Job

Stemm-Eisen und many reasons

Es ist kurz nach halb sechs am Abend. Eine gute halbe Stunde dauert mein Dienst noch, bevor ich endlich nach Hause darf. Personalnot zwingt die Klinik nicht nur zu immer individuelleren Arbeitszeiten, sondern auch noch zu immer individuelleren Einsatzbereichen. „Können Sie mal bitte geschwind in die chirurgische Notaufnahme, dort unterstĂŒtzen, man erwartet in den nĂ€chsten zehn Minuten einen Jugendlichen mit Schnittwunde an der Stirn? Die Kollegen sind alle beschĂ€ftigt.“ Na sicher. Ich muss durch das halbe GebĂ€ude, weil nur vorne ein barrierefreier Ausgang ist. Die Notaufnahme liegt aber hinter dem GebĂ€ude. Ich muss ĂŒber einen matschigen Sandweg, Wind peitscht mir… Weiterlesen »Stemm-Eisen und many reasons

Schnucki

NatĂŒrlich kann ich kurzfristig einspringen und Nachtdienst machen. Dass ich mein obligatorisches MittagsschlĂ€fchen vor dem Nachtdienst nicht hatte, ist nicht weiter schlimm. Dass ich heute morgen eine ambulante OP hatte, auch nicht. NatĂŒrlich komme ich, damit mein aktueller Lieblingskollege nicht so alleine ist. Und ich weiß zu schĂ€tzen, dass es nur Bereitschaftsdienst ist. Dann kann ich mich vielleicht eine Stunde zwischendurch hinlegen. Ist noch Zeit fĂŒr einen Klogang, bevor ich spontan los muss? Gerade noch. Der Lieblingskollege begrĂŒĂŸt mich mit: „Na, Schnucki, gehen bei dir zu Hause auch die Uhren nach?“ – „Du kannst gerne nachfragen, wenn du meinen Namen… Weiterlesen »Schnucki

Nudelsuppe

Ich bin derzeit Fan von ‚in medias res‘, und so schreibe ich nicht von einem stressigen FrĂŒhdienst mit mal wieder unterbesetzter Schicht, kranken Kindern und Jugendlichen und einer aus KapazitĂ€tsgrĂŒnden irgendwie kaum stattfindenden Facharztausbildung, sondern von einem 16 Jahre alten Jungen, der in Bauchlage vor mir auf dem Tisch liegt und am oberen RĂŒcken einen 14 Zentimeter langen Schnitt hat, den er sich angeblich beim Herumtollen in der KĂŒche selbst zugezogen haben soll, nachdem er nackt (!) auf das zuvor hinabgeworfene Messer gefallen sei. Ich muss keine Rechtsmedizinerin sein, um zu wissen, dass das so nicht stimmen kann. Wenn jemand… Weiterlesen »Nudelsuppe

Kampf-Lesbe

Im Jahr 2018 werden junge SchĂŒler gefragt, wie eine Familie entsteht. Laut dem inzwischen vorliegenden Lösungsmuster gibt es die volle Punktzahl bei: „Ein Mann heiratet eine Frau und zeugt ein Kind mit ihr.“ Ich finde, dass nicht nur die SchĂŒler Fehler machen dĂŒrfen. Ich hĂ€tte es stark gefunden, wenn die Lehrerin, die nicht mehr die JĂŒngste ist, etwas nachliest und sich eingesteht, dass ein großes StĂŒck gesellschaftliche Entwicklung unbemerkt an ihr vorbei gezogen ist. Sie war in einem Trott, hat jedes Jahr dieselben Tests geschrieben, ist vielleicht schon lange ausgebrannt 
 keine Ahnung. Da mit ihr nicht zu reden war… Weiterlesen »Kampf-Lesbe

Ganz viel MĂŒll

Paula und ich sind am letzten Freitag rechtzeitig um 4.30 Uhr bei mir losgefahren, um Emma vom Bahnhof abzuholen. Sie hatte einen Nachtzug genommen und wir hatten vereinbart, uns um 7 Uhr morgens am bisherigen Wohnort unseres verstorbenen Vaters zu treffen. Weil noch kein Berufsverkehr war, hoffte ich, mit zweieinhalb Stunden fĂŒr die rund 300 Kilometer auszukommen. Da es fast nur Autobahn war, mĂŒsste es funktionieren. Eine Baustelle kam nach der nĂ€chsten, kaum fuhren wir mal 120 km/h, wurden wir auch schon wieder auf Tempo 80 oder sogar nur 60 km/h ausgebremst. Schon fĂŒr die ersten 100 Kilometer brauchten wir… Weiterlesen »Ganz viel MĂŒll

Achtzig und mehr

Wenn mich am Morgen nach zwölf Stunden Stationsdienst und weiteren zwölf Stunden Bereitschaftsdienst, in denen ich keine halbe Stunde gelegen habe, jemand fragt, ob ich die nĂ€chste Zwölf-Stunden-Schicht auch noch ĂŒbernehmen könnte, weil so viele Leute krank sind, und ich dann ablehne und dann mir noch blöde Kommentare anhören muss, dann ist ein Zeitpunkt gekommen, wo ich mich – vorbei an allen Strukturen und ohne RĂŒcksicht auf Befindlichkeiten – beim obersten Chef melden muss. Er sei ja immer fĂŒr mich da, hat er mir an meinem ersten Tag gesagt. „Dann werde ich ihn mal beim Wort nehmen“, dachte ich mir… Weiterlesen »Achtzig und mehr

Ein Stein in der Nacht

Und gleich wieder ein 24-Stunden-Dienst. Auch wenn die HĂ€lfte davon Bereitschaft ist und ich zwischendurch versuche, zu schlafen, geht das so nicht weiter. Eigentlich möchte ich nicht mal 40 Stunden arbeiten, derzeit sind es aber eher 60 Stunden. Im Durchschnitt. Wenn sich hier von Seiten der Klinik keine Verbesserung in der Personalplanung ergibt, werde ich erneut den Arbeitsplatz wechseln. Das ist einfach too much. Und es ist ja nicht so, dass man nachts durchschlĂ€ft. Sondern in einer Tour ist irgendwas los. Kaum hat man die Augen zu, piept der Melder. Und meistens ist es irgendetwas Unnötiges. Hinzu kommt ja auch,… Weiterlesen »Ein Stein in der Nacht

Gewissen

Helena ist wieder da. Angeblich gab es nicht genĂŒgend Personal, um ihre RĂŒckfahrt zu organisieren oder durchzufĂŒhren. Und das Handy hat man ihr am ersten Tag abgenommen, weil beim Probewohnen und in den ersten vier Wochen generell kein Handy erlaubt sei. Helena ist Marie und mir um den Hals gefallen, als sie wieder da war, konnte es nicht abwarten, endlich (verspĂ€tet) in die Schule zu kommen, und fand das Wochenende schrecklich. Die anderen Jugendlichen seien einzeln ganz okay gewesen, aber ein völlig kaltes, rechthaberisches Klima, in dem es nur darum geht, der Coolste zu sein, herrschte in der Gruppe vor.… Weiterlesen »Gewissen

Nicht so gut

Manchmal gibt es auch bei mir Wochen, in denen gar nichts Besonderes passiert. Oder passieren besondere Dinge, die ich inzwischen gar nicht mehr als ungewöhnlich wahrnehme? Ich weiß es nicht. Ich fĂŒhle mich gerade irgendwie insgesamt ĂŒberfordert, ich möchte sogar behaupten: Es lĂ€uft gerade nicht so gut. Die letzte Woche war so beschissen, dass ich froh bin, dass sie endlich vorbei ist. Voller Hoffnung, dass die nĂ€chste Woche besser wird. Etwas zumindest. Das Jugendamt hat sich kurzfristig ĂŒberlegt, dass es doch schön wĂ€re, wenn Helena sich an diesem Wochenende eine Jugend-Wohneinrichtung anschaut und dort im Rahmen eines Probe-Wohnens eine Nacht… Weiterlesen »Nicht so gut

Wochenende

Auch wenn ich Hamburg sehr vermisse, fĂŒhle ich mich an der Ostsee sehr wohl. Gerade jetzt, wo es nachts wieder etwas kĂŒhler wird, finde ich das Klima, den Wind und die leicht salzige Luft sehr angenehm. Derzeit pendel ich vier bis fĂŒnf Mal pro Woche in eine Großstadt, um dort zu arbeiten und mich in der PĂ€diatrie fortzubilden, und ehrlich gesagt freue ich mich, wenn ich Feierabend habe, auch sehr auf die Ruhe außerhalb einer hektischen Großstadt. Normalerweise kaufe ich nicht mal in der Stadt ein, einerseits, um die GeschĂ€fte in meiner NĂ€he zu unterstĂŒtzen, andererseits, weil es dort nicht… Weiterlesen »Wochenende