. Die Mutter kam dazu und verpasste den beiden Rotzlöffeln eine Standpauke. Das interessierte die beiden jedoch nur sekundär.

Aber man sieht sich ja immer zwei Mal im Leben. Manchmal auch kurz hintereinander. Wir nahmen die zehnjährige Burgenbauerin mit ins Wasser (sie hat natürlich vorher ihre Eltern gefragt, ob sie durfte) und spielten mit ihr auf der Luftmatratze. Wir waren ziemlich ausgelassen. Ich glaube, sie hatte den größten Spaß. Nach einiger Zeit brachte Mia, so hieß das Mädchen, unsere Luftmatratze in unser Strandiglu, holte stattdessen ihre schwimmende Frisbee-Scheibe. Da kamen doch tatsächlich die beiden Rotzlöffel an und fragten, ob sie mitspielen dürfen. Ich konnte mir nicht verkneifen: „Mit Euch spielen wir nicht. Ihr habt unsere Burg kaputt gemacht. Tschüss!“

Vielleicht ist es denen ja eine Leere Lehre. Als wir wieder draußen waren, kamen Mias Eltern zu uns an unser Iglu und wir haben uns lange unterhalten. Total nett, über alles mögliche. Sie seien Tagesurlauber aus Hamburg, ihre Tochter käme ab Sommer auf eine andere Schule, sie habe bisher große Probleme in der Schule gehabt, weil sie sonst sehr schüchtern sei, die beiden hätten sich gefreut, dass sie heute bei uns Anschluss gefunden hätte, obwohl wir ja schon sehr viel älter seien. Und so weiter.

Irgendwann zogen Gewitterwolken auf. Wir begannen, unsere Sachen zusammenzupacken. Am Morgen hatte Maries Papa uns die Sachen noch von der Düne über den Sand getragen, während wir auf dem Popo dorthin gerutscht sind. Wir hätten ihn jetzt angerufen, wollten aber vorher Mias
Eltern fragen, ob sie uns helfen. Die beiden waren vollkommen perplex: „Ach, zu Euch gehören die Rollstühle am Eingang? Wir hatten uns schon gewundert, wer die wohl vergessen haben mag, dachten dann aber, dass vielleicht noch jemand irgendwo in den Dünen liegt. Das ist ja eine Überraschung.“

Wir fragten noch, ob ihnen nicht aufgefallen sei, dass wir uns im Sitzen aus dem Wasser bewegt hätten. „Ja doch, aber wir dachten, das macht ihr wegen der Steine da vorne. Keine Ahnung, wir haben nicht darüber nachgedacht. Nun ist es natürlich klar.“ – Uns wurde geholfen und Mia guckte interessiert zu. Wir setzten uns zunächst auf eine Holzbank, um den ganzen Sand von den Beinen abzuklopfen. Die leeren Rollstühle standen direkt vor uns. Ich fragte Mia: „Willst du mal fahren?“ – Mia guckte ihre Mutter an: „Darf ich?“ – „Na klar, wenn du möchtest?“ – Zack, kletterte sie rein. Ich zeigte ihr, wie leicht der Stuhl kippt, damit sie nicht überraschend nach hinten fällt. Sie hatte ein sehr gutes Körpergefühl und lernte sehr schnell, auf zwei Rädern zu stehen. Und dann fuhr sie durch die Gegend. Zuerst schlecht, später wesentlich besser koordiniert. Ihre Beine waren zu kurz, um die Füße gut
auf den Fußbügel stellen zu können, aber mit den Zehenspitzen kam sie dran. Auch waren ihre Oberschenkel etwas zu kurz für die Sitztiefe, aber
es ging irgendwie.

Während Mia durch die Gegend düste, fragte die Mutter: „War das ein Unfall bei dir?“ – Ich erzählte ihr in wenigen Sätzen, was mir passiert ist. Marie wurde auch gefragt und erzählte von sich. So quatschten wir noch eine halbe Stunde, während Mia auf dem geteerten Weg zum Strand Rollstuhlfahren übte. Verkniffen habe ich mir natürlich den Spruch: „Nicht, dass sich Mia sowas jetzt zu Weihnachten wünscht.“ – Sowas geht nur bei denen, die unseren schwarzen Humor sicher richtig einordnen können. Dann fielen die ersten Regentropfen und das Donnergrollen wurde lauter. Wir verabschiedeten uns: „Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann
mal wieder hier!“

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