Famulatur

Psychobunker

Der erste Tag meiner Psycho-Famulatur ist rum. „Psycho“ deshalb, weil ich gelernt habe, dass die Patientinnen und Patienten ihre Klinik „Der Psychobunker“ nennen, in dem sie, behĂĽtet vor äuĂźeren EinflĂĽssen, selbständig an ihren Ă„uĂźerlichkeiten experimentieren, und so mehr Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein gewinnen. „Ich habe mich entschieden, einmal bis zu 85% auszurasten, um dem Franz, dem Peter und dem GĂĽnther zu zeigen, dass auch in mir GefĂĽhle sind. Die letzten 15% habe ich mir fĂĽr die letzten drei Wochen meiner Reha aufgespart. Jede Woche fĂĽnf Prozent mehr. Es war ein gutes GefĂĽhl, eine Ecke meines Panzers hat …“ – „Sich gelöst?“… Weiterlesen »Psychobunker

Kein ReisebĂĽro

Und wieder ein Semester ĂĽberstanden. Na gut, noch nicht ganz. Aber dessen Vorlesungen. Ab Oktober folgt das achte, bis dahin muss ich noch zwei sehr umfangreiche Hausarbeiten fertigstellen und einen weiteren Monat Famulatur ableisten. Dieses Mal in einer psychosomatischen Rehaklinik der Deutschen Rentenversicherung. Patienten sind dort ĂĽberwiegend Menschen mit Ess-Störungen, Burn-Outs, Neurosen, … Ich bin sehr gespannt. Warum gerade das? Weil ich denke, dass mir der Kontakt zu psychosomatischen Krankheiten mehr Sicherheit gibt, wenn es darum geht, Patienten und ihre Symptome richtig zu verstehen. Nein, keine Angst, ich gehöre nicht zu den Menschen, die glauben, dass alle körperlichen Symptome, fĂĽr… Weiterlesen »Kein ReisebĂĽro

Schokolade zu mir

Hallo? Hallo Welt? Ach, du bist noch da. Wie schön. Bin ich auch im Hier und Jetzt? Ja, doch, so langsam erscheint die Welt wieder real. Und mir geht es zum ersten Mal seit etwa zehn Tagen wieder richtig gut. Wenngleich auf einem eher bescheidenen Niveau, aber beim Befinden zählt ja bekanntermaĂźen vorrangig das GefĂĽhl. Seit Freitag bin ich wieder zu Hause. Entlassen. Nicht aus dem Knast. Sondern aus einer anderen Einrichtung, die mit demselben Buchstaben beginnt. Ja, Klinik. Oder Krankenhaus. Eigentlich war fast nichts los. Aber es war trotzdem mal wieder unnötig dramatisch. Hatte ich nicht mehrfach laut herumgetönt,… Weiterlesen »Schokolade zu mir

Schnell vorbei

So schnell können vier Wochen vorbei sein. Ich kann nun stolz ĂĽber mich verkĂĽnden: Selbst wenn mich jemand nachts um halb drei aus dem Tiefschlaf weckt, kann ich ihm innerhalb von acht Sekunden die fĂĽnf häufigsten Krankheiten im Kindes- und Jugendalter in Hamburg im ersten Quartal 2015 in korrekter Reihenfolge vorwärts und rĂĽckwärts wahlweise auf Deutsch oder Latein aufsagen. In den nächsten zwei Minuten bekomme ich dann auch noch die jeweilige aktuell gängige Therapie mit RĂĽcksicht auf die Rahmenverträge der einzelnen Krankenkassen sowie die wichtigsten Richtlinien der standardisierten Patientendokumentation und die häufigsten GebĂĽhrenziffern heruntergebrabbelt – und sollte danach noch jemand… Weiterlesen »Schnell vorbei

Noch eine Woche

Fiebrige Kleinkinder kann ich inzwischen nicht mehr sehen. Ich wundere mich, dass ich noch nicht krank bin. Ich rechne fest damit, dass es mich noch erwischt. Vermutlich dann, wenn die stressigen vier Wochen vorbei sind. Ich habe keinen Vergleich, aber meine Chefin sagt, dieses Jahr sei es besonders schlimm. Wir schleusen am Tag zwischen 70 und 100 Patienten durch (an einem Spitzentag waren es 118, normal sind zwischen 35 und 50) und 80% davon sind erkältet, 15% haben Magen-Darm und zwei, drei haben was anderes. Was anderes kann zum Beispiel sein, dass ein zwölfjähriger Junge wissen möchte, ob er Hodenkrebs… Weiterlesen »Noch eine Woche

Hamster in der Dose

Dass Menschen zum Arzt gehen, weil sie sonst niemanden haben, mit dem sie ihre Sorgen und Probleme besprechen können, ist kein Geheimnis. Das soll es auch nicht sein, im Gegenteil. Trotz aller Scham und allem Streben nach Perfektion setzt sich in der Gesellschaft allmählich zunehmend die Erkenntnis durch, dass nicht alle Menschen gesund sind und dass es nicht nur körperliche Erkrankungen gibt. Wobei ich eine einfache, einmalige Ratlosigkeit nicht gleich als psychische Erkrankung ansehen wĂĽrde. Dennoch gibt es viele Menschen, die alleine zu grĂĽbeln beginnen – ĂĽber Fragen, von denen sie wissen, dass sie sie alleine nicht beantworten können und… Weiterlesen »Hamster in der Dose

Uschi und ein Luchs

Eine weitere Woche meiner Famulatur ist geschafft. Es macht sehr groĂźen SpaĂź, allerdings bin ich auch froh, wenn es vorbei ist. Die körperliche und vor allem die seelische Belastung ist wirklich nicht zu unterschätzen. Mit meiner Chefin komme ich ganz gut klar, mit den ĂĽbrigen Mitarbeiterinnen ĂĽberwiegend auch. Ăśberwiegend heiĂźt: In der Praxis sind sechs Mitarbeiterinnen hauptsächlich in Teilzeit beschäftigt. Eine Minijobberin, Uschi, kurz vor der Rente, arbeitet nur an einem Nachmittag. Mit ihr bin ich am letzten Montag, unserem ersten gemeinsamen Tag, richtig heftig aneinander geraten. Bei dutzenden Patienten klappte alles irgendwie. Die Routine fehlt mir, ich muss ständig… Weiterlesen »Uschi und ein Luchs

Drogen und Theophyllin

Am zweiten Tag meiner Famulatur in der Kinderarzt-Praxis sollte ich ein Sprechzimmer ĂĽbernehmen, meine Chefin das andere. Und bei jedem Patienten am Ende die Therapie einmal mit ihr abstimmen. Gleich als erstes kam ein Mädchen zu mir, gerade 13 Jahre alt. Zerrissene Jeans, Wollpulli, Lederjacke ĂĽber dem Arm. Blonde Haare akkurat geflochten. Blasse Gesichtsfarbe, dĂĽnne Arme und Beine, im Gesicht sah sie aus wie ein zerbrechliches PorzellanpĂĽppchen. Sie wirkte einerseits sehr schĂĽchtern, andererseits begrĂĽĂźte sie mich gleich mit einem „Moinsen“. Ich musste grinsen. Ich sagte ihr, was ich jedem sagen muss, nämlich dass ich Famula(ntin), also quasi Praktikantin bin. „Cool“,… Weiterlesen »Drogen und Theophyllin

Grippale Infekte und zwei Impfungen

Ich glaube, ich habe noch nie so viel gelernt innerhalb so kurzer Zeit wie in den letzten Tagen. Die Praxis von Maries Mama ist ja schon immer sehr unterhaltsam und interessant, aber eine Kinderarztpraxis, in der ich gerade den ersten Teil meiner Famulatur ableiste, stellt alles in den Schatten. Sehr eindrucksvoll, sehr herausfordernd, teilweise sehr emotional. Und Kinder sind ja sowieso nochmal völlig anders als Erwachsene. Eben nicht nur kleiner. Am ersten Morgen sollte ich mich gleich hinter den Empfangstresen setzen und die Praxis kennenlernen. Das war keine groĂźe Herausforderung, das ist bei Maries Mutter deutlich anspruchsvoller. Nach zwei Stunden… Weiterlesen »Grippale Infekte und zwei Impfungen

Famulatur und Suizid

Das Wintersemester neigt sich dem Ende zu. Noch bis zum Ende des Monats raucht mein Kopf, dann kann ich das Tempo fĂĽr rund zehn Wochen ein wenig drosseln. Insgesamt bin ich gut im Rennen. Im nächsten und ĂĽbernächsten Monat werde ich vier Wochen lang in einer Kinderarztpraxis den ersten Teil meiner Famulatur ableisten. Ich freue mich schon riesig, obwohl es sicherlich ein hartes StĂĽck Brot wird, das ich da zu kauen habe. Die erste Erkältung seit vielen Monaten habe ich schon fest eingeplant. Und täglich morgens ganz frĂĽh mein warmes, kuscheliges Bett verlassen zu mĂĽssen, um abends völlig erschöpft wieder… Weiterlesen »Famulatur und Suizid